unsere Verletzungen und Frustrationen durch Gespräche zu lösen. Mitgefühl verleiht der Intimität in einer Weise Tiefe und Lebendigkeit wie nichts anderes.
Unser Bedürfnis nach Liebe und Unterstützung durch uns selbst und andere ist am größten, wenn wir mit unseren Schmerzen und Einschränkungen kämpfen. Wie traurig und unnötig, dass sich viele von uns immer noch in der Isolation ihrer Zimmer verstecken, wenn sie verletzt sind – so ohne Liebe und unbeachtet wie in unserer Ursprungsfamilie. Wenn wir das tun, ist es, als ob unsere Eltern wieder einmal unser Selbstwertgefühl zerfetzen, indem sie uns aus ihrer Gegenwart verbannen, bis wir »diesen Ausdruck aus unserem Gesicht entfernt haben«.
Alle Babys werden mit der Fähigkeit zum Selbstvertrauen geboren. Das Selbstvertrauen wächst und entfaltet sich im Laufe ihres Lebens, sofern ihre Ausdrucksfähigkeit willkommen ist. Ich habe das immer wieder in nichtindus-trialisierten Ländern beobachtet. Das Reden der Kinder wird in diesen Kulturen in der Regel begrüßt, und sie reifen normalerweise zu Erwachsenen heran, die selbstbewusst, warmherzig, emotional ganzheitlich sind – und in der Lage, ihre Persönlichkeit auszudrücken. Das Selbstwertgefühl der durchschnittlichen Mitglieder dieser Kulturen ist erheblich größer als das in unserer Kultur.
Solange wir nicht lernen, uns in weniger perfekten Zeiten selbst zu lieben, ist unsere Liebe zu anderen oberflächlich und sehr bedingt. Umstände, die wir bei uns selbst hassen, sind bei anderen schwer zu akzeptieren.
Der Perfektionismus entfremdet uns weiter von anderen, indem er uns entweder offen selbstkritisch oder auffallend wortkarg in Bezug auf unsere Probleme werden lässt. Beide Verhaltensweisen signalisieren eine implizite Warnung an andere, dass sie mit dem, was sie uns offenbaren, vorsichtig sein sollten.
Und selbst wenn wir (uns selbst oder anderen gegenüber) vorgeben, dass wir nicht bewertend sind, fühlen wir uns in Gesellschaft mit anderen aufgrund unserer unverändert perfektionistischen Maßstäbe in der Regel distanziert, zurückhaltend und unsicher. Der Perfektionismus verursacht bei uns endlose schmerzhafte Hirngespinste, dass andere uns ebenso unzulänglich finden wie wir uns selbst, und beraubt uns des unersetzlichen Vergnügens, in Gesellschaft ganz wir selbst zu sein.
Der Perfektionismus hindert uns auch daran, die Liebe von anderen zuzulassen, unabhängig davon, wie groß und authentisch sie ist. Wenn wir mit unseren Mängeln beschäftigt sind, nehmen wir die Zuwendung oft nicht wahr, die uns andere anbieten. Wie tragisch, dass so viele von uns davon überzeugt sind, dass uns nur dann Liebe zusteht, wenn wir glücklich sind oder überragende Leistungen erbringen. Vielleicht kann uns dieser Vers der Dichterin Mary Oliver ermutigen, unserem Perfektionismus abzuschwören.
Du musst nicht gut sein.
Du musst nicht auf den Knien
hundert Meilen durch die Wüste rutschen und Buße tun.
Du musst nur das zarte Lebewesen deines Körpers
lieben lassen, was es liebt …
Lassen Sie diese Liebe Ihr Selbst erfüllen. Selbstliebe ist ein natürlicher, gesunder menschlicher Zustand, der nicht zur Überkompensation des Egoismus verkommen muss.
Lassen Sie uns die Selbstablehnung gegen die Ablehnung des Perfektionismus austauschen, der uns aufgezwungen wurde, als wir zu jung waren, um ihn abzuwehren. Niemand kann die ganze Zeit glücklich und auf seinem Höhepunkt sein. Alle guten Dinge kommen und gehen. Veränderung ist das einzig Absolute im Leben, wie der mystische Dichter Ghalib wusste:
Der Weg der Veränderung liegt immer vor dir:
die einzige Spur, die die verstreuten Teile dieser Welt zusammenhält.
So verlockend und unwiderlegbar die Philosophie »Sei alles, was du sein kannst« beim ersten Hören auch klingen mag, sie ist doch lästig, wenn »alles« nur das Beste und das meiste bedeutet. »Sei alles, was du sein kannst« ist eine heimtückische Falle, die uns im Workaholismus und gnadenlosen Perfektionismus gefangen hält. Der Psychoanalytiker Theodore Rubin führt dies näher aus:
Wir müssen uns mit aller Kraft vor der Notwendigkeit von »Höchstleistungen« hüten und vorsichtig sein mit Erfolg, der nur um seiner selbst willen geschieht. Die Sucht nach Erfolg führt unweigerlich zu tiefem Selbsthass und zu Depressionen. Wie jede Sucht wird der Erfolg allzu oft zu einer inneren Forderung an das Selbst und stellt die Frage, »was man in letzter Zeit dafür getan hat«, da jeder Erfolg zum Zwang zu noch mehr Erfolgen wird.
