• Was wollen wir selbst bei dieser Person erreichen? Worum geht es uns, was liegt uns am Herzen?
Wenn ein Team diese beiden Seiten des jeweiligen Geschehens anschauen und mögliche Antworten formulieren kann, wird meist deutlich, an welchen Stellen Diskrepanzen vorliegen. Die Arbeit nach dem Ansatz der ACT bedeutet zudem, im Team die Bereitschaft für folgende Prozesse zu fördern:
• Das eigene Unbehagen wahrzunehmen (vgl. Hier und jetzt), das entstehen kann, wenn Patientinnen und Patienten sich in Bezug auf die Therapie nicht so verhalten, wie wir selber es gerne hätten.
• Dieses Unbehagen zunächst anzunehmen (vgl. Akzeptanz), ohne dem Impuls zu folgen, sofort zu reagieren und z. B. einen unmittelbaren Veränderungsdruck auf die Patientinnen und Patienten auszuüben.
• Bei der Wahrnehmung dieses Unbehagens zunächst einen Perspektivwechsel herzustellen: Was ist der Patientin oder dem Patienten wichtig (vgl. Werte) und wie geht sie oder er aktuell mit Barrieren um, was denkt und fühlt sie oder er in Bezug auf diese Barrieren und sich selbst etc.? (vgl. Akzeptanz, Defusion und Selbst-als-Kontext). Was ist mir selbst in Bezug auf meine Arbeit mit dieser Patientin wichtig, was liegt mir selbst am Herzen? (vgl. Werte)
• Aus diesem Perspektivwechsel heraus die nächsten Handlungsschritte abzuleiten (vgl. Engagiertes Handeln)
Praktisches Beispiel
In der Teambesprechung einer Tagesklinik kommt Herr N. zur Sprache. Herr N. ist wegen schlecht einstellbarem Diabetes mit schmerzhafter Polyneuropathie, Adipositas und einer langjährig bestehenden Depression seit drei Wochen in Behandlung der Einrichtung.
Ergotherapeutin: Also, bei mir macht er zwar mit, lässt sich aber lieber von mir die Aufgaben geben. Es kommt wenig eigene Initiative.
Physiotherapeutin: Na, das ist ja wenigstens etwas. Bei mir zieht er sich total raus. Zweimal hat er einfach gesagt, er muss sich hinlegen, statt zur Therapiestunde zu kommen. Einmal war er dabei und hat die ganze Zeit auf der Bank gesessen.
Schwester: Morgens kommt er meistens zu spät. Er sagt, er schläft schlecht und will auch früh erst mal nur Blutdruckmessen und dann was zur Beruhigung und gegen Schmerzen. Er scheint mir richtig fixiert darauf.
Ärztin: Ja, auch in der Visite können wir kaum was anderes besprechen, als Medikamente rauf und runter. Und Massagen will er. Da kann er richtig fordernd werden. Aber selbst nichts machen… Da geht er mir dann ganz schön auf die Nerven.
Psychologin (nimmt die Frustration des Teams wahr und geht zum Flipchart): Okay, ich spüre gerade eine Menge Ärger bei uns. Das ist ein wichtiges Zeichen, dass das, was wir wollen, nicht mit dem zusammenpasst, wie wir es angehen, richtig? (Einige im Team nicken). Was haltet ihr davon, wenn wir uns das mal gemeinsam anschauen und auf dem Flipchart zusammentragen, was hier grad vorgeht. Lasst uns einmal in einer ACT-Matrix zusammentragen, was wir über Herrn N. wissen und was wir beobachten können:
1. Was ist ihm wichtig und liegt ihm am Herzen?
2. Welche inneren Barrieren gibt es für ihn?
3. Wie geht er damit um? …
Im Folgenden trägt das Team eine kurze Fallkonzeption anhand einer ACT-Matrix zusammen (
1. Bessere Klärung der Werte als Hilfe zur Motivation und auch für das bessere Verstehen des Patienten durch das Team
2. Verbesserung der Selbstwahrnehmung im Sinne von Achtsamkeit. Förderung der Wahrnehmung und Verbalisierung von Gedanken und Gefühlen bei dem Patienten.
