… Die digitalen Medien und ihre mobilen Geräte sind ideale Werkzeuge für das Lernen in unterschiedlichen Situationen. Die Schulbibliothek bietet den Rahmen für die ganze Vielfalt von Lernsituationen: Sie kann für den Fachunterricht genutzt werden, aber auch für das selbstständige, individuelle Lernen und für ausserunterrichtliche Projekte. Die Schulbibliothek umfasst einen räumlich zusammengefassten und systematisch erschlossenen Medienpool mit geeigneter Informationstechnik und bietet ausreichend Platz sowohl für individuelles Lernen als auch für das Lernen in Gruppen. Durch die Breite ihres Angebots kann sie zugleich als ein Motor der Unterrichtsentwicklung dienen und auf den Unterricht in den Fach- und Klassenräumen ausstrahlen“ (Frankfurter Erklärung 2015, 1).
Und auch wer seine Schulbibliothek für diese Ansprüche noch nicht ausgestattet sieht, sollte sich bewusst machen, dass Kinder allein durch die regelmässige Nutzung der Schulbibliothek mit ihrer Vielfalt von Medien bei der Lösung kleiner oder auch grösserer Suchaufgaben (ein Mal vielleicht Daten zu Persönlichkeiten, ein anderes Mal zur Entstehung des Moores) ein Gefühl für Vor- und Nachteile einzelner Medienformen entwickeln können. Daran angeknüpft können sie mit der Zeit auch Qualitätskriterien entwickeln, die ihnen eine eigenständige kritische und dadurch dauerhaft effiziente Mediennutzung ermöglichen.
Hilfreich ist es, wenn dafür im Fachunterricht die Lernprozesse, jenseits der Vermittlung von abprüfbarem Fachwissen, immer wieder auch Elemente des Kompetenzerwerbs aufgreifen. Ganz „normales“ Unterrichtsgeschehen in der Schulbibliothek kann zum Beispiel in vier aufeinanderfolgende Schritte untergliedert werden. Der Schüler bekommt eine Aufgabe und damit wird der Lernprozess ausgelöst:
Suchen: | Der Schüler erkennt seinen Informationsbedarf und entschei det sich für den Suchweg, den er einschlagen möchte. |
Prüfen: | Der Schüler untersucht seine Fundstellen und bewertet sie. |
Wissen: | Der Schüler ordnet sein neu gewonnenes Wissen in sein Vor wissen ein. |
Darstellen: | Der Schüler präsentiert sein Ergebnis und ist in der Lage, es auch anderen zu vermitteln. |
Der Referenzrahmen Informationskompetenz (http://www.bibliotheksverband.de/fachgruppen/kommissionen/informationskompetenz/publikationen.html, Abruf: 02.10.2017) greift diese Schritte auf und untergliedert sie nach Schwierigkeitsgraden von der Primarstufe bis zum Studium. Damit bietet er Schulen und (Schul-)Bibliotheken eine Orientierungshilfe bei der Erstellung geeigneter Lerneinheiten.
Suchen und Prüfen gehört zu typischen bibliothekarischen Handlungsfeldern. Daher ist es nicht verwunderlich, dass Bibliotheken eine Vielzahl von Angeboten für den Unterrichtseinsatz dazu entwickelt haben. Einige davon werden in Kapitel 7 vorgestellt. Sie sollen dazu ermutigen, auch in scheinbar kleinen Schritten anzufangen und die Vermittlung von Informations- und Medienkompetenz selbstverständlich in den Schulalltag einzubinden.
1.6 Was soll die Schulbibliothek an unserer Schule können?
Schon bis hierher zeigt sich die Bandbreite dessen, was eine Schulbibliothek sein kann – von der entspannenden Leseecke bis zum Grundstein für mehr Bildungsgerechtigkeit.
Möglich ist also vieles, die Machbarkeit ist in Deutschland aber abhängig „vom guten Willen“ vieler Entscheidungsträger und dem Engagement derer, die den Betrieb einer Schulbibliothek auf Dauer aufrechterhalten.
