um uns im Hinblick auf unsere andauernde und unwiderlegbare Verletzlichkeit zu betäuben.
(Ich benutze den Begriff Verleugnung hier etwas anders als in der Drogen- und Alkohol-Rehabilitation-Szene. Dort bezeichnet Verleugnung oft einen beschämenden, tadelnswerten bewussten Prozess, den Drogenabhängige benutzen, um die eklatant zerstörerischen Auswirkungen ihrer Sucht zu ignorieren.)
Verleugnung ist ein psychischer Überlebensmechanismus, der unbewusst und automatisch bei kontinuierlich misshandelten und vernachlässigten Kindern auftritt. Kinder müssen mindestens einen Elternteil idealisieren, um ihre Lebensfreude zu bewahren. Verleugnung erlaubt es ihnen, die Illusion aufrechtzuerhalten, geliebt zu werden, egal wie unwahr das ist. Dieses Bedürfnis ist so groß, dass sie automatisch jede Art von elterlicher Missachtung, Ungerechtigkeit und Feindseligkeit aus ihrem Bewusstsein verbannen – besonders bei dem idealisierten Elternteil.
Verleugnung schützt misshandelte Kinder vor der überwältigenden, unverdaulichen Realität, dass ihre Eltern nicht ihre Verbündeten sind. Aus diesem Grund stellt der Trauerexperte Stephen Levine folgende Frage:
Wie oft ging es uns wie dem geschlagenen Kind auf der Titelseite der Los Angeles Times, das sanft von der mitfühlenden Oberschwester aus dem Zimmer getragen wird, seine Arme ausstreckt und »Mama, Mama« nach der Frau ruft, die zwischen den Polizisten auf der anderen Seite des Raumes in Gewahrsam ist, weil sie das Fleisch des Kindes verbrannt und seine Knochen gebrochen hat?
Viele von uns haben sich darauf verlassen, durch Verleugnung ihre geistige Gesundheit und manchmal auch ihr Leben in der Kindheit zu retten. Wir waren zu zerbrechlich und abhängig, um den überwältigenden Schmerz und die Enttäuschung zu zuzulassen, die wir durch unsere Eltern erlebten. Bei vielen von uns gab es täglich grobe Ungerechtigkeiten, fortlaufend, endlos und ohne Aussicht, dass sie hinterfragt oder aufhören würden. Ohne absehbare Erleichterung und ohne jemanden, an den wir uns um Schutz wenden konnten, hatten wir keine andere Wahl, als gefühllos zu werden.
Verleugnung ist für einige Kinder wirklich eine Frage von Leben und Tod. Diejenigen, die sich nicht betäuben und ihre Wahrnehmung der andauernden elterlichen Bösartigkeit nicht ignorieren können, sind anfällig für psychische Erkrankungen, frühen Drogenmissbrauch und Selbstmord. Manche neigen zu tödlichen »Unfällen«, und manche entwickeln einen Todeswunsch, der ihre Fähigkeit, Krankheiten zu bekämpfen, zerstört. (Einige Kinder können natürlich aus anderen Gründen als einer dysfunktionalen Elternschaft tragisch sterben.)
Überlebende, die noch immer die Dysfunktionalität ihrer Familie verleugnen, sollten nicht beschuldigt oder beschämt werden. Die Scheuklappen der Verleugnung waren viele Jahre lang notwendig. Viele von uns haben sich an sie gewöhnt, und ich kenne zahlreiche Überlebende von brutalen Misshandlungen, die ehrlich glauben, dass ihre Eltern sich gut um sie gekümmert hätten. Wie viel schwerer ist es dann für diejenigen, die »nur« unter emotionaler Vernachlässigung gelitten haben, zu begreifen, welche massiven Entbehrungen sie erlitten haben!
Es ist oft noch schwieriger, Verleugnung aufzulösen, als sie zu erkennen. Wir zögern verständlicherweise, uns den hinter unserer Verleugnung verborgenen Schmerz anzuschauen, weil wir dafür gedemütigt wurden, wenn wir unseren Schmerz in der Kindheit gezeigt haben. Wie können wir glauben, dass wir unsere schmerzlichen Gefühle jetzt auf sichere Weise ausdrücken können, wenn wir überall um uns herum, im realen Leben und im Fernsehen, erleben, wie andere lächerlich gemacht werden, wenn sie Gefühle zeigen?
Allzu viele von uns sind durch Variationen der Drohung »Hör auf zu weinen oder du kriegst gleich was, worüber du wirklich weinen kannst« verletzt worden. Die Tatsache, dass viele von uns diese missbräuchliche Redeweise nachahmen, als wäre sie eine amüsante Floskel, unterstreicht unsere tiefgreifende Verleugnung.
