Simon Reynolds

Glam


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zusammen. Manche dieser Festivals waren unabhängig und anarchisch, mit der Zeit nahm aber auch die Anzahl der kommerziellen und (relativ) gut organisierten Festivals zu. Tyrannosaurus Rex spielten auf dem ersten einer Reihe von kostenlosen Konzerten im Hyde Park (die Idee dazu hatte Peter Jenner).

      Der Underground wurde mehr oder weniger mit Studierenden gleichgesetzt. College-Gigs zu spielen war wichtig, denn so konnten progressive Bands vor einem relativ aufgeschlossenen Publikum auftreten oder zumindest vor einem, das nicht nur zum Tanzen da war. Diese Auftritte waren gut bezahlt: Dank der Gebühren, die jeder Student automatisch an die National Union of Students zahlen musste, standen den studentischen Organisatoren beachtliche Budgets zur Verfügung. Gewöhnliche Club-Promoter beschwerten sich bitterlich darüber, dass Universitäten bestimmte Bands einfach vom Markt wegkaufen würden.

      Musikalisch bezog sich der Begriff »Underground« auf ein weites Spektrum: bombastischer Heavy Rock, die verschachtelten Strukturen des Prog Rock mit seinen Klassik- und Jazz-Einflüssen, trippiger Space Rock, Folk-Blues-Barden, um nur ein paar zu nennen. Aber trotz dieser Vielschichtigkeit gab es gemeinsame Eigenschaften und Einstellungen. Undergroundbands kümmerten sich nicht besonders um ihr Image. Oder besser: Sie kümmerten sich um ein Anti-Image. Immer weniger tauchten sie selbst auf ihren Albumcovern auf, an ihre Stelle traten surreales oder abstraktes Artwork. Mit ein paar Ausnahmen verzichteten sie auch auf übermäßige Selbstdarstellungen. Lieber ließen sie die Musik für sich sprechen und verbreiteten mit ihren langen Jams und Solos eine auf das Innere fokussierte Atmosphäre.

      Aber wichtiger noch: Für den Underground waren Rock und Pop Gegensätze, »kommerziell« ein Schimpfwort. Diese Ablehnung äußerte sich etwa im Desinteresse an der 7"-Single und ihren kreativen Möglichkeiten. Was gut funktionierte, schließlich gab es kaum etwas auf ihren LPs, das auch nur ansatzweise radiofreundlich oder kurz genug für eine Singleauskopplung war. Manche Bands (Pink Floyd nach der Barrett-Ära, Led Zeppelin) veröffentlichten gar keine Singles. Denn die waren fürs Tanzen gedacht, für Diskotheken. Ernsthafte Musikhörer griffen aber zu Alben. Von 1968 bis 1969 passte sich Bolan dieser Eigenart an. Als die ersten Labels anklopften, um Tyrannosaurus Rex unter Vertrag zu nehmen, war seine Verhandlungsposition: »Ich will keine Single machen, sondern ein Album.«

      Was Image und Auftreten anging, bedeutete die neue Anti-Pop-Attitüde, dass ein neuer, zäher Look in Erdtönen die psychedelische Farbenfreude der Swinging Sixties verdrängte. Dieser Anti-Stil bestand aus natürlichen Materialien und urtümlichen Stoffen, handgemachten Gewändern, Batik-Shirts und vor allem verblassten Jeansstoffen. Schlaghosen wurden mit Aufnähern verziert, selbst wenn sie keine Löcher hatten. Geflickte Jeans wurden zum Symbol der Selbstmachkultur. Sie kommunizierten Abstand zur massenproduzierten Welt der Mainstreammode. Als Symbolbild von Praktizismus und Ungezwungenheit wurde der Jeansstoff zur Uniform der Gegenkultur.

      Die aufschlussreichste Änderung von der Mod- zur Hippie-Ästhetik lag in den Haaren: lang und glatt bei Frauen, zottelig oder bis zum Fake-Afro gekräuselt bei Männern. Bärte standen sowohl für die Rückkehr zur Natur als auch fürs Erwachsenwerden. Bärtige Musiker zeigten, dass sie derartige Pop-Albernheiten wie Images und die Notwendigkeit, Mädchen anzusprechen, hinter sich gelassen hatten. Das ultimative Anti-Glam-Bild sind wohl die Zeichnungen von einem Hippiepärchen – bärtiger Mann und Frau mit behaarten Achselhöhlen – beim Sex in Alex Comforts Ratgeber The Joy of Sex.

      Steve Peregrin Took trug einen dünnen Bart, aber Bolan ließ sich nie einen wachsen. (Ehrlich gesagt sah er auch nicht so aus, als wäre er dazu in der Lage gewesen.) In anderen Bereichen orientierte sich der einstige Mod am Stil der Hippies. Fotos von Tyrannosaurus Rex zeigen ihn wenig ausgeschmückt, in Shirts mit U-Ausschnitten, Jeans, schlaffen Hüten und anderen bunt zusammengewürfelten Gewändern.

