Группа авторов

ACT in Klinik und Tagesklinik


Скачать книгу

Abteilung oder Station überhaupt die Geeignete sei. Im Behandlungsteam kann dies unterschiedlichste (innere) Ereignisse im Sinne von Gedanken und Gefühlen etc. auslösen: Menschen – in diesem Fall Behandlerinnen und Behandler – fühlen sich z. B. gekränkt, dass jemand die Vorzüge der angebotenen Behandlung nicht sieht, fühlen sich nicht gewürdigt und gesehen in ihrem Engagement zum Wohle der Patientinnen und Patienten oder fühlen Resignation und denken den Gedanken: »Wenn das schon so losgeht, kann das ja nichts werden« usw. Auch hier hilft es für das Gelingen der konkreten Beziehungsgestaltung und der Behandlung insgesamt sehr, sich dieser eigenen Gedanken und Gefühle im Hier und Jetzt bewusst zu werden, inne zu halten und ein entsprechend hilfreiches, wert-orientiertes Vorgehen zu wählen. Dazu können wiederum die vier ACT-Fragen aus Kap. 4.2.1. hilfreich angewandt werden (image Kap. 4.2.1).

      Aus der klinischen Erfahrung hat es sich zudem hilfreich gezeigt, ganz bewusst den eigenen »Normwert« zu überprüfen und ggf. zu adjustieren: initiale Zweifel der Patientinnen und Patienten an der Behandlung und am klinischen Setting sind so häufig, dass man sie als »Normwert« ansehen kann, selbst wenn es dem eigenen Anspruch, Wunsch oder Selbstbild (vgl. Selbst-als-Kontext) widerspricht. Hierzu gehört, Gedanken wie »Die Patientin muss doch unsere Behandlung als große Chance für sich wahrnehmen« bewusst wahrzunehmen (vgl. Hier und Jetzt), Abstand zu dem Gedanken zu gewinnen (vgl. Defusion) und anzuerkennen, dass Patientinnen und Patienten an unserer Therapie zweifeln dürfen, auch wenn dies in uns unliebsame Gefühle oder Gedanken hervorruft (vgl. Akzeptanz). Dies ermöglicht, gelassener mit dieser Art Situationen umzugehen und uns auf das zu fokussieren, was uns und den Patientinnen und Patienten für die Behandlung wichtig ist (vgl. Werte) und gemeinsam in diesem Sinne zu handeln (vgl. Engagiertes Handeln) – von Anfang an »gemeinsam in einem Boot« zu sitzen.

      Letzterer Aspekt ist eine besonders wichtige Komponente der ersten Visite bzw. der ersten Kontakte, nämlich die Verknüpfung der Behandlung mit handlungsleitenden Werten, d. h.: Was ist mir im Leben so wichtig, dass ich diese Behandlung und alles, was damit zusammenhängt, auf mich nehme? Selbst oder gerade wenn diese individuellen Werte – wie oft bei schweren psychischen Erkrankungen – zunächst nicht spürbar und präsent sind, ist es von großer Bedeutung für die anstehende Behandlung, die persönlichen Werte der Person von Beginn an zu fokussieren und zur Sprache zu bringen, da dies den Perspektivwechsel von einer Symptombeseitigung (vgl. Vermeidungsziel/Weg-Bewegungen) hin zu Vitalität und Lebenssinn (vgl. Annäherungsziel/Hin-Bewegungen) unterstützt.

      Praktisches Beispiel

      Die Patientin Frau H. (58 J.) erscheint zur ersten Visite bei Frau Dr. M., Frau H. ist wegen wiederkehrender Panikattacken in Behandlung gekommen. Die Attacken werden durch Brustschmerzen ausgelöst, die mit Ängsten verbunden sind, an einem Herzinfarkt zu sterben. Wegen der Heftigkeit der Panikattacken traut sich Frau H. seit einem Jahr nicht mehr, das Haus zu verlassen.

      Dr. M.: Guten Morgen Frau H., was ist Ihnen wichtig, heute mit mir in der Visite zu besprechen?

      Frau H.: Ach wissen Sie, ich weiß gar nicht so richtig… Ich bin ja jetzt schon den zweiten Tag hier und ich frage mich immer mehr, ob ich hier eigentlich richtig bin. Was soll mir das denn bringen?

      Dr. M.: Das sind ja sehr wichtige Fragen, die Sie da beschäftigen. Gut, dass Sie die auch jetzt und hier ansprechen.

      Frau H. nickt abwesend und knüllt mit verkrampften Händen ein Taschentuch zusammen.

      Dr. M. (Nimmt wahr, dass die Patientin in ihrer Anspannung gar keinen richtigen Kontakt zum Gegenüber aufnimmt und entschließt sich deshalb, zunächst den ACT-Prozess »Präsent sein im Hier und Jetzt« zu adressieren): Diese Fragen werden wir gern gleich besprechen. Im Moment bemerke ich aber auch, dass Sie ziemlich angespannt scheinen. Können Sie mir denn sagen, wie es Ihnen gerade jetzt in diesem Moment geht?

      Frau H.(scheint überrascht): Ja tatsächlich, ich krieg gar nicht so richtig Luft und meine Schultern sind auch total verspannt.

