Andreas Haller

Golf von Neapel Reiseführer Michael Müller Verlag


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Hinsicht wich­tigste Sakralbau komplett in die Stadt­land­schaft integriert ist, macht er von außen eher wenig her. Ein be­schei­dener Vor­platz gibt nur wenig Raum für die Freitreppe zum Eingangs­portal. Innen sticht zu­nächst die Barock­aus­stat­tung ins Auge, die in Neapel natürlich standesgemäß-üp­pig ausfällt. Aus kunst­hi­sto­ri­scher und spiritueller Perspek­tive be­deu­ten­der sind die bei­den Sei­ten­ka­pellen, die hinsichtlich ih­rer Dimen­sionen Quer­schif­fen glei­chen. Linker Hand ge­langen Besucher in die Basilika Santa Restituta, die den Status einer eigenständigen Kirche im Domkomplex genießt. Tatsächlich han­delt es sich um den Rest des 324 n. Chr. von Kaiser Konstantin gegründeten Vor­gän­gerbaus. Noch heute befinden sich hier die Reliquien der hl. Restituta, die Urlau­ber aus Ischia mög­licherweise als In­sel­patronin wie­dererkennen (→ Link). Um 1300 fiel der rückwärtige Teil des alten Doms dem Neubau zum Opfer. Ein­tritts­pflichtig ist die von der Basilika zugängliche Tauf­kapelle San Giovanni in Fonte. Bemer­kenswert ist die acht­eckige Trommel­kuppel, die − wie die Mosaik­reste − auf orientalische Ein­flüs­se schließen lässt und aus dem 4. Jh. n. Chr. stammt.

      Auf der gegenüberliegenden Seite des Hauptschiffs befindet sich die Kapelle des hl. Januarius (Cappella del Tesoro di San Gennaro) mit der be­rühmten Phiole, die bei der jährlichen Blutwunder-Zeremonie ins Zentrum der Aufmerksamkeit rückt (→ Kasten). Die auch für neapolitanische Verhältnisse ungewöhnlich üppige Aus­stattung finanzierte das städtische Bürgertum nach dem glücklichen En­de einer Pestepidemie. Für die Kunst­werke verpflichtete man die damalige Crème de la Crème und scheute dabei keinerlei Kosten. Herausragend sind die Fresken aus dem 17. Jh. von Domenichino und Giovanni Lanfranco und der Hochaltar von Francesco So­li­mena.

      Übrigens: Wenn über Mittag der Dom geschlossen hat, ist die Kapelle wei­ter über die Domschatzkammer (→ unten) zugänglich.

      ♦ Dom: Mo−Sa 8.30−13.30 und 14.30−19.30, So 8−13 und 16.30−19.30 Uhr. Baptisterium: 9.30−12 und 16.30−19, So 8−12 Uhr. 1,50 €.

      Duomo San Gennaro: Blutwunder oder Scharlatanerie?

      San Gennaro, um 305 n. Chr. verstorbener Bischof und Märtyrer, ist gleich­zei­tig Patron der Kathedrale sowie Schutzheiliger der Stadt Neapel. Ra­tio­na­li­sten mokieren sich in schönster Re­gel­mä­ßig­keit über einen seltsamen Hy­pe, der zwei- bis dreimal im Jahr veranstaltet wird und sich um den Heiligen als Haupt­person dreht. Besser gesagt: um ein paar Phiolen mit einer rostrot-brau­nen Substanz. Die Neapolitaner glauben, dass die sorgsam in einer Sei­ten­kapelle des Doms verwahrten Ampullen das (ein­ge­trock­nete) Blut des hl. Ja­nuarius enthalten. Geht es der Stadt und den Be­wohnern gut, dann ver­flüs­sigt sich das Blut im Zuge eines Kirchenrituals, das alljährlich am ersten Mai­wochenende und am 19. September, dem Namenstag des Heiligen, statt­fin­det. Schwie­rig wird es dann, wenn das Wunder seine Schuldigkeit versagt und sich das Blut nicht verflüssigt. Jeder Neapolitaner weiß von Ka­ta­s­tro­phen zu berichten, bei denen dies geschah: Beim Erd­beben im Jahr 1980 star­ben über 2000 Menschen. Und wurde nicht 1988, inmitten der goldenen Jahre, der Fußballverein SSC Neapel nur Zweiter − hinter dem ungeliebten Ri­valen Inter Mailand? Andererseits ist bei Neapolitanern das Schicksalsjahr 1631 fest im Gedächtnis verankert, als lediglich die auratische Kraft − und das Blut − des Heiligen die große Pestkatastrophe als Fol­ge eines Ve­suv­aus­bruchs zu verhindern half. An das Ereignis ge­denkt u. a. die Guglia di San Gen­naro auf der Piazza Riario Sforza.

