Dietrich Schulze-Marmeling

Davidstern und Lederball


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aber auch der »Individualismus« und das »Unvorhersehbare« im Donaufußball seinen Platz. Und gegenüber dem auf Physis setzenden englischen Fußball zeichnete ihn eine gewisse Eleganz und Leichtigkeit aus.

      image Der Donaufußball war professionell organisiert. Als erstes Land auf dem Kontinent überhaupt hatte Österreich 1924 den Profifußball legalisiert. 1925 folgte die Tschechoslowakei, 1926 Ungarn.

      image Last but not least befanden sich unter den wichtigsten Akteuren des Donaufußballs viele Juden, und dies auf allen Ebenen: als Funktionäre, Mäzene, Trainer und Spieler. Juden waren ein wichtiger und auch weitgehend akzeptierter Bestandteil der mitteleuropäischen Fußballkultur. Wenngleich Juden auf die Kultur des Donaufußballs einen großen Einfluss ausübten und sich in dieser mehr als anderswo heimisch fühlten, wäre es allerdings verkürzt, diesen als »jüdische Angelegenheit« zu charakterisieren.

      In Österreich, Ungarn und der Tschechoslowakei lebten noch 1937 fast eine Million Juden; der Anteil der Juden an der Gesamtbevölkerung fiel deutlich höher aus als etwa in Deutschland. In Ungarn wurden 1937 ca. 400.000 gezählt, in der Tschechoslowakei 357.000 und in Österreich 191.000. Hinzu kam ihre weitgehende Konzentration in den Städten Budapest, Prag und Wien, den Zentren des Donaufußballs.

      Mit dem 1927 erstmals ausgespielten Mitropa-Cup, Europas erstem internationalen Wettbewerb für Vereinsmannschaften und gewissermaßen einem Vorläufer des heutigen Europapokals, besaß der Donaufußball seine eigene internationale Bühne. Vater des Wettbewerbs war der legendäre österreichische Verbandschef Hugo Meisl, Sohn einer jüdischen Kaufmannsfamilie aus Mähren. Zum Mitropa-Cup waren die besten Vereinsmannschaften Österreichs, Ungarns, der Tschechoslowakei und Jugoslawiens zugelassen. Später schlossen sich auch noch die Schweiz und Rumänien dem Wettbewerb an.

      Der Donaufußball war ein Synonym für »Professionalismus«. In Österreich war es vor allem Hugo Meisl gewesen, der die Legalisierung des Profifußballs gefordert hatte – gegen den Widerstand der FIFA sowie der Opposition im eigenen Land. Auch die 1924 angepfiffene Profiliga war ein Kind des visionären Verbandskapitäns.

      Mit dem bezahlten Fußball standen die Nazis ideologisch auf Kriegsfuß. Dabei dürfte allerdings auch eine Rolle gespielt haben, dass die Nazis dem Donaufußball und seinen jüdischen Akteuren Progressivität und Erfolg neideten.

      Assimilierte und Zionisten

      Metropole unter den Metropolen des Donaufußballs war Wien. In keiner anderen Stadt der Welt existierten so viele exzellente Fußballteams wie hier. Nicht einmal London konnte diesbezüglich konkurrieren. Fast jeder der damals 21 Bezirke Wiens besaß seine eigene Fußballmannschaft und eigene Fußballkultur.

      Nach dem Ersten Weltkrieg erhielt der Wiener Fußball noch Verstärkung aus Budapest, als sich eine Reihe von namhaften ungarisch-jüdischen Kickern dem Antisemitismus des autoritären Horthy-Regimes durch einen Wechsel nach Wien entzog. Mit der Austria und dem SK Hakoah verfügte Wien über zwei hervorragende Fußballadressen, bei denen Juden eine bedeutende Rolle spielten. Bedingt durch die Einwanderung verbanden sich in der österreichischen Hauptstadt die besten Elemente der Fußballschulen Wiens, Budapests und Prags.

      Die Qualität des österreichischen Klubfußballs blieb nicht ohne Auswirkungen auf das Nationalteam, das unter der Leitung des bereits erwähnten Verbandskapitäns Hugo Meisl von Mai 1931 bis Dezember 1932 15 Spiele in Folge ungeschlagen blieb. Zu denen, die die Spielstärke des sagenumwobenen »Wunderteams« zu spüren bekamen, gehörte auch die Mannschaft des DFB, die mit 0:5 und 0:6 zweimal deutlich unterlag. Die größte Sensation gelang den Kickern um Matthias Sindelar allerdings gleich zum Auftakt ihrer Siegesserie, als sie die damals noch hoch gehandelte Nationalmannschaft Schottlands mit 5:0 besiegten.

      Auch Meisls jüngerer Bruder Willy schrieb Geschichte. Der Journalist wurde mit Etiketten wie »König unter den Sportjournalisten Zentraleuropas«, »Vater des modernen Sportjournalismus« und »weltweite Nummer eins unter den Fußballkritikern« bedacht. 1955 veröffentlichte Meisl ein viel beachtetes und auch heute noch lesenswertes Buch mit dem Titel »Soccer Revolution«, eine schonungslose Auseinandersetzung mit den Defiziten des englischen Fußballs.

      Jüdischer Sport unterm Hakenkreuz

      Zwar spielen Juden in Deutschland auch noch nach der nationalsozialistischen Machtergreifung einige Jahre Fußball, allerdings in »ghettoisierter« Form. Der Ausstoß jüdischer Bürger aus den »paritätischen« bürgerlichen Sportvereinen beginnt unmittelbar nach der braunen Machtergreifung.

      Bereits um die Jahrhundertwende waren in Europa zahlreiche jüdische Sportvereine gegründet worden, die ihre Namen bei antiken jüdischen Helden wie Makkabi oder Bar Kochba adaptierten oder sich Hakoah (= Kraft) und Hagibor (= Kämpfer) nannten. Das Gros der Juden befand sich aber in paritätischen Vereinen, was ihrem Wunsch nach Assimilation entsprach. Der Anhang der zionistischen Bestrebungen nahm sich dagegen noch recht schmal aus.