Wenn es dem Team gelingt, Herrn N. bei der Klärung der Werte zu helfen und die Präsenz im Hier und Jetzt zu verbessern, können in den folgenden Wochen weitere Schritte folgen, wie etwa die Förderung der Bereitschaft zur Akzeptanz schwieriger Gefühle (Frustration, Lustlosigkeit, innere Unruhe) und Defusion von selbstentwertenden bzw. wenig hilfreichen Gedanken (»Ich kriege nichts auf die Reihe«, »Die Ärzte sollen mir endlich helfen«, »Es ist eh alles zu spät«).
4.2.5 Vorbereitung der Entlassung bzw. Entlassmanagement
Im Verlauf der Behandlung, aber besonders auch im Zusammenhang mit der Entlassung können bei Patientinnen und Patienten eine Vielzahl an aversiven Gedanken und Gefühle auftauchen, die es therapeutisch möglichst gut im Sinne der Behandlungsziele zu handhaben gilt. Dies ist im Allgemeinen wichtig, aber insbesondere bei längeren Aufenthalten in der Klinik oder Tagesklinik, bei Patientinnen und Patienten mit chronischen Erkrankungen, bestehender Residualsymptomatik und hoher (interpersoneller) Funktionalität der Symptomatik zu berücksichtigen. Entsprechend geplant, gezielt und rechtzeitig ist das individuelle Entlassmanagement organisatorisch und therapeutisch zu gestalten.
Bei Patientinnen und Patienten spielen mit Blick auf die Entlassung aus der Klinik oder Tageklinik häufig verschiedene belastende Gefühle und Gedanken eine wichtige Rolle: dies können Ängste vor der Zeit nach der Entlassung sein, mit dem Übergang verbundene Verunsicherung und Ungewissheit, Traurigkeit aufgrund des nahenden Abschieds von Menschen, Sorge vor dem »Zurückfallen« in alte Muster, Angst vor erneuter Exazerbation der Symptomatik, Überforderungserleben, Scham- und Schulderleben rund um den krankheitsbedingten Ausfall bei Kontaktaufnahme mit Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern oder auch bei Wiederaufnahme länger brachliegender sozialer Kontakt etc.
Aus einer ACT-Perspektive ist es wichtig, dieses menschliche Erleben rund um die anstehende Entlassung bewusst wahrzunehmen und zu benennen, als valide zu markieren und anzunehmen und im Sinne von auftauchenden inneren Barrieren zu betrachten. Um dann schauen zu können, welche Handlungsimpulse daraus erwachsen und ob diese dann Handlungen im Sinne der Werte und Ziele der Patientin oder des Patienten unterstützen (Hin-Bewegungen) oder diesen im Wege stehen (Weg-Bewegungen auslösen). Eine direkte Adressierung möglicher belastender Gedanken und Gefühle und eine Handhabung derer vor dem Hintergrund der ACT-Kernprozesse ist also dringend anzuraten. Analog dazu lassen sich auch andere akute Belastungen, intensiv erlebte Zustände und Krisen der Patientinnen oder Patienten im Behandlungsverlauf im Sinne der ACT handhaben.
Praktisches Beispiel
Therapeutin Frau M. hat Frau Z. mit einer schweren psychotischen Symptomatik (ausgeprägtes Misstrauen, Schuldwahn) sowie einer schweren Zwangserkrankung (umfangreiche Schutzrituale, Kontaminationsängste, Waschzwänge etc.) über ca. sechs Monate behandelt. Der Verlauf war schleppend, die Behandlungserfolge begrenzen sich auf eine deutliche Entlastung und Begrenzung einer drohenden Ausweitung der seit Jahrzehnten bestehenden chronischen Symptomatik. Die Patientin kann zeitnah wieder in das ambulante Setting wechseln, wo bereits mehrere Hilfsangebote installiert sind, wie etwa eine betreute Wohnform und Wiedereingliederungshilfe. Die Patientin ist in der ersten Rücksprache zum Entlasstermin