Wenn wir die Verleugnung nicht infrage stellen, bleiben wir wie hypnotisiert in alten Schmerzen gefangen, blind und gleichgültig gegenüber den Wunden und Verlusten unserer Kindheit. Fasziniert von der überholten Illusion, dass wir eine glückliche Kindheit hatten, leben wir unser Leben halbherzig in einem emotional betäubten Zustand. So beschreibt es auch der angesehene Kinderpsychologe Bruno Bettelheim:
Viele Kindheitserfahrungen sind zwangsläufig während des Entwicklungsprozesses der erwachsenen Persönlichkeit tief im Unbewussten vergraben worden. Diese Trennung oder Distanzierung von der Kindheit ist nicht mehr notwendig, wenn sich die erwachsene Persönlichkeit vollständig und sicher gebildet hat, aber bis dahin ist die Distanzierung für die meisten Menschen ein Teil ihrer Persönlichkeit geworden. Die Trennung von der Kindheit ist vorübergehend notwendig, aber wenn sie dauerhaft aufrechterhalten wird, beraubt sie uns innerer Erfahrungen, die, wenn sie uns wiedergegeben werden, uns im Geist jung halten und auch eine größere Nähe zu unseren Kindern ermöglichen können.
Glücklicherweise benötigen wir den Dienst der Verleugnung nicht mehr. Wir sind nicht mehr von unseren Eltern abhängig. Sie können uns nicht dafür bestrafen, dass wir unsere schmerzlichen Gefühle in Bezug auf die Vergangenheit anerkennen und zum Ausdruck bringen.
Es ist an der Zeit, unsere Verleugnung infrage zu stellen. Es ist an der Zeit, die kognitive Zwangsjacke der falschen Vergebung zu entfernen, die unseren emotionalen Kreislauf einschränkt. Wir müssen trauern, um uns aus dem Gefühlssumpf von Angst und Depression zu befreien, der von unserem ungelösten, unbewussten Schmerz herrührt.
Die Freiheit, die Segel in den wunderbaren Ozean des unbelasteten Erwachsenseins zu setzen, gehört uns, wenn wir uns voll und ganz an das Leid erinnern, das unsere Eltern uns zugefügt haben, es betrauern und verarbeiten. Vielleicht können wir uns von der renommierten Psychoanalytikerin Alice Miller inspirieren lassen:
Es ist jedes Mal wie ein Wunder, wenn man erlebt, wie viel Individualität hinter einer solchen Verleugnung und Selbstentfremdung überlebt hat und wieder auftauchen kann, wenn die Arbeit der Trauer die Freiheit bringt …
Verleugnung verschleiert Selbstschädigung
Was immer dem bewussten Zugang verweigert wird, beeinflusst das Individuum ohnehin weiter – aber über unbewusste Prozesse.
— Carl Jung
Die Erfahrung hat uns gelehrt, dass wir in unserem Kampf gegen psychische Erkrankungen nur eine einzige beständige Waffe haben: die emotionale Entdeckung und emotionale Akzeptanz der Wahrheit über die individuelle und einzigartige Geschichte unserer Kindheit.
— Alice Miller
Wenn wir nicht aus der Verleugnung erwachen, werden wir vielleicht nie erkennen, dass wir uns oft genauso hart behandeln, wie es unsere Eltern getan haben. Kinder lernen durch Nachahmung, und erwachsene Kinder aus dysfunktionalen Familien erfahren viel unnötiges Leid durch erlernte Selbstmisshandlung und Vernachlässigung.
Anfang dieses Monats habe ich mich zum x-ten Mal bei einer erlernten Selbstschädigung ertappt. Es war ein Samstagnachmittag, ich war sehr entspannt bei der Vorbereitung des Essens und hörte meine Lieblingsmusik. Ich genoss die Gerüche und Texturen der Gewürze und Kräuter, die ich gerade zerschnitten und gemahlen hatte, und begann damit, das Fett von einem kleinen Stück Steak abzuschneiden.
Plötzlich merkte ich, dass sich mein gemütliches Tempo stark beschleunigte. Entsetzt wurde mir bewusst, dass ich durch die Küche hetzte wie ein Koch, der vielleicht gefeuert würde, wenn er mit dem Abendessen des Chefs zu spät käme.
Zum Glück hatte ich durch meine Genesungsarbeit genug gelernt, um innezuhalten, mich innerlich zu konzentrieren und zu begreifen, was vor sich ging. Ich merkte sofort, dass ich mich sehr ängstlich, ungeduldig und gereizt fühlte und dass sich mein Magen zu einem riesigen Knoten zusammengezogen hatte. Die Musik war fast unhörbar in den Hintergrund getreten, mein Appetit war verschwunden und ich konnte es kaum erwarten, mein Essen fertig zu kochen. Auf einmal schien eine Liste unwichtiger Aufgaben wie ein »trotziges« Kleinkind nach meiner unmittelbaren Aufmerksamkeit zu schreien.
Als ich mich weiter auf mein inneres Erleben einließ, bemerkte ich, dass das Selbstgespräch in meinem Inneren entsetzlich feindselig war. Plötzlich dämmerte es mir, dass der Akt des Fettabschneidens bei mir einen