Getrieben vom digitalen Wandel und schlechten Werten bei internationalen Vergleichsstudien wie PISA und ICILS kündigen Bundesbildungsministerium und Kultusministerkonferenz in ihren Beschlüssen (KMK: Bildung in der digitalen Welt 2016) und Bundesprojekten wie der „Bildungsoffensive für die digitale Wissensgesellschaft“ (https://www.bmbf.de/de/bildung-digital-3406.html, Abruf 02.10.2017) weitreichende Veränderungen für Bildungsstandards, Lehrpläne und die technische wie personelle Ausstattung der Schulen an.
Angesichts des enormen Nachholbedarfs einerseits, des aktuellen Lehrermangels und der gleichzeitigen Zunahme an zusätzlichen Herausforderungen (zum Beispiel Inklusion oder Überwindung der Bildungsbenachteiligung bei Kindern aus unteren und mittleren sozialen Lagen und Kindern mit Migrationshintergrund) andererseits, ist aber wohl noch nicht absehbar, wann alle Schulen in Deutschland auf Bildung in der digitalen Welt wirklich vorbereitet sind.
Was bedeutet das alles für Schulbibliotheken?
Angesichts der Fülle von Aufgaben, die der Schule heute zukommen, ist es wichtiger denn je, die Schulbibliothek von Anfang an konsequent im Zusammenhang mit diesen Aufgaben zu sehen.
Im Abgleich mit den räumlichen, finanziellen und personellen Ressourcen ergibt sich ein Aufgabenprofil, das nicht nur zu bewältigen ist, sondern auch den grösstmöglichen Nutzen für die Schule hat.
Wer eine Schulbibliothek auf- oder umbaut, sollte sich aber auch einen Satz zu eigen machen, der zunächst nach absolutem Herrschaftsanspruch klingt: „Die Bibliothek – das bin ich.“ So stellte sich die schwedische Gastautorin dieses Buches, Sofia Malmberg (siehe Kapitel 10), der Kommission Bibliothek und Schule des dbv bei einem Besuch an ihrer Schule in Stockholm vor. Obwohl Schweden schon lange ein Bibliotheksgesetz und sogar ein Schulbibliotheksgesetz hat, ist es auch dort so, dass Gesetzestexte geduldig sind, das wahre Leben aber von Menschen gestaltet wird. „35 iPads machen noch keine digitale Schule“ kritisiert eine Zeit-Reporterin die Bildungsoffensive der Bundesregierung (http://www.zeit.de/digital/internet/2016-10/bildung-studie-digitalisierung-schulen-zustand, Abruf 02.10.2017) und meint damit das Gleiche: Egal wie hervorragend eine Schulbibliothek ausgestattet ist, der entscheidende Faktor für den Erfolg sind die Menschen, die ihre Kenntnisse und Fertigkeiten, ihre Kreativität und ihr Engagement bei der Vermittlung von Kompetenzen an die nachfolgenden Generationen einsetzen.
Literatur
Bildung in der digitalen Welt: Strategie der Kultusministerkonferenz (2016). Hg.: Kultusministerkonferenz. Berlin.
Bildung in Deutschland 2016 (2016). Hg.: Autorengruppe Bildungsberichterstattung, Bielefeld.
Bildungsoffensive für die digitale Wissensgesellschaft: Strategie des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (2016) https://www.bmbf.de/de/bildung-digital-3406.html, Abruf: 02.10.2017.
Dahm, Klaus (2008): Ausstattung von Lese- und Medienecken. In: Lese- und Medienecken. Einrichtungsempfehlungen und Projektideen zur Förderung der Lese- und Medienkompetenz. Hg.: Stiftung Lesen, Mainz, S. 4-13.
Deutsches Bibliotheksinstitut (1994): Materialien zur Schulbibliothek, H. 11 und H. 13, verfasst von Niels Hoebbel, Berlin.
Fischer-Kosmol, Gabriele (2009): Velkommen på skolebiblioteket! Die Schulbibliotheken der dänischen Minderheit in Südschleswig. In: Grundschule. Magazin für Aus- und Weiterbildung H. 2, S. 32-33.
Gonzales, Jennifer: How this School Library increased its student use by 1,000 Percent, 2016, https://www.cultofpedagogy.com/school-library/, Abruf: 28.08.2017.
Frankfurter Erklärung des Deutschen Bibliotheksverbandes (2015), Lesen und Lernen 3.0 – Medienbildung in der Schulbibliothek verankern, http://www.bibliotheksverband.de/fileadmin/user_upload/DBV/positionen/2015_04_14_Frankfurter_Erklaerung_endg.pdf,