      Dr. M.: Das kennen Sie sicher gut? Darf ich Ihnen etwas vorschlagen? (Frau H. nickt zustimmend) Wir können sicher viel effektiver miteinander reden, wenn Sie besser Luft bekommen und nicht so abgelenkt von den Verspannungen sind. Versuchen Sie doch zunächst bitte einmal, vor allem tief auszuatmen. Durch tiefes Ausatmen passt viel mehr Luft in die Lungen. Das Einatmen geht dann wie von selbst. (Dr. M. macht einige Atembewegungen gemeinsam mit Frau H., deren Atmung deutlich ruhiger wird) … Okay… Lassen sie uns jetzt noch einmal Ihre Fragen anschauen.

      Frau H. nickt.

      Dr. M.: Die eine Frage war, »Was soll mir das denn bringen?«, richtig?

      Frau H. nickt.

      Dr. M. (Nimmt bei sich den Impuls bewusst wahr, die Patientin durch Argumente von der Richtigkeit der Therapie überzeugen zu wollen. Aus Erfahrung weiß sie jedoch, dass dies oft nicht hilfreich im Sinne ihrer Werte als Behandlerin ist und fokussiert stattdessen den Beziehungsaufbau über Selbstoffenbarungen (über die eigenen Werte sprechen) und das Erfragen der Werte der Patientin): Die Antwort darauf ist auch mir wichtig: Ich möchte Sie gern unterstützen, etwas zu erreichen, was Ihnen wirklich am Herzen liegt. Wenn diese Behandlung Ihnen also helfen könnte: Was wäre dann anders als es jetzt ist?

      Frau H.: Naja, meine Ängste wären weg.

      Dr. M.: Okay, nehmen wir mal an, es würde Ihnen zumindest deutlich besser gehen mit den Ängsten – was würden Sie denn dann wieder tun, was Sie jetzt nicht mehr tun, weil die Ängste Sie so im Griff haben?

      Frau H.: Ich könnte mich wieder frei bewegen, raus gehen. Einfach mein Leben leben.

      Dr. M.: Das sind für mich sehr wichtige Sachen, die Sie da sagen. Wenn ich Sie richtig verstehe, ist Ihnen die Freiheit, sich zu bewegen, etwas Wichtiges. Und was es für Sie bedeutet, Ihr »Leben zu leben«, das ist für uns besonders wertvoll zu erfahren. Das setzen wir hier in der Therapie ganz oben auf die Rangliste, weil sich danach unsere ganze Therapie ausrichtet: Was Ihnen wichtig ist und was Ihnen am Herzen liegt… wo Sie wieder hinwollen. Wie klingt das für Sie, wenn ich das so sage?

      Frau H. (nickt): Ich kann mir noch nicht richtig vorstellen, wie das funktionieren soll, aber ich will es versuchen.

      4.2.3 Vorbehalte gegenüber bestimmten Angeboten und Therapien

      Für Patientinnen und Patienten, die ohne Vorerfahrung mit stationären oder tagesklinischen Behandlungen in eine Klinik kommen, sind manche Angebote und Therapien, wie etwa die komplementären Therapien (Kunst- und Kreativtherapie, Ergotherapie, Tanz- und Bewegungstherapie oder Musiktherapie etc.), aber auch Psychotherapien, oft Neuland. So erschließt sich ihnen häufig der Sinn dieser Therapien nicht. Andere haben Probleme, sich auf die Inhalte bzw. die Methoden bestimmter Therapien einzulassen, sei es wegen Schmerzen, Antriebminderung oder aus Scham. Typischerweise auftretende Gedanken können z. B. sein: »Ich bin doch hier wegen meiner Ängste und jetzt soll ich basteln?«, »Sport? Ich war schon als Kind unsportlich und jetzt habe ich auch noch Rückenschmerzen, deswegen bin ich doch hier, also kommen Sie mir nicht mit Rumhüpfen und Purzelbäumen« oder »Ich brauche keine Seelenklempner, ich habe einfach zu viel gearbeitet« etc. Diese oder ähnliche Vorbehalte gegen bestimmte Therapien werden im klinischen Rahmen dann auch immer wieder direkt von Patientinnen und Patienten gegenüber dem Team formuliert, gerade zu Beginn der Behandlung. Gleichzeitig existieren im klinischen Rahmen häufig explizite oder auch weniger klare Regeln und Vorschriften zum Umgang mit Therapieteilnahmen und den Konsequenzen im Falle von Regelverstößen. Wie lässt sich also mit solchen Aussagen von Patientinnen und Patienten am besten umgehen, wenn wir auch hierbei nach der ACT arbeiten wollen?

      Zum einen können die zuvor beschriebenen Strategien im Umgang mit aufkommenden Gedanken und Gefühlen bei den Teammitgliedern und zur eigenen Wertorientierung auch hier hilfreich sein. Zum anderen kann es sinnvoll sein, die im jeweiligen Team herrschenden Regeln zunächst genauer zu identifizieren und zu explizieren. Also etwa: Ist es verpflichtend, dass alle Patientinnen und Patienten am multimodalen