André Moritz

Soft Skill für Young Professionals


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Selbstbild und Fremdbild

      Erstellung

      Beim Erstellen eines Fremdbildes einen 360°-Ansatz wählen

      Das Anfertigen eines Fremdbildes ist für die Entwicklung einer Persönlichkeit äußerst bedeutend. Gerade die Erstellung scheint keinerlei Schwierigkeit zu bergen, jedoch gerade für die spätere aktive Verwendung des Fremdbildes bedarf es gewissenhafter Vorbereitungen. Allzu oft wird ein Fremdbild von einer Führungskraft angefertigt, die von der Fragestellung und Lösung überfordert ist und in knapper Zeit und meist unstrukturiert probiert, nichts Verletzendes und pädagogische Formulierungen zu finden und niederzuschreiben. Damit erringen Sie allerdings maximal ein anspruchsloses und oberflächliches Fremdbild ohne Potenzial der Entwicklungsmöglichkeit.

      Zur Identifikation der Befragungsgruppe zur Anfertigung der Fremdbilder verweisen wir auf die Beschreibung des 360°-Feedbacks (Kapitel 1.3.). Beim Erstellen eines Fremdbildes sollten Sie ebenfalls einen 360°-Ansatz wählen. Dies erlaubt, Gefälligkeit und pädagogische Ansätze von einzelnen Bezugsgruppen zu entmachten und ein deutliches Bild Ihres Auftretens zu erlangen. Direkte Bezugsgruppen sind also beruflich-hierarchisch Über-, Gleich- und Untergeordnete sowie Freunde und Familie. Sie sollten nicht von besonders engen Freunden und Verwandten ein umfassendes Fremdbild verlangen. Diese Personen können Teilbereiche des Fremdbildes gut abdecken, und diese Chance sollten Sie auch nutzen. Allerdings birgt ein Fremdbild dieser Personen über Missverständnisse und Dopplung von Aussagen auch arge Verzerrungen.

      Stärken und Schwächen, Fachkompetenz, Interessen, Verhaltensweisen und Ziel

      Zur Erstellung bieten sich die Punkte an, welche Sie auch schon im Selbstbild abgedeckt haben, dabei können jedoch einige Bereiche durch andere substituiert werden. Als konkrete Elemente bieten sich Stärken und Schwächen, Fachkompetenz, Interessen, Verhaltensweisen und Ziele an. Dabei sind die Bereiche Interessen und Ziele für den Beurteilenden besonders schwierig einzuschätzen, vor allem, wenn Sie bei der Erstellung und folgenden gemeinsamen Auswertung des Fremdbildes ihm direkt gegenübersitzen. Trotzdem spielen diese Aspekte eine elementare Rolle in Ihrer individuellen Interpretation. Wird es abgelehnt, einen dieser Bereiche zu bearbeiten, sollten Sie hart bleiben und darum bitten, wenigstens Vermutungen zu äußern. Diese können Sie, um sie von den anderen Punkten abzugrenzen, in einer anderen Farbe notieren lassen.

      Dem Befragten Zeit lassen

      Bei der Erstellung des Selbstbildes sollten Sie nicht selbst schreiben, sondern dies sollte ausschließlich der Befragte tun. Auch Ihre direkte Anwesenheit ist manchmal eher störend. Versuchen Sie, eine stichhaltige Unterweisung in die gewünschte Struktur und die Inhalte zu geben, und lassen Sie dann dem Befragten ausreichend Zeit, das Bild zu zeichnen. Die erwähnten Punkte können in ein vorbereitetes Blatt mit der leeren Struktur des Selbstbildes eingearbeitet werden oder Sie überlassen dem Interviewten die Ausgestaltung vollkommen frei. Falls Sie die beispielhafte Struktur von Abbildung 24 zur Erstellung des Selbstbildes verwenden wollen, können Sie genau jetzt die zweite Hälfte des Blattes einbringen. Dazu kleben Sie die andere Hälfte, also Ihr Selbstbild, einfach mit einem anderen Blatt ab, um den Befragten nicht zu beeinflussen.

      Sie sollten den Befragten während der ganzen Ausarbeitung möglichst nicht in seinen Gedankengängen stören. Sie können als Grundlage die Kategorien vorstellen und sollten höchstens um etwas mehr Details in den Stichpunkten bitten. Mit dem Erfragen von Beispielen oder Gründen für bestimmte Aussagen wird der Befragte vorerst nur beeinflusst. Die jeweilige Gewichtung und Ausarbeitung der einzelnen Aspekte bleiben ebenfalls dem anderen überlassen. Erst bei der Präsentation des Fremdbildes durch ihn sollten Sie diese Fragen äußern und um Beispiele bitten. So erbarmungslos es klingt, aber bei der Erstellung eines Fremdbildes geht es nicht um Fairness und 100-prozentige Objektivität, sondern um intuitive Wahrnehmung – gemischt mit fundierter Evaluierung, beispielsweise der Fachkompetenzen – durch einen externen Meinungsträger.

