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ACT in Klinik und Tagesklinik


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und welche nicht? Oder gelten individuelle Absprachen mit jeder Person, die sich in Behandlung begibt? Wie werden die Konsequenzen bei Abweichung von Absprachen gehandhabt? Im Anschluss können die explizierten Regeln sowie die Handhabung von Konsequenzen mit Blick auf die gemeinsame psychische Flexibilität des therapeutischen Teams geprüft werden, d. h. es kann etwa evaluiert werden, ob diese Regeln im Dienste der gemeinsamen Werte als Team stehen (Hin-Bewegungen unterstützen) oder primär der Vermeidung unangenehmer innerer Ereignisse dienen (Weg-Bewegungen darstellen).

      Praktische Hinweise für den Umgang mit Therapieteilnahmen

      Grundsätzlich ist es das Ziel im Rahmen der ACT, jede Person darin zu begleiten, ein selbstbestimmtes und an den eigenen, individuellen Werten orientiertes Leben zu führen – mit allen möglichen Widrigkeiten im Inneren und Äußeren. Es ist also letztlich nur sehr individuell zu entscheiden, inwiefern ein bestimmtes Verhalten in einer bestimmten Situation eine Hin-Bewegung darstellt, d. h. den eigenen Werten näher bringt, oder als Weg-Bewegung einzuordnen ist, d. h. der Vermeidung unangenehmer innerer Ereignisse dient, und wie flexibel eine Person zwischen diesen möglichen Orientierungen wechseln kann. Gleichzeitig widerspricht es einem ACT-Ansatz aus der Erfahrung im klinischen Kontext nicht, Regeln aufzustellen, welche die Teilnahme am Therapieplan der Station unterstützen bzw. regeln sollen – idealerweise individuell angepasst an eventuelle körperliche Einschränkungen und/oder Art und Schweregrad der psychopathologischen Symptomatik. Im Gegenteil: Es den Patientinnen und Patienten von Anfang an vollständig zu überlassen, ihre Therapieeinheiten wert-orientiert selbst zu wählen, kann je nach Art und Schwere des Krankheitsbildes eine Überforderung darstellen. Nehmen wir z. B. eine schwer depressive Patientin, die von sich selbst fordert, »immer 150 % zu geben«, und Schuldgefühle im Zusammenhang mit ihrer Leistungsminderung im Rahmen der Depression empfindet. Hier wäre es kontraproduktiv, wenn das Team insbesondere zu Beginn darauf verzichtet, mit der Patientin Strategien zur Entlastung – auch in Bezug auf den Therapieplan – festzulegen. D. h. noch bevor die Erarbeitung von wert-orientierten Zielen das engagierte Handeln der Patientin hilfreich leiten kann. Ebenso wäre es voraussichtlich nicht hilfreich, z. B. bei einem Patienten, der im Rahmen chronischer Rückenschmerzen körperliche Aktivitäten fast vollständig vermeidet, die Teilnahme am Ausdauertraining von Anfang an komplett freizustellen. D. h. bevor im Rahmen der ACT die aversiven inneren Ereignisse, z. B. Gedanken wie »Das wird nicht auszuhalten sein«, genauer betrachtet wurden und die beobachtbaren Vermeidungen, z. B. Schonverhalten, im Sinne von Weg-Bewegungen von wichtigen Lebenszielen eingeordnet werden konnten.

      Praktisches Beispiel

      Frau K., eine Patientin mit chronischen Rückenschmerzen und seit Jahren bestehendem Vermeidungs- und Rückzugsverhalten, ist auf dem Weg zum Ruheraum, obwohl gerade das Nordic Walking-Training beginnt. Die Physiotherapeutin (PT) sieht sie und spricht sie an.

      PT: Frau K., wo wollen sie denn hin, unsere Gruppe startet gleich.

      Frau K: Ich will mich hinlegen, mir geht’s nicht so gut.

      PT: Gibt´s denn etwas Besonderes?

      Frau K: Nein, ich bin einfach erschöpft und der Rücken, sie wissen ja…

      PT: Ja, ich weiß, Sie sind wegen der Rückenschmerzen hier. Ausdauersport ist ein sehr wichtiger Teil der Schmerztherapie, man weiß aus vielen Studien, dass Ausdauersport einen sehr positiven Effekt hat, sowohl auf das Lebensgefühl insgesamt, aber auch auf den Schmerz. Und Nordic Walking ist eine sehr schonende Ausdauersportart.

      Frau K: Sie meinen, ich soll da mitlaufen, obwohl es mir nicht gut geht?

      PT: Könnte das für Sie vielleicht einen Schritt in Richtung Ihrer Ziele darstellen: Wieder mobiler werden? Mehr am Leben teilnehmen?

      Frau K.: Sie verstehen das nicht, ich bin so erschöpft.