      Auch ideologisch passte er sich an. Seinen kreativen Prozess beschrieb er als intuitiv und nicht kalkuliert und behauptete, die Songs kämen von einem höheren Ort: »Wenn ich komponiere, kommen Worte und Musik einfach zusammen. Zuerst sehr grob, aber dann werde ich davon high und kann nicht mehr damit aufhören, bis ich mir den Kopf wegpuste und es geradezu aus mir heraussprudelt«, erzählte er Gandalf’s Garden. Auch Authentizität und Aufrichtigkeit – zwei wichtige Schlagwörter der Gegenkultur – schrieb er sich auf die Fahne: »Ich sage, was ich bin. Ich sehe nach dem aus, was ich bin. Ein Image aufrechtzuerhalten, ist einfach zu aufwändig.« Er gab vor, Öffentlichkeit und kommerziellem Erfolg gleichgültig gegenüberzustehen. Tyrannosaurus Rex, so Bolan, würden nun zwar auch Geld für ihre Auftritte bekommen, »aber diesen Sommer spielen wir trotzdem umsonst. Wir haben die Erlaubnis vom Stadtrat, in bestimmten Parks in den Musikpavillons zu spielen, solange wir keine Werbung dafür machen.« Er sprach gerne mit Gandalf’s Garden, weil es Teil einer »netten Szene« sei, aber davon abgesehen würden Tyrannosaurus Rex »gar keine Interviews geben, niemals, wenn es nach mir ginge«.

      Bedenkt man, dass er mit T. Rex das genaue Gegenteil tat – Singles veröffentlichen, ein Star werden, im Luxus schwelgen, zahllose Interviews geben –, ist es verlockend anzunehmen, Bolan habe die Gunst der Stunde genutzt und den Hippie nur gespielt. Ich halte es allerdings für wahrscheinlicher, dass er ein sehr situationsabhängiges Verhältnis zu seiner Weltanschauung hatte. Da Bolan leicht zu beeindrucken und anpassungsfähig war, bog er sich im Verlauf der 1960er wie ein Schilfrohr im Wind der Mode und des Zeitgeists. Und doch lag unter seinem formbaren Charakter der widerspenstige Stahl des Selbstvertrauens. Diese Kombination aus Flexibilität und Lust auf Ruhm teilt sich Bolan mit vielen anderen Schlüsselfiguren des Glam. Am deutlichsten erkennbar ist sie bei David Bowie – der sich auch eine Zeit lang dem Underground verschrieben und die Rolle als tatsächlicher Anhänger überzeugend gespielt hatte.

      In ihrer Autobiografie Real Life erinnert sich Marsha Hunt – die dank der Single »Walk on Gilded Splinters« für kurze Zeit in Großbritannien ein Popstar war – an ihre Affäre mit Bolan zu seiner Hippiephase, die sie als einen Fall von »Gegensätze ziehen sich an« beschreibt. »Ich war die Personifizierung von Dingen, die Marc ablehnte. Er lebte zurückgezogen und makrobiotisch […]. Er hatte kein Geld und tat so, als würde er es aus sozialen Gründen ablehnen […]. Er machte sich über meinen Erfolg lustig. Ich glaubte fast, dass er ihn richtig verachtete […]. Aus Marcs Sicht war mein öffentliches Auftreten kommerziell, was der seriösen Kunst unangemessen war, als die er seine Musik ansah, was ihm ihre Obskurität bestätigte.«

      Wenn also »Marc, der Hippie« nur eine Rolle war, die er spielte, um sich bei seinen Anhängern im Underground anzubiedern, dann hätte er diese Fassade doch sicherlich gegenüber seiner Popstar-Freundin gelüftet? Dass er sich über ihren Erfolg auch noch lustig machte, legt nahe, dass er das, was er sagte, mit ganzem – unbeständigen – Herzen glaubte. Das ist keine Scheinheiligkeit, wie wir sie sonst kennen. Es ist eher ein Fall von jemandem, der sich so sehr in eine Rolle versetzt, dass sie wahr wird. Steven Took, der Tyrannosaurus Rex später verließ, um mit den Pink Fairies radikalere Musik zu machen, hatte nie den Eindruck, Bolan meine es nicht ernst. »Ich glaube, eine Zeit lang war Marc ein guter Hippie«, erinnerte er sich, als sich T. Rex gerade auf dem Zenit ihres Erfolgs befanden. »Wir saßen oft herum und kritisierten alles, was geändert werden musste.«

      Was auch immer der Fall war, wenige Jahre später sang Marc ein anderes Lied: über seinen neuen Rolls-Royce etwa (obwohl er gar nicht Autofahren konnte), oder indem er gegenüber der Weekly News damit angab, nicht mehr »40 Pfund die Woche« zu verdienen, sondern »40 Pfund die Sekunde«. (Bolan-typisch eine maßlose Übertreibung. Der entsprechende Jahresbetrag wäre eine Milliarde.)

      Als er gefragt wurde, wo Steve Took denn wäre, witzelte er kühl: »Oh, irgendwo in der Gosse.«

      Dabei waren Tyrannosaurus Rex kommerziell tatsächlich recht erfolgreich. Mit »Debora« und »One Inch Rock« hatten sie sogar zwei Hits in den Top 40 (bevor Bolan sich gegen Singles entschied) und sowohl My People Were Fair als auch Unicorn, ihr drittes Album, schafften es in die Top 15 der Album-Charts. Ende 1969 war die Band jedoch am Ende ihrer Möglichkeiten angekommen: bei Albumverkäufen zwischen 13.000 und 17.000 Exemplaren. Die – kurzzeitig vom Underground-Ethos gedämpfte – Lust auf größeren Ruhm kochte in Bolan wieder auf. Das Resultat war ein origineller Schachzug, den später andere Kultfiguren wie Adam Ant kopieren sollten: der strategische Ausverkauf, der Underground/Mainstream-Switch.