Simon Reynolds

Glam


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versuchte bewusst zu vermeiden, wie ein Amerikaner zu klingen. Stattdessen drückte er sich klar und prononciert aus. So klang er hin und wieder auf positive Weise nach britischer Oberschicht, was die Hörer zurück in die Kinderstuben des Englands zur Zeit von Eduard VII. trug. Dem kamen im Pop nur »Lady Jane«, der pseudo-mittelalterliche Minnesang der Rolling Stones, und die übertrieben präzise, vornehme Ausdrucksweise in Donovans »Mellow Yellow« zuvor. Mit all ihren Kinderreim-artigen Assonanzen und Binnenreimen trieben Barretts Texte die psychedelische Erhöhung der Kindheit – ein Thema, das im britischen Pop als erstes die Beatles mit »Strawberry Fields Forever« und »Yellow Submarine« angeschnitten hatten –, etwa mit »See Emily Play«, »The Gnome« und »A Candy and a Currant Bun«, noch weiter. Auf The Piper at the Gates of Dawn erzeugt »Matilda Mother« die friedliche Benommenheit der Gute-Nacht-Geschichte. Die mütterliche Stimme verwandelt die »scribbly lines«* auf dem Papier vor dem inneren Auge in kleine Wunderländer. In »Bike« begegnet uns eine freundliche Maus namens Gerald. Der Anthropomorphismus und Animismus (Barrett glaubte an Baumgeister) sprachen das pantheistische Bewusstsein vieler LSD-Konsumenten an. Es gab aber auch dunkle Schimmer des Übernatürlichen (»Lucifer Sam«, über eine unheimliche Katze – »that cat’s something I can’t explain«), die die Psychose vorwegnahmen, die Barrett später heimsuchen sollte, nachdem das psychedelische Trommelfeuer, dem er sich aussetzte, den Schutzschild seiner Psyche niedergerungen hatte.

      Den Namen für The Piper at the Gates of Dawn nahm Pink Floyd vom siebten und mystischsten Kapitel des Kinderbuchs Der Wind in den Weiden. Darin erblicken die Wasserratte und der Maulwurf den Naturgott Pan, nachdem sie von den betörenden Klängen seiner Urmusik flussaufwärts gelockt wurden. Bolan fing an, sich obsessiv für Pan zu interessieren, den man für gewöhnlich mit bäuerlichen Riten und Druidenlogen verbindet und der in der Mythologie mit ausgelassenen Elfenjungfern (Nymphen) dargestellt wird. Eine kleine grüne Statue des Halbmensch-Halbziegenbocks, der er den Spitznamen Poon gab, zierte den Kaminsims in seinem und Childs Zuhause, später war sie auch auf der Hülle der Tyrannosaurus-Rex-LP A Beard of Stars zu sehen. Pans Präsenz schimmert durch die komplette Diskografie des Duos, vor allem in Songs wie »Woodland Bop« auf A Beard of Stars oder »Puckish Pan«, von dem es nur ein Demo gibt.

      Pan diente auch J. M. Barrie als Quelle, als er Peter Pan erfand, den »wilden Jungen«, der nie erwachsen wird (und der bei Bühnenaufführungen immer von einer androgynen jungen Frau gespielt wurde). In den 1960ern kam ein neuer Typ junger Mann auf, der das Bild des ausgereiften Mannes zurückwies und sich mit Dingen beschäftigte, die traditionell als weibliches Terrain galten. Bolan und Barrett gehörten zu dieser neuen Sorte »weicher Männer«, wie auch andere Figuren des Underground der späten 1960er wie Kevin Ayers und Robert Wyatt von The Soft Machine. Ihre Generation war die erste, die sich nicht mehr der »Charakterbildung« des Militärs unterziehen musste (die Wehrpflicht wurde Anfang 1961 abgeschafft). Die »weichen Männer« waren auch die ersten Söhne, die so antiautoritär erzogen worden waren, dass manche von ihnen nie mit ihren nachsichtigen Müttern brachen. Somit gab es für sie keinen Anlass, sich mit der patriarchischen Gesellschaftsordnung zu identifizieren.

