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Am andern Morgen »entlehnte« Tom einen Zinnlöffel und einen Messingleuchter im Hause, um Schreibefedern für Jim draus zu machen, sechs Talgkerzen hieß er außerdem noch mitgehen. Ich trieb mich bei den Negerhütten herum, paßte auf eine Gelegenheit und führte drei Zinnteller aus, Tom meinte, das sei lange nicht genug, ich aber sagte, wenn Jim die Teller herauswerfe, würden sie in dem Buschwerk vor dem Fensterloch von niemand gesehen, und da könnten wir sie wieder herausholen und noch einmal benutzen. Da war er denn auch zufrieden. Sagt' er:
»Jetzt müssen wir aber noch herauskriegen, wie wir all das Zeug dem Jim zustecken!«
»Na durch's Loch natürlich, wenn wir es fertig haben!«
Er sah mich nur an, aber wie – ich wußte, was er dachte, besser, als wenn er's gesagt hätte, dabei brummte er etwas wie »verrückt« oder so, ich untersucht's nicht weiter. Dann legte er sich aufs Nachsinnen, sagte auch nach einiger Zeit, er habe drei oder vier verschiedene Arten herausgefunden, es habe aber keine Eile mit der Entscheidung, wir müßten Jim doch zuerst alles klar zu machen suchen, wofür er die Sachen zu benutzen habe.
An dem Abend rutschten wir etwas nach zehn am Blitzableiter hinunter, nahmen eine von den Talgkerzen mit, horchten unter Jims Guckloch, Fenster konnte man das Ding nicht nennen, hörten ihn schnarchen und warfen die Kerze hinein, was ihn gar nicht weckte. Jetzt frisch drauf los mit Hacke und Schaufel und in vielleicht zwei Stunden oder etwas mehr waren wir fertig. Wir krochen durch das Loch unter Jims Bett in die Hütte, tappten auf dem Boden herum, fanden die Kerze, zündeten sie an und stellten uns ein Weilchen vor Jim hin, der immerzu schnarchte, dann weckten wir ihn sachte und allmählich. War der aber glücklich, uns zu sehen! Er nannte uns »Herzchen« und »Zuckerpüppchen« und gab uns alle Schmeichelnamen, die sich nur erdenken ließen, und bat uns, sofort eine alte Feile zu holen und seine Kette abzufeilen und dann ohne viel Zeitverlust auf und davon zu gehen. Das war nun ganz und gar nicht Toms Absicht und der zeigte ihm denn auch bald, wie ganz gegen alle Regeln das wäre und setzte ihm unsern Plan auseinander und wie wir denselben jeden Moment ändern könnten, wenn wirklich Gefahr im Verzug wäre und er brauche sich kein bißchen zu fürchten, denn wir würden dafür sorgen, daß er sicher frei würde. Jim sagte denn auch schließlich, ihm sei alles recht, und wir saßen und plauderten von alten Zeiten; Tom stellte eine Menge Fragen und als Jim erzählte, Onkel Silas käme jeden Tag, um mit ihm zu beten, und Tante Sally, um nachzusehen, ob er genug zu essen habe, und beide seien so gut und freundlich, da sagte Tom:
»So, nun weiß ich auch, was ich zu thun habe. Die müssen dir selbst die Sachen zutragen, die du brauchst, Jim!«
Sag' ich:
»Das wirst du doch nicht thun, Tom, das ist ja das Tollste, was du bis jetzt ausgedacht!«
Er aber hörte gar nicht auf mich, sondern machte immer weiter, wie er's zu machen pflegte, wenn ihm ein neuer Gedanke tagte.
So sagte er denn Jim, daß wir ihm die Strickleiter in einem Brotlaib zuschmuggeln wollten und andre größere Sachen durch den Nigger, der ihm das Essen bringe, er dürfe sich aber nichts merken lassen und müsse immer aufpassen und niemals etwas verraten. Die kleineren Sachen würden wir also in des Onkels Rocktaschen stecken oder an der Tante Schürzenbändern befestigen, von wo er sie dann unbemerkt wegnehmen müßte. Wir sagten ihm auch, zu was er jedes einzelne benutzen solle, und wie er ein Tagebuch führen müsse auf dem Hemd mit seinem eignen Blut und alles andre. Tom unterrichtete ihn von allem. Jim konnte freilich nicht recht klug draus werden, meinte aber, wir seien doch »kluge Weiße« und müßten's eben besser verstehen, als so ein armer, dummer Nigger. Er war's denn auch zufrieden und versprach, alles genau so zu machen, wie's Tom angegeben.
