Patricia Vandenberg

Dr. Norden Bestseller Staffel 