Peter Chemnitz

Ach los, scheiß der Hund drauf!


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Bauch vor Lachen. Dann heckten wir eine schöne Geschichte für den „stern“ aus. Wir waren ja dicke Freunde und jedes Mal, wenn ich in der Hauptstadt Lomé war, sei es auch nur für einen Tag, gingen wir ins Bayerische Bierhaus zum Essen. Bei offiziellen Terminen lud er mich mehrfach in den Präsidentenpalast ein. Es gibt Fotos, wie ich stramm im weißen Anzug neben ihm stehe, während ein ausländischer Botschafter seine Akkreditierung überreicht. Speziell erinnere ich mich an einen indischen Diplomaten. Der muss den Eindruck bekommen haben, in Togo gibt es wieder einen deutschen Gouverneur.

      Im „stern“ erschien dann die Story „Der Streit um Lübkes Hand“. Und wie abgesprochen ließ die togolesische Regierung als Reaktion darauf dem Auswärtigen Amt mitteilen, dass ein Abbruch der diplomatischen Beziehungen unvermeidlich sei, falls Lübke Präsident Eyadema noch einmal so brüskieren sollte.

      Diese Drohung kam an. Als am 7. Mai 1968 Präsident Eyadema in Bonn eintraf, wurde er am Eingang der Villa Hammerschmidt von Bundespräsident Lübke mit Handschlag begrüßt. Nach dem Essen zu Ehren des Gastes wurde dieser demonstrativ zu einer zweiten, privaten Aussprache unter vier Augen für den kommenden Tag eingeladen – eine Ehre, die bis dahin noch keinem afrikanischen Bonn-Besucher widerfahren war. Eyadema sagte mir anschließend: „Der Artikel im ‚stern‘ hat die Luft gereinigt. Die deutsch-togolesischen Beziehungen sind jetzt besser als je zuvor.“

      Wie kamen wir Journalisten nun an diese vielen kleinen Anekdoten beispielsweise aus Tunesien heran? Natürlich saßen wir nicht mit Lübke und dem tunesischen Präsidenten im Auto. Aber zumindest zwei aus der Journaille, Peter Koch vom „Spiegel“ und ich vom „stern“, saßen abends mit den Leuten vom Protokoll, vom Auswärtigen Amt und Außenminister Willy Brandt, dessen Kampfname „Weinbrand-Willy“ war, in der Hotelbar. Und dort erzählten alle völlig entnervt, was sich im Laufe des Tages so alles abgespielt hatte. Für alle Beteiligten war klar, dass über diese Peinlichkeiten nicht berichtet werden würde. Wir wollten auch Brandt nicht in Schwierigkeiten bringen, denn für vieles hätte allein er die Quelle sein können.

      Als ich aber in Hamburg in der Redaktion saß und meine Geschichte schrieb, flossen mir diese Anekdoten automatisch in den Text. Und ich fand sie gut, als ich am Ende alles las. Mir war klar, dass das mein Chefredakteur toll finden würde. So war es auch. Kurz vor dem Druck klingelte plötzlich mein Telefon. Peter Koch vom „Spiegel“ war dran – es musste also Verräter bei uns gegeben haben – und beschimpfte mich heftig: „Du Sau, du hast die Sachen doch geschrieben. Jetzt bleibt mir gar nichts anderes übrig, als auch alles auszupacken.“ Er bezeichnete mich noch als einen außerordentlich unmoralischen Menschen. Mit Koch sollte sich auch nie wieder ein kollegiales Verhältnis einstellen, was später für mich tragische Folgen hatte. Denn Peter Koch war ausgerechnet zu einem Zeitpunkt Chefredakteur des „stern“ geworden, als ich einen Job suchte. Koch ist dann selbst ein Opfer der gefälschten Hitlertagebücher geworden. Von ihm stammt das berühmte Zitat, dass die Geschichte des Dritten Reiches in großen Teilen neu geschrieben werden müsse. Er starb schon 1989, gerade mal 50 Jahre alt.

      Der Tunesienbesuch war die letzte Auslandsreise Lübkes. Im Oktober 1968 kündigte er aus Krankheitsgründen seinen Amtsverzicht zum 30. Juni 1969 an. Das war ein paar Monate vor dem offiziellen Ende der Amtszeit. Uns Journalisten blieb nicht einmal dieses Triumphgefühl, wie es die Kollegen der „BILD“ genießen konnten, als sie Bundespräsident Christian Wulff zur Strecke gebracht hatten. Lübke tauchte einfach unter. Die erste Nachricht, die man wieder von ihm hörte, war die seines Todes. Er wurde auf dem Dorffriedhof von Enkhausen im Sauerland begraben. Heute ist die Erinnerung an ihn vergangen, aber er hat zehn Jahre die Bundesrepublik erheitert.