      Interpretation und Verwendung

      Kein finales Feedback beim Empfang des Fremdbildes

      Ein Fremdbild hat wie ein Selbstbild nur einen persönlichen Mehrwert, wenn Sie aktiv mit ihm arbeiten. Ein Großteil der Interpretation oder Auswertung kann schon durch die gemeinschaftliche Erstellung vorbereitet worden sein. Auch wenn ein Fremdbild vom Ersteller nach oder während der Zusammenstellung erläutert wurde, müssen Sie es dessen ungeachtet noch individuell interpretieren. Dieser eigenen Interpretation kann dann noch nach einer Woche Bearbeitung ein unmittelbares Feedback folgen. Auf keinen Fall sollte ein finales Feedback gleich beim Empfang des Fremdbildes gegeben werden. Bei der Überreichung kann bequem ein Termin in der folgenden Woche vereinbart werden, an welchem Sie die Einschätzung miteinander besprechen.

      Individuelle Interessen und Fachkompetenzen

      Zur konkreten Interpretation fangen Sie am besten erneut bei den Basisannahmen an. Meistens ist die Fremdeinschätzung von Ihren Werten, Moralvorstellungen und Zielen nicht sehr übereinstimmend mit Ihrem Selbstbild, und Sie sollten diese Punkte eher der sozialen Kompetenz zuordnen. Demzufolge sind es soziale Umgehensweisen, welche anderen Personen bei Ihnen besonders auffallen. Unter anderem können in der Fremdbeurteilung angeführte Punkte wie Ehrgeiz, Eigensinn oder Selbstgerechtigkeit in diese Kategorie fallen.

      Die Reflexion der individuellen Interessen ist hingegen äußerst aufschlussreich. Diese Interessen werden größtenteils im Rahmen der beruflichen Arbeit formuliert – spiegeln also nicht freizeitliche Vorlieben ab – und zeigen damit an, auf welchen Gebieten Sie als außerordentlich engagiert und partizipierend wahrgenommen werden. Gilt Ihr individuelles Interesse zum Beispiel der Konzeption von Planungstools, sind Sie bei dieser Arbeit motiviert und leisten auffällig herausragende Ergebnisse. Demnach sind diese erwähnten Interessen substanzielle Stärken, mit welchen Sie sich beruflich positionieren, weiterentwickeln und wahrscheinlich vorankommen können. Umso mehr Interessen Sie vom Beurteilenden zugeordnet bekommen haben, desto enthusiastischer erscheinen Sie bei der Arbeit. Dieses Engagement ist ein beruflicher Mehrwert und kann nahezu überall als solcher eingebracht werden.

      Bei der Formulierung der Fachkompetenz werden vorwiegend kleine Fakten erwähnt und keine bedeutenden Orientierungen kristallisiert. Folglich können Sie aber trotzdem aus den vermerkten Einzelheiten gut Konzentrationspunkte für Ihre Zukunft schlussfolgern. Die einzelnen Fachkompetenzen können Sie bedingungslos als Stärke ansehen. Sie sind daher die primären Treiber Ihrer Karriere. Wenn diese Stärken und Fachkompetenzen ausgebaut und kommuniziert werden können, ist die Chance vorhanden, den nächsten Schritt in der Karriereplanung anzugehen. Stärken und Fachkompetenzen müssen zuweilen abstrahiert und gelegentlich konkretisiert werden, da sie fast immer ungeheuer einseitig und pädagogisch dargestellt werden. Diese Pädagogik begründet sich in dem Versuch des Bewertenden, ein professionelles Feedback zu formulieren.

      Analyse der Schwächen

      Die Analyse der Schwächen identifiziert unmittelbar Lernfelder für die Zukunft. Die aufgeführten Punkte sind nicht nur unbeträchtliche Mängel Ihrer Kompetenz, sondern Schwächen, welche hervorstechen und folglich angegangen werden müssen. Dabei sollten Sie sich aber nicht einbilden, dass, wenn Sie diese Mängel beseitigt haben, keine neuen Mängel mehr genannt werden. Das Ergründen eines Fremdbildes ruft bei dem Beurteilenden unablässig das Gefühl hervor, etwas Negatives erwähnen zu müssen. Diesbezüglich sollten Sie auf keinen Fall versuchen, den Beurteilenden in kurzer Zeit vom Gegenteil seiner Aussage überzeugen zu wollen, denn dies erscheint unprofessionell und außerordentlich ehrgeizig. Taktvoller ist es, diesen Punkt behutsam anzugehen und, wenn Sie unbedingt Ihren Kritiker involvieren möchten, ihn in Ihre Pläne einzuweihen, wie Sie gedenken, diese artikulierten Schwächen abzubauen. Diese zweite Herangehensweise hüllt den Beurteilenden in den Stolz auf eine professionelle Bewertung und das Gefühl, effektiv geholfen zu haben. Nichtsdestoweniger sollten Sie, um Ihre konstante und starke individuelle Persönlichkeit nicht einzubüßen, die folgenden Schritte behutsam angehen:

      Beispielsweise können Sie Ihren Vorgesetzten um konkrete Aufgaben bitten, falls dieser einige Schwächen beleuchtet oder bemängelt hat: „Sie hatten notiert, dass ich noch nicht besonders selbstständig arbeite. Dies betrachte ich auch als massives