Mann und Frau wurden nicht geschaffen, um die ultimative Maschine zu werden. Wir sind es uns selbst schuldig, dem Druck zu widerstehen, superproduktive, wartungsfreie Androide zu werden. Es gibt viele lohnende Leistungsebenen, die weniger sind als »sei alles, was du sein kannst«. Eine der erhabensten ist der herrliche, unauffällige, entspannte Zustand des einfachen Seins. Vielleicht hilft uns die folgende Textstelle, »einfach Nein zu sagen« zur Droge der unnötigen Hektik:
Jeder Tag ist voll von Gelegenheiten, mir selbst etwas zu geben. Jedes bisschen Zeit, das »verschwendet« wird, ist eine Chance, die Hegemonie der Produktivität, das Kernstück der Moderne, abzuschütteln. Jedes Projekt, das zu lange dauert, jede Aufgabe, die mehr Aufwand erfordert als geplant, jede Arbeit, die durch Fehler verlangsamt wird, ist eine wundersame Gelegenheit, Geduld und Selbstvergebung zu üben.
Es gibt nicht den perfekten Menschen
Gut angepasst zu sein, heißt mittlerweile, unberührt zu sein.
— Theodore Rubin
Wenn Sie nie Angst haben, sich nie schämen oder verletzt werden, bedeutet das, dass Sie nie ein Risiko eingehen.
— Julia Soul
Wahre Freunde sind diejenigen, die, wenn du dich einmal zum Narren gemacht hast, nicht davon ausgehen, dass es eine Dauerbeschäftigung wird.
— Erwin T. Randall
Perfektionismus führt häufig zu einer endlosen, fruchtlosen Suche nach dem perfekten Selbst. Sie tritt oft mit aller Kraft in den frühen Phasen einer Liebesbeziehung auf. Überlebende, die dem Perfektionismus nicht abgeschworen haben, sehen ihre Ausdrucksfähigkeit besonders kritisch, wenn sie sich zum ersten Mal verlieben. Sie bemühen sich, gegenseitig makellose Bilder ihrer selbst zu projizieren, aus Angst, dass alles andere wieder dazu führen könnte, verlassen zu werden. »Einen guten Eindruck zu hinterlassen« bedeutet oft, viele wichtige Teile von sich selbst zu verstecken.
Selbstzensur ist eine anstrengende Aufgabe. Früher oder später tauchen aus dem romantischen Dunstschleier Fehler auf. Wenn dies zwei Menschen geschieht, die über einen langen Zeitraum nur die makellosen Masken des anderen gesehen haben, kann die Desillusionierung verheerend sein. Falsche Liebe, die auf Trugbildern der Perfektion beruht, löst sich oft plötzlich und auf drastische Weise auf. Wenn dies zu oft geschieht, kann es sein, dass wir die Liebe ganz aufgeben.
Manche Überlebende sind so vom Perfektionismus gelähmt, dass sie überhaupt nicht nach Liebe suchen. Weil sie beim Blick in den Spiegel nicht die »idealen« Züge eines Schauspielers oder Models sehen, sind sie sicher, dass sie abgelehnt werden, wenn sie sich jemandem nähern, zu dem sie sich hingezogen fühlen.
Den größten Teil meiner Jugendzeit versetzte mich der Gedanke, mit den Mädchen in meiner Schule in Kontakt zu treten, in Panik. Immer wenn ich sah, dass ein Mädchen aus meiner Klasse in einer gewissen Entfernung auf mich zukam, drehte ich mich schnell um und lief in die andere Richtung, um ihm nicht zu begegnen, denn ich war sicher, dass es erniedrigend sein würde. Mein Selbstwertgefühl und mein Selbstausdruck waren in meiner Familie so vernichtet worden, dass ich »wusste«, dass ich mich nur noch lächerlich machen würde. Unbewusst befürchtete ich, dass alles, was ich sagen könnte, um sie für mich einzunehmen oder sie zu beeindrucken, mit derselben Art von Sarkasmus beantwortet werden würde, wie ich es zu Hause erfahren hatte. Es war, als ob mein Unterbewusstsein das Lied »Nur Dummköpfe verlieben sich« in »Nur Dummköpfe öffnen den Mund« umformulieren würde.
Es war ein besonderer, gnadenreicher Tag, als ich mich mit Ende zwanzig endlich meiner Trauer öffnete und entdeckte, dass sich mein