      Im Zeitalter der heraufziehenden Naturwissenschaften haben immer wieder Men­schen den Miracolo di San Gennaro als Schar­la­ta­ne­rie bezeichnet. Ein Che­miker verwies z. B. auf das Phänomen der Thixotropie, der zufolge feste Stof­fe bei der Berührung mit be­stimm­ten Substanzen ihre „Fließeigenschaft“ schla­gartig ver­ändern.

      Die Domschatzkammer birgt einige High­lights, u. a. das prächtige Juwelen­kollier des hl. Januarius (Collana di San Gennaro), das 1679 der Künstler Michele Dato fer­tigte. Ein Blickfang ist auch die Bischofsmütze aus dem Jahr 1713 (Mitra Gem­ma­ta), die mit 198 Sma­rag­den, 168 Rubinen sowie 3328 Dia­man­ten bestückt ist. Der Museums­rund­gang schließt auch den Besuch der Sa­kri­s­tei ein, außerdem ist die barocke Sei­tenkappelle des Doms mit der Blutphiole zugänglich.

      ♦ Mo−Fr 9−16.30, Sa/So bis 17.30 Uhr. 8 €. Via Duomo 149, www.museosangennaro.it.

      Schatzkammer des hl. Januarius: Blick in die prächtige Kuppel

      Zum versteckt hinter dem Dom ge­le­ge­nen Sakralkomplex gehören zwei Kir­chen: eine prächtig ausgestattete Kir­che im Stil des Barocks (Donnaregina Nuova) sowie dahinter das ältere Gottes­haus im gotischen Stil mit Wand­fresken, die zu den am besten er­hal­ten­en in der ganzen Region zählen (Donnaregina Vecchia).

      Die beiden Kirchen gehörten zu ei­nem frühmittelalterlichen Nonnen­klos­ter, das bei einem schweren Erdbeben 1293 zerstört und danach im gotischen Stil wieder aufgebaut wurde. Königin Maria d’Ungheria, Ehegattin Karls von Anjou, steuerte die finanziellen Mittel bei − ihr Grabmal zählt zu den künst­lerisch hochwertigsten Marmorwerken aus der gotischen Epoche und befindet sich im Hauptschiff an der rechten Seitenwand. Ebenfalls sehenswert sind die Fresken aus dem 14 Jh. in der Cappella Loffredo. Diese befindet sich schräg gegenüber in der Nähe des Ein­gangs zur Linken. Vom einstigen Kreuz­gang führt eine Treppe zur Chor­empore mit weiteren Fresken (ebenfalls 14. Jh.), die bei einem Brand des Dach­stuhls 1390 schwer beschädigt wurden. Dar­gestellt werden u. a. Szenen aus dem Jüngsten Gericht und aus der Passion Christi.

      Der barocke „Neubau“ des Kom­plex­es wurde 1617 begonnen und prä­sen­tiert sich heute im typischen Über­schwang neapolitanischen Barocks. Nam­h­afte Künstler wie Francesco Soli­mena oder Luca Giordano steuerten Wer­ke zur Ausstattung bei. Den schöns­ten Blick auf den Innenraum genießt man oben von den Emporen, die gleich­zeitig die wichtigen Kirchen­schätze prä­sen­tieren (Museo Diocesano).

      ♦ Tägl. außer Di 9.30−16.30, So bis 14 Uhr. 6 €. Lar­go Donnaregina, www.museodiocesanonapoli.it.

      Das große Museum für Gegen­warts­kunst befindet sich unweit des Doms am Alt­stadt­rand im Palazzo Donna Re­gina. Nach einer umfang­reichen Kern­sa­nierung prä­sentiert das Haus seit 2005 auf 8000 m2 Gemälde und Skulp­turen ausgewählter Kün­stler der Mo­der­ne. Besondere Schwerpunkte sind die Konzeptkunst, die Avant­gar­de und die Arte Povera − eine in den 1960er- und 1970er-Jahren in Nord­italien be­hei­ma­tete Kunst­richtung, die für In­stal­la­tionen be­vorzugt Alltags­mate­ria­lien ver­wendete. Der erste Sammlungs­be­reich widmet sich Künst­lern mit bio­gra­fi­schem Bezug zur Stadt Neapel. Vor­ge­stellt werden u. a. Arbei­ten von Mim­mo Pa­la­di­no, Anish Kapoor, Sol LeWitt, Rebecca Horn und Jeff Koons. Ein zwei­ter Samm­lungs­bereich stellt Wer­ke be­kan­nter Künstler seit den 1950er-Jah­ren vor, z. B. von Ger­hard Richter, Roy Lich­ten­stein und Andy War­hol. Angeschlos­sen sind ein Café, eine Mediathek sowie eine Kunst­buch­hand­lung.

      ♦ Tägl. außer Di 10−19.30, So bis 20 Uhr. 8 €, erm. 4 €. Via Settembrini 79, www.madrenapoli.it.