Jim holte ein paar Pfeifen und Tabak heraus und so waren wir lustig und guter Dinge. Dann krochen wir wieder zum Loch hinaus und heim ins Bett mit Händen, die aussahen, als seien sie mal von Ratten angenagt worden – so langes Graben ist doch kein Spaß! Tom war in der besten Laune. Er sagte, das sei das Schönste, Interessanteste, was er je erlebt, und meinte, wenn wir nur erst wüßten wie, könnten wir den Spaß unser ganzes Leben lang fortsetzen und es unsern Kindern einmal überlassen, Jim zu befreien, der ganz sicher mit der Zeit mehr und mehr Geschmack an seiner Gefangenschaft finden werde. Tom meinte auch, bei sorgfältiger Behandlung könne man Jim gewiß bis hoch in die achtzig bringen und die Erzählung seiner Abenteuer dann als wertvolles Vermächtnis der Nachwelt überlassen und alle, die damit zu thun gehabt, würden Ruhm und Lorbeeren und einen gefeierten, hochgepriesenen Namen ernten. Na, mir soll's recht sein!
Am Morgen gingen wir zum Holzplatz hin und zerlegten den Messingleuchter in handliche Stücke, die Tom samt dem Zinnlöffel in seine Tasche steckte. Dann schlenderten wir zu den Niggerhütten und während ich Sam, – das war der Nigger, der Jim das Essen brachte, – anderweit beschäftigte, bohrte Tom ein Stück von dem Messingleuchter in ein großes Stück Brot, das auf Jims Schüssel lag, und wir trotteten hinter Sam her, um zu sehen, was es für eine Wirkung habe. Die war nun über alle Beschreibung, denn Jim biß sich beinahe alle Zähne dran aus, – es war ein Hauptspaß. Jim aber ließ sich nichts merken und that, als sei es ein Stein oder so etwas gewesen, das sich ja leicht einmal ins Brot verirrt; nachher aber biß er nie wieder in etwas hinein, ohne vorher mit seiner Gabel an drei oder vier Stellen probiert zu haben, ob alles mit rechten Dingen zugehe.
Und während wir noch da stehen, springen auf einmal zwei Hunde ganz seelenvergnügt unter Jims Bett hervor und andere drängen nach, mehr und mehr, bis vielleicht zwölf oder gar fünfzehn herumwimmeln und wir kaum Platz zum atmen haben! Na, unsern Schreck! Zum Henker, wir mußten ja wahrhaftig vergessen haben, die Schuppenthüre zuzumachen. Unser Sam aber brachte vor Schrecken nur das Wort »Geister« heraus und fiel so lang er war auf den Boden, zwischen die Hunde, und wälzte sich und schlug um sich, als habe er Krämpfe. Tom riß geschwind die Thüre auf, ergriff einen Fetzen Fleisch von Jims Schüssel, warf ihn hinaus und die Hunde sausten hinterher wie die tolle Jagd, er selbst mit und eh' ich noch Amen sagen konnte, war er leise wieder da: ich wußte, er hatte flink die Schuppenthüre besorgt, zog die Thür hinter sich zu und kauerte sich auf den Boden zu dem noch immer stöhnenden Sam. Er streichelte und schmeichelte an ihm herum, fragte, ob er denn wieder etwas gesehen habe, und ob ihm die Geister noch immer keine Ruhe ließen. Sam kam wieder etwas zu sich, richtete sich auf und blinzelte scheu in alle Ecken.
»Massa Sid,« flüsterte er ängstlich, »du sagen, Sam sein Narr, aber Sam sehen ganze Million Hund oder Deibel oder so was, er wollen sterben, wenn er's nix sehen, ganz deutlich! Massa Sid, Sam sie riechen – sie fühlen! Sein gesprungen über arme, alte Sam! Das sein zu viel – zu viel! Sam nur einmal sollten fangen Geister – nur ein – einemal! Geister sollten bleiben weg dann nächstemal von arme, alte Sam! Sam das schwören!«
Sagt Tom:
»Sam, ich will dir sagen, was ich glaube. Weißt du, warum die jedesmal kommen, wenn du dem Durchbrenner hier sein Frühstück bringst? Die sind hungrig, ganz sicher hungrig! Weißt du, was du thun mußt? Du mußt ihnen eine Zauberpastete machen, das allein kann dir helfen!«
»Aber, große Gott, Massa Sid, wie sollen alte Sam machen Zauberpastete? Er gar nix nicht wissen davon! Er nie nix haben gehört von solcher Pastet'!«
»Na, da muß ich's wohl für dich thun, he?«
»Massa Sid das wollen thun? O, sein so gut, so gut! Sam wollen küssen die Boden, wo Massa Sid gehen!«
»Na, schon gut, Alter, schon gut. Ich thu's, weil du freundlich und gefällig warst und uns den Durchbrenner, den schlechten Kerl dort gezeigt hast. Aber vorsichtig mußt du sein, hörst du? Du darfst nicht hören und nicht sehen, nicht merken und nicht merken wollen, was ich in die Pastete stecke, sonst ist alles umsonst und die Geister packen dich beim Wickel und wer weiß, ob sie dann das nächstemal so schnell verschwinden und dich nicht aufpacken und mit fortschleppen. Ich rat' dir auch, nicht danach zu schielen, wenn der Kerl dort die Pastete aufmacht, noch weniger, danach zu fassen.«
»Massa Sid, was du denken? Sam nix rühren dran mit kleinste Spitz von kleinste Finger, nix für zehnmalhunderttausend Dollahs!«