      Randy fehlt auf der Liste –

       Wie der BND und der MI6 um

       Teilzeitspione werben

      Der Job von Journalisten ist es, neugierig zu sein, zu recherchieren, Fragen zu stellen. Schon deswegen sind Menschen, die Derartiges tun, für jegliche Geheimdienste der Welt interessant. Potenziert wird das, wenn sie als Reporter durch die Welt jetten und sich gar mit fremden Präsidenten und Diktatoren treffen. So wurde auch ich eines Tages von einem Kollegen angesprochen. Es war zu Zeiten meiner Tätigkeit beim „Rheinischen Merkur“ in Köln, wo man sehr förmlich miteinander umging: „Herr Braumann, Sie sind doch häufiger in Afrika. Ich habe da gewisse Kontakte zum Bundesnachrichtendienst, die würden gern mit Ihnen zusammenarbeiten. Hätten Sie etwas dagegen, wenn einer der Herren mit Ihnen demnächst Kontakt aufnimmt?“

      „Ja, darf er“, meinte ich großzügig. Einen richtigen deutschen Schlapphut wollte ich schon immer einmal kennenlernen.

      Es meldete sich tatsächlich ein BND-Mitarbeiter und wir trafen uns in der Redaktion. Das Erste, was mir auffiel, war dessen seltsame Kleidung. Die war überhaupt nicht elegant, sondern eher schäbig. „Die müssen eine Kleiderordnung haben, nach der man besonders durchschnittlich aussehen sollte, um als Agent dieses Dienstes in der Öffentlichkeit zu erscheinen“, dachte ich mir. Überdies schien dieser Agent ein durch und durch spießiger Mensch zu sein. Noch dazu stellte er sich auf eine amateurhafte Weise vor: „Schmidt.“ Einige Minuten später erzählte er, er heiße eigentlich Lehmann. Aber beim Geheimdienst sei es so, dass man bei Kontakten außerhalb unter einem Tarnnamen auftrete.

      Irgendwie kam ich mir veralbert vor. Dieser Schmidt-Lehmann entsprach so gar nicht meinen Vorstellungen von einem Geheimdienst. Das waren offenbar Amateure. „Nein, mit denen möchte ich nichts zu tun haben“, beschloss ich innerlich. Trotzdem ließ ich mich auf ein weiteres Treffen eine Woche später ein. Mein Agent wurde diesmal von einem Kollegen begleitet, der zog die gleiche Nummer ab: Er heiße eigentlich Meier, trete aber heute unter dem Namen Fleischer auf. Das reichte mir. Ich sagte den beiden Herren ab.

      Ein paar Jahre später, ich war inzwischen Redakteur beim „stern“ in Hamburg, wurde der BND erneut vorstellig. Diesmal in Form eines Mannes, den ich vom „Rheinischen Merkur“ her kannte und von dem ich wusste, dass er ein Resident war, also ein festangesiedelter Agent des Bundesnachrichtendienstes. In Hamburg trat er als freier Journalist auf. „Herr Braumann, vielleicht wird es ja diesmal etwas mit uns. Sie sind jetzt für den „stern“ tätig und kommen viel mehr in der Welt herum und können uns viel mehr liefern, wie sieht es mit einer Zusammenarbeit aus?“, fragte er mich. Ich willigte erneut in ein Gespräch ein. Wir trafen uns in der Wohnung des Residenten.

      „Wie sieht das eigentlich finanziell aus, wenn ich Ihnen Informationen verschaffe?“, fragte ich gleich. Schließlich war das eine Sache, die nichts mit Moral zu tun hatte, sondern allein mit Geld. Der Agent eierte rum. Gewiss, sie würden mich natürlich bezahlen, aber eine konkrete Summe könne er nicht nennen. Und wieder war das Auftreten eines BND-Mitarbeiters ausgesprochen amateurhaft. Dazu kam, dass ich inzwischen wusste, dass der westdeutsche Geheimdienst von alten Nazis und SS-Leuten aufgebaut worden war und Hunderte hier noch ihre Arbeit versahen. Der Verein sagte mir überhaupt nicht zu und ich verneinte endgültig.

      Wie richtig ich gehandelt hatte, zeigte sich ein paar Jahre später. In der Bundesrepublik hatten sich die politischen Vorzeichen geändert. Willy Brandt und Walter Scheel hatten zum großen Entsetzen von Bundeskanzler Kiesinger eine rot-gelbe Koalition gebildet. 1969 wurde Horst Ehmke Kanzleramtsminister und versprach in der Öffentlichkeit, mit eisernem Besen in den Ministerien und speziell in dem ihm unterstehenden Bundesnachrichtendienst zu kehren. Und das tat er. Der Dienst wurde neu organisiert und zahlreiche Leute wurden entlassen. Es geschah aber auch etwas, was Geheimdienste eigentlich nie machen: Es wurden Geheimnisse preisgegeben. So bekam Ehmke beispielsweise die Liste mit den Namen aller westdeutschen Journalisten, die für den BND arbeiteten. Der SPD-Mann war eng mit Manfred Bissinger befreundet, dem damaligen stellvertretenden Chefredakteur des „stern“. Dem sagte er eines Abends in gemütlicher Runde: „Da sind ja etliche aus deiner Redaktion für den BND tätig.“ Bissinger, der Revolutionär und führende Linke in der Redaktion, wurde sofort hellhörig. Das würde ihn schon sehr interessieren, wer da auf der Liste stünde. Und Minister Ehmke hat den Geheimnisverrat fortgesetzt und erzählt, wer von den „Gruner + Jahr“-Journalisten beim BND unter Vertrag stand. Darunter befand sich unter anderem ein Mann namens Steinmeier, der als Korrespondent für „stern“ und „Die Zeit“ in Moskau saß. Der bekam sage