       PT: Das tut mir leid zu sehen, dass es Ihnen nicht gut geht. Ist es in Ordnung, wenn wir kurz gemeinsam schauen, was grad passiert?

      Frau K. nickt.

      PT: Nehmen wir mal an, Sie legen sich hin. Was wird dann kurzfristig mit dem Erschöpfungsgefühl?

      Frau K.: Ich kann mich entspannen, es geht mir besser.

      PT: Okay, das kann ich gut nachvollziehen und das ist Ihre Erfahrung. Hinlegen bringt kurzfristig Entlastung. Ist es das, was Sie häufig tun – sich hinlegen?

      Frau K. nickt.

      PT: Sie haben das in den letzten Jahren oft so gemacht. Und was ist Ihre Erfahrung? Hat es Sie dahin geführt, wo Sie hinwollen: Wieder mobiler werden? Mehr am Leben teilnehmen?

      Frau K.: Worauf wollen Sie hinaus?

      PT: Sind Ihre Schmerzen davon insgesamt weniger geworden? Fühlen Sie sich insgesamt fitter, haben Sie mehr Elan und Lebensfreude?

      Frau K.: Nein, natürlich nicht, sonst wäre ich jetzt ja nicht hier.

      PT: Okay, lassen Sie uns das kurz zusammen anschauen, was jetzt in diesem Moment passiert: Sie haben jetzt in diesem Augenblick die Wahl, etwas zu tun, weil es kurzfristig hilft, nämlich sich hinlegen, sich zurückziehen. Langfristig hat es Sie bisher nicht dahin geführt, wo Sie hinwollen. Sie können jetzt aber etwas zu tun, was Bereitschaft und Überwindung kostet – was aber langfristig helfen kann, sich wieder vitaler zu fühlen und mehr am Leben teilzunehmen, also dahin zu kommen, was Ihnen wichtig ist.

      Frau K. wirkt einen Moment nachdenklich und zögert. Dann geht sie zur Garderobe und zieht sich ihre Trainingsjacke über.

      Frau K.: Okay, ich kann´s ja mal versuchen.

      4.2.4 Die Mühen der weiten Ebene – Umgang mit Motivationstiefs

      Ein typisches Phänomen im Rahmen des Behandlungsverlaufs sind Schwankungen der Motivation. Aber woran genau erkennen wir, dass eine Patientin oder ein Patient sich nicht mit der Intensität für die festgesteckten, werte-geleiteten Ziele einsetzt, wie wir als Therapeutinnen und Therapeuten es für produktiv und angemessen ansehen? Klare Motivationstiefs oder auch andere Blockaden in der Behandlung entgehen dem therapeutischen Team kaum und löst dort eine Vielzahl inneren, meist aversiven Erlebens hervor. Meist sprechen schon die non-verbalen Reaktionen der Teammitglieder in den Teamrunden eine deutliche Sprache, z. B. in Form von Augenrollen oder dem Geräusch von vehement durch die Lippen ausgeblasener Luft, sobald der Name einer Person in einer Teamsitzung fällt.

      Die Verhaltensweisen von Patientinnen und Patienten in Phasen geringer Therapiemotivation können dabei durchaus große Unterschiede aufweisen. Die meisten dieser Verhaltensweisen lassen sich den Vermeidungsstrategien zuordnen, die Russ Harris (2011) unter dem Akronym »DOTS« zusammenfasst:

      • Dsteht für »Distractions«, also »sich ablenken«: am Handy spielen, während der Therapieeinheiten mit Mitpatientinnen plaudern etc.

      • Osteht für »Opting out«: zu spät oder gar nicht in der Tagesklinik erscheinen, im Bett oder im Ruheraum verschwinden, wenn Therapieeinheiten angesagt sind etc.

      • Tsteht für »Thinking«: sich in Grübelschleifen verlieren, in den Therapiesitzungen stets in der Vergangenheit bleiben und sich über erlebtes Unrecht beschweren, sich in Tagträumen oder Zukunftssorgen verlieren etc.

      • Ssteht für »Substances«: Alkohol- oder Drogenrückfälle während der Therapie, aber auch Übergebrauch bzw. funktionaler Einsatz von Bedarfsmedikation etc.

      Typischerweise kommt es zu Verärgerung, Frustration und Ratlosigkeit beim Team, sobald DOTS bei einer Patientin oder einem Patienten die Oberhand gewinnen. Wenn wir mit der ACT arbeiten, ist genau diese emotionale Reaktion des Teams ein wertvoller Hinweis. Was kann uns unsere Verärgerung Wertvolles über die Patientin oder den Patienten und unsere therapeutische Beziehung zu ihr/ihm mitteilen? Hier lohnt es sich also, genau hinzuschauen und den Kontext, z. B. anhand folgender zwei Aspekte, zu analysieren:

      • Was will die Person selbst in der Behandlung erreichen? Was liegt ihr am Herzen? Was glaubt sie, was sich ändern sollte