      Diese Generation junger Männer trennte sich auch nicht von vielen Objekten ihrer Kindheit, selbst dann nicht, als Sex, Drogen und Rock ’n’ Roll auf den Plan traten. »Ich will immer noch erwachsen werden und ein Mann sein«, teilte Bolan den Teenies mit, die das Mädchenmagazin Jackie lasen. »Bolan war mehr jemand, den Mädchen bemuttern wollten, als jemand, von dem sie gefickt werden wollten«, sagt Peter Jenner von Blackhill. »Er spielte den hübschen Jungen. Und zwar eindeutig einen Jungen, nicht einen Mann.«

      Neben Percussions übernahm Took auch den Hintergrundgesang – Harmonien, aber auch Sprechchöre und Zwischenrufe. Am verrücktesten ist seine Mischung aus Wiehern, Schreien, Zischen, Seufzern und nervöser Mundpercussion auf »Scenes of Dynasty«, einem Track, der nur aus Stimmen und lose zusammenpassendem Klatschen besteht. »Steves Getrommel hat mich nie so richtig begeistert«, gab Bolan zu. »Aber was er wirklich gut konnte, war Singen […]. Er hatte ein Gespür für Harmonien.«

      Tyrannosaurus-Rex-Songs klingen oft wie spontane Jam-Sessions, die auf einer Waldlichtung von einem unter einem Giftpilz versteckten Mikrofon aufgenommen wurden. Es gibt praktisch keine trendigen psychedelischen Effekte, wie sie die Tontechniker der Abbey Road Studios für The Piper at the Gates of Dawn angefertigt hatten. Eine der wenigen Ausnahmen ist ein Song vom zweiten Album Prophets, Seers & Sages: The Angels of the Ages: »Deboraarobed«. Wie der befremdliche Titel nahelegt, ist der Song ein Audio-Palindrom: Genau in der Mitte macht er eine Kehrtwendung und endet schließlich wieder mit seinem Anfang. Es dauert eine Weile, bis man das kapiert hat. Zuerst klingt es einfach, als würde Bolan eine verlorengegangene oder neu erfundene Sprache rezitieren.

      Im Kern klingt jeder Tyrannosaurus-Rex-Song wie ein kosmischer Straßenmusikant, dessen Geschrammel und Getriller genau den Mittelpunkt zwischen Folk und Rockabilly trifft. Die perkussiveren Songs ähneln den Hippie-Jams, die spontan auf Festivals oder besetzten Grundstücken stattfanden: Die – mindestens – bekiffte Menschenmenge griff sich einfach Bongos, Tamburine, Flaschen, Kochtöpfe oder was sonst noch so herumlag und klimperte los.

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      Mehr noch als Syd Barrett oder The Incredible String Band beeinflussten Bolan zu dieser Zeit zwei Schriftsteller: J. R. R. Tolkien und C. S. Lewis, die meistgelesenen Fantasy-Autoren des 20. Jahrhunderts, die beide den Inklings angehörten, einer Verbindung in Oxford, die aus gleichgesinnten Studierenden bestand, die sich von der modernen Welt angegriffen fühlten.

      Manche bezeichnen Bolan als unersättliche Leseratte. Andere behaupten, er war Legastheniker und habe sich Tolkiens Werke von June vorlesen lassen. In einem Interview sprach Bolan davon, sich von Tolkien persönlich eingesprochene Aufnahmen seiner Bücher anzuhören. Was davon auch stimmen mag, das Debütalbum von Tyrannosaurus Rex, My People Were Fair and Had Sky in Their Hair … But Now They’re Content to Wear Stars on Their Brows, lieh sich seinen albern langen Titel von einem Spruch, den Tom Bombadil in Der Herr der Ringe aufsagt. Gewidmet ist das Album »Aslan und den alten Narnianern« – eine Anspielung auf den Christus-ähnlichen Löwen in C. S. Lewis’ Romanreihe, die in der magischen Welt Narnia spielt.

      Eines der ersten Tyrannosaurus-Rex-Interviews erschien in der Undergroundzeitung Gandalf’s Garden. Darin erklärt Bolan, der Bandname sei ihm eingefallen, als er als Kind die Masern hatte: Während er ans Bett gefesselt war, las er ein Buch über prähistorische Dinosaurier, in dem stand, es sei plausibel, dass sie »Feuer und Rauch geatmet« haben könnten, was wiederum die Existenz von Drachen bewies. »Ich lasse meine Kindheit in meinen Songs wieder aufleben. Ich gehe in die Dinge, etwa Platten und Bücher, und lebe darin.«

      Bolans frühe Lyrics sind überladen von geheimnisvoller Sprache und damit weit entfernt von den Hit-Singles von T. Rex, der Band, die aus Tyrannosaurus Rex entstehen sollte. Keine Spur von der prägnanten Sexiness von »Get It On«. Stattdessen ähneln die Songs aus Bolans Hippie-Phase viel eher zufälligen Sammlungen von exotisch klingenden oder altertümlichen Wörtern, weit entfernt von Raum und Zeit. Diese Wörter entnahm er der Archäologie und Anthropologie, der Mythologie und Zoologie. Barden und Jungfern erscheinen im Überfluss, dazu findet man Hinweise auf verschwundene Zivilisationen wie die Inkas und beinahe ausgestorbene Indianerstämme wie die Shawnee. Vor dem