André Moritz

Soft Skill für Young Professionals


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kann es zu Fehlern kommen. Als wahrnehmender Empfänger unterliegen Sie vielen subjektiven Störeinflüssen, welche die gesendete Information ebenfalls verzerren. Eine interne Selektion und Gewichtung der Informationen kann abhängig von unterschiedlichen Intentionen des Empfängers stattfinden. Zweitens beeinflussen persönliche Erfahrungen die Informationsaufnahme durch die fortwährende Interpretation des Empfangenen. Als dritter Faktor spielt die Befindlichkeit, also die aktuelle physiologische und psychologische Situation des Empfängers, eine Rolle. Mit dieser Grundlage zur Wahrnehmung und der Möglichkeit von einzelnen Störungen wird dann das Modell des Selbst- und des Fremdbildes vorgestellt.

      Wahrnehmungsarten

      Fünf Wahrnehmungskanäle

      Wahrnehmung besteht aus der physiologischen Verarbeitung von Reizen und der psychologischen Verarbeitung dieser Reize im zentralen Nervensystem. Als Reize und die damit verbundenen Sinne sind zum heutigen Kenntnisstand fünf Faktoren bekannt:

      ▪ 1. Visuelle Reize (Sehen)

      ▪ 2. Auditive Reize (Hören)

      ▪ 3. Kinästhetische Reize (Fühlen)

      ▪ 4. Olfaktorische Reize (Riechen)

      ▪ 5. Gustatorische Reize (Schmecken)

      In der menschlichen Wahrnehmung können je nach diesen fünf Reiztypen unterschiedliche Reize aufgenommen werden, welche im Folgenden dargestellt sind.

      Visuelle Reize (Sehen)

      Visuelle Reize bei der Wahrnehmung von Personen und ihrer Ausstrahlung

      Bei den visuellen Reizen spielen der Körperbau, die Figur, das Gesicht, die Haare, das Auftreten, die Bewegung, die Ausstrahlung und die Kleidung eine Rolle. Diese Reize sind erfahrungsgemäß die ersten Reize, welche wir in Verbindung zu einer Person oder einem Gegenstand bringen können. Selbst wenn wir eine Person zuerst hören, findet die Zuordnung von Reizen zu einer Person erst beim Blickkontakt mit dieser Person statt. Die visuelle Wahrnehmung ist im Berufsleben kaum zu unterdrücken. In manchen Ländern werden im Gespräch unter Umständen zur besseren Konzentration zwar die Augen geschlossen, aber auch so können Sie sich unmöglich dem Einfluss des Reizkomplexes entziehen. Visuelle Reize, wie zum Beispiel das körperliche Auftreten einer anderen Person, werden stets in den Kontext mit Erfahrungen und Impressionen gesetzt. Entsprechend sehen Sie eine Person im Anzug nicht nur als eine Person im Anzug, sondern vermutlich als seriöse Geschäftsperson. Dieser Verknüpfung sollten Sie sich bewusst werden, um sie nicht in einigen Situationen zu überschätzen und falsche Konsequenzen zu ziehen.

      Außerdem sollten Sie sich ebenfalls bewusst sein, dass jede Person solche Implikationsmuster zusammenstellt und dass Sie diese entweder aktiv für sich verwenden können oder zumindest zur Kenntnis nehmen sollten. Ältere Kunden bei einer Bank erwarten beispielsweise einen Bankangestellten im Anzug. Aus jahrzehntelangen Erlebnissen Tag für Tag bei der Bank ist diese Vorstellung entstanden und hat sich manifestiert. Wird diese ältere Person heute von einem jungen Mann im gepflegten Rollkragenpullover an einen Beratungstisch gebeten, ist ein erster psychologischer Konflikt vorprogrammiert.

      Auditive Reize (Hören)

      Wortwahl und Stimmeinsatz bestimmen die Ausstrahlung einer Person

      Auditive Reize sind zum Beispiel Sprach- und Sprechausdruck in Form von Wortwahl, Stimme und Tonfall. Besonders der Tonfall in Form von Rhythmik, Lautstärke und Tonlage ist ein besonderer Sympathieträger. Er kann zum Beispiel bei ausschließlicher Kommunikation über das Telefon ein die Persönlichkeit bestimmender Faktor werden. In Kapitel 2.2. wird detaillierter auf Wortwahl sowie auch paraverbale Rhetorik, wie beispielsweise Stimmlage und Atmung, eingegangen. Hier sei bereits erwähnt, dass besonders ein ausgewogenes Gesprächsbild als seriös betrachtet wird. Dabei ist immer zu beachten, mit wem Sie sprechen und welche Wahrnehmung diese Person hat. Einen 60-jährigen Seniormanager werden Sie kaum mit Bandnudelsätzen und kreativen Grammatikstrukturen beeindrucken können, was hingegen bei der Präsentation im Kunst- und Literaturgewerbe positiv sein kann. Ebenso wenig werden Sie selbst durch eine für die Person unzweckmäßige Sprache beeindruckt oder außergewöhnlich positiv gestimmt.

