im Schulalltag eine Auszeit nehmen, sich zurückziehen und sammeln kann. Damit einher geht oft die soziale Funktion der Schulbibliothek, in der Schüler auch jenseits von Schule und Lernen vielfach ein offenes Ohr finden. Diese Funktion ist zwar im Zeitalter von Schulpsychologen und Schulsozialarbeit nicht beabsichtigt, lässt sich aber nicht ganz ausblenden. Es bedarf einer bewussten Entscheidung, wie weit das Personal, ggf. mit entsprechender Schulung, hier gehen kann, darf und will.
Betrachtet man diese Bandbreite, so lassen sich die folgenden zentralen Funktionen der Schulbibliothek ausmachen:
• Ort der Leseförderung und der Sprachförderung
• Trainingsort für den Umgang mit neuen Medien und dem Internet
• Informationszentrum
• Lernzentrum und Unterrichtsraum
• Kommunikationsplattform und Treffpunkt
• Kulturelles Zentrum, Veranstaltungsraum
• Makerspace
• Ort für Entspannung und Rückzug, soziale Funktion
Geht es um die Verwirklichung einer Schulbibliothek, sollte man diese Möglichkeiten kennen, um dann für das eigene Konzept fundiert entscheiden zu können.
Die wichtigste Entscheidungsgrundlage ist die pädagogisch-didaktische Gesamtkonzeption der jeweiligen Schule, mit deren Hilfe zum Beispiel Aussagen zur Rolle der Schulbibliothek bei der Erreichung der Lernziele getroffen werden können. „Es muss z.B. festgestellt werden, in welchen Bereichen Lernziele ohne Schulbibliothek nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen erreicht werden können“ (Deutsches Bibliotheksinstitut: Materialien 1994, H. 11, 2).
Ideal ist es, wenn an der inhaltlichen Definition der Schulbibliothek die Schulgemeinschaft insgesamt beteiligt werden kann, denn so erreicht man eine breite Akzeptanz der Massnahme. Schliesslich handelt es sich oft um eine beträchtliche Investition an Zeit und Geld und diese knappen Ressourcen müssen zielgerichtet eingesetzt werden. Was erwarten die Lehrer, die Schüler, die Eltern, der Träger von der Schulbibliothek? Erst wenn die Sammlung der Erwartungen vorliegt und in Beziehung gesetzt wurde zu den möglichen Funktionen der Bibliothek, können die zentralen Fragen beantwortet werden:
• Welche Aufgaben soll die Schulbibliothek in unserer Schule erfüllen?
• Welche Ressourcen (räumlich, personell, Sachmittel, Geld) können dafür zur Verfügung gestellt werden?
Je nachdem, wie die Antwort auf diese Fragen ausfällt, kann man entweder sofort in die Verwirklichung eintreten oder einen Stufenplan entwickeln. Häufig ist ein schrittweises Vorgehen erforderlich, weil die Räume, in denen die Schulbibliothek entstehen soll, zu klein sind. Je erfolgreicher die Bibliothek arbeitet, desto eher wird es gelingen, bei passender Gelegenheit (Erweiterungsbau, Umstrukturierung) zusätzliche Räume zu erhalten. Aktive Bibliotheken haben die Chance, sich zum „Standortfaktor“ für die Schule zu entwickeln.
1.2 Warum Schulbibliothek? – ein Beispiel
Wie die Gründung einer Schulbibliothek vonstatten gehen kann, verdeutlicht ein Interview mit dem Schulleiter des Fürstenberg-Gymnasiums Donaueschingen, Herrn OStD Mario Mosbacher. Das Fürstenberg-Gymnasium ist Teil einer Schullandschaft der Stadt Donaueschingen (ca. 22.000 Einwohner) und des Schwarzwald-Baar-Kreises, die alle Schularten incl. gewerbliche, kaufmännische und technische Schulen bietet. Aktuell besuchen rund 850 Schüler das Fürstenberg-Gymnasium, ein grosser Teil davon im „offenen Ganztag“. Das Interview führte Angelika Holderried.
Herr Mosbacher, Sie haben sich dazu entschlossen, die sechs kleinen Bibliotheken, die es an Ihrer Schule gab, zu einer grossen Bibliothek zusammenzuführen und ein neues Bibliothekskonzept zu verwirklichen. Was hat Sie dazu bewogen, diesen Schritt zu gehen?
In den vergangenen Jahren wurde unsere Schule von Grund auf generalsaniert, d.h. bis auf den Rohbau zurück- und dann wieder aufgebaut. Leitend und bindend bei dieser Sanierung war ein von der Schule in einem mehrmonatigen Prozess ausgearbeitetes Pädagogisches Konzept. Hier haben alle am Schulleben Beteiligten gemeinsam festgehalten, welche Anforderungen ein neues Schulgebäude für den Unterricht von heute und auch von morgen erfüllen muss. Wichtige Überlegungen in diesem Zusammenhang waren u.a.:
• in der Schule Räume für erlebnishaltiges Lernen zu schaffen,
• im Rahmen des offenen Ganztages Aufenthalts- und Freizeiträume zu schaffen,
• universitäres Lernen vorzubereiten,
• im gesamten Haus durch Licht, Farbe und Materialien eine Atmosphäre zum Wohlfühlen zu schaffen,
• innerhalb des Hauses eine klare funktionale Gliederung der Räume zu finden.
Alle diese Aspekte haben zum jetzigen Bibliothekskonzept beigetragen. Vor der Sanierung hatten wir in der Tat sechs kleinere Bibliotheken: eine für die Unterund Mittelstufe, eine für die Oberstufe, zwei Selbstlernräume in einem Nebengebäude, eine Lehrerbibliothek und eine historische Bibliothek. Die Flächen dieser Räume und auch ein Grossteil des Buchbestandes sind nun in einer grossen Bibliothek zusammengeführt. Der neue Ort gab uns gestalterisch, aber auch inhaltlich ganz neue Möglichkeiten.
Können Sie uns bitte den Entstehungsprozess schildern?
Im Rahmen der Sanierung sollte eine neue Bibliothek zentral im Mittelpunkt des Schulhauses geschaffen werden. Auf der „didacta“ 2012 traf ich nun durch Zufall auf einen Bibliotheksplaner und wir kamen ins Gespräch. Ein ausgesprochener Glücksfall, denn wir stellten beide schon bei der ersten Tasse Kaffee fest, dass wir denselben Blick auf das Thema „Schulbibliothek“ hatten. Erstens waren wir sicher, dass gerade in Zeiten der Digitalisierung Schulen und Schüler einen Ort benötigen, an dem es Begegnungen mit dem Medium Buch gibt, an dem Schüler das Lesen zum Lernen und zur Unterhaltung entdecken können, einen Ort, der in den Unterricht ausstrahlt. Wir waren uns zweitens aber auch sofort einig, dass es hierfür neuer Konzepte bedurfte, dass es also nicht genügen würde – überspitzt gesagt – einen Raum mit Buchregalen vollzustellen und zu hoffen, dass der dann genutzt würde. Und so beschlossen wir an diesem Tag, uns gemeinsam auf den Weg zu machen. Hinzu kamen dann noch der damalige Schulleiter des Fürstenberg-Gymnasiums (ich wurde erst im September 2013 Schulleiter), unsere Architekten sowie aus der Schule selbst noch der betreuende Lehrer. Wir alle zusammen haben unser Herz an die neue Bibliothek verloren und haben gemeinsam dann das entwickelt, was man heute schlussendlich gebaut sehen kann.
Wenn Sie Ihre neue Bibliothek einem Besucher vorstellen, welche Punkte heben Sie besonders hervor?
Nun, wir haben in der Tat öfter Besuchergruppen bei uns, ehemalige Abiturjahrgänge oder auch Interessenten von anderen Schulen, und ich hebe bei Führungen verschiedene Aspekte hervor:
• Architektur: Wir haben in diesen Räumen eine Architektur mit einer klaren, zeitgemässen Formensprache geschaffen, die dennoch durch die Gliederung, durch das Lichtkonzept und durch die Farbgebung eine Wohlfühlatmosphäre schafft.
• Details der Ausstattung: es gibt eine kleine Bühne, auf der Lesungen oder Kleinkunstaufführungen stattfinden – und die Bühnenakustik ist extra hierauf angepasst. Im grössten Raum der Bibliothek schaffen wir durch den gelben Boden, eine gelbe Wand und eine abgehängte gelbe Decke – die letzteren beiden aus schallabsorbierendem Material – eine Art „Höhlencharakter zum Reinkuscheln“. Es gibt eine Podestlandschaft, auf der man sich zum Lesen „hinlümmeln“ kann, selbstverständlich stehen PCs zum Arbeiten und für Recherchen zur Verfügung und nicht zuletzt trägt die Möblierung mit hochwertigen weissen Buchregalen sehr zum gelungenen Ambiente bei.
• Die Betreuung unserer Bibliothek: Beim Blick auf die Architektur fällt den Besuchern sehr schnell die zentrale Ausleihtheke auf, an der während der Öffnungszeiten der Bibliothek (täglich von 8-14 Uhr) unsere Betreuerinnen arbeiten. Dies ist