      Kinästhetische Reize (Fühlen)

      Handschlag und Schulterklopfen

      Kinästhetische Reize können beispielsweise während eines Handdrucks aufgenommen werden, etwa Kraft, Handtemperatur oder Handschweiß. Der Händedruck unterliegt internationalen Unterschiedlichkeiten. Dies wird im Kapitel 3.4. beschrieben. Kinästhetische Reize sind in beruflicher Umgebung mit besonderer Vorsicht zu beachten. Ein freundliches Klopfen auf die Schulter kann annähernd gemeint sein, aber äußerst ablehnend aufgenommen werden. In Führungskräfteentwicklungscamps wird hingegen zum Beispiel bei Überlebenstrainings in der Natur der aktive Körperkontakt durch gegenseitige Hilfestellungen bewusst forciert.

      Olfaktorische Reize (Riechen)

      Olfaktorische Reize können Körper- und Mundgeruch oder ein Parfum sein. Besonders die Wahrnehmung von körpereigenem Geruch und Parfum charakterisiert sich stark unterschiedlich. Unbestritten ist jedoch die psychologische Wirkung von einem „Jemanden-nicht-riechen-können“.

      Gustatorische Reize (Schmecken)

      Gustatorische Reize anderer Person können Sie in Form eines Begrüßungskusses empfangen. Diese Form der Wahrnehmung hat jedoch geringen Einfluss in der gewöhnlichen beruflichen zwischenmenschlichen Beziehung.

      Wahrnehmungslücken

      Wahrnehmung besteht aus dem Wahrgenommenen und dem Wahrnehmenden. Beide Einheiten können Störungen und Lücken in der Wahrnehmung verursachen, welche dann zwar ebenfalls zu einer Wahrnehmung, jedoch zu einem verzerrten Sinneseindruck, führen. Störungen auf der Seite des Wahrgenommenen können im Allgemeinen alle Falschaussagen sein, welche beabsichtigt oder unbewusst gegeben werden. Diese Aussagen können in Form von verbaler, aber auch nonverbaler Kommunikation entstehen. Beispielsweise kann der Schweißgeruch eines Redners an seiner Nervosität, aber auch an der beschwerlichen Anreise liegen. Sie sollten Ihre Interpretation des Wahrgenommenen also beständig überprüfen. Diese Überprüfung geschieht vorwiegend automatisch, Sie können sie aber auch bewusst anstoßen und systematisch vollziehen (Kapitel 2.2.).

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      Abbildung 23: Wahrnehmungslücken zwischen Sender und Empfänger

      Die zweite Möglichkeit einer Wahrnehmungsstörung kann in der Eigenheit des Wahrnehmenden liegen. Als aufnehmende Person können Sie aufgrund von selektiven, interpretatorischen und integrativen Gesichtspunkten etwas Fehlerhaftes auffassen. In der Betrachtung von physiologischer und psychologischer Wahrnehmung können Ihnen im schlimmsten Fall beide Faktoren einen Streich spielen.

      Das Johari-Fenster

      Nicht ganz als Störung, aber möglicherweise als Lücke, können Sie Begebenheiten schematisieren, welche weder von Ihnen noch von einem Beobachter wahrgenommen werden können. Bei der Betrachtung der eigenen Verhaltensmuster gibt es zusätzlich Eigenschaften, welche nur uns bekannt sind, und Eigenschaften, welche der breiten Öffentlichkeit bekannt sind, bzw. von ihr wahrgenommen werden. Diese Schematisierung kann in dem Johari-Fenster, benannt nach Joe Luft und Harry Ingham, veranschaulicht werden. Dieses Schema zeigt auf, dass die Wahrnehmung einer Persönlichkeit stets aus vier Teilen zusammengesetzt ist. Außerordentlich bedeutend für die Abweichung zwischen Selbst- und Fremdbild sind die Bereiche „Privatperson“ und „Blinder Fleck“ des Johari-Fensters. Die wahrgenommenen Faktoren der „Privatperson“ werden nur im Selbstbild auftauchen und Eigenschaften des „Blinden Flecks“ nur im Fremdbild.

      Tabelle 3: Das Johari-Fenster

Verhaltensbereiche Mir selbst bekannt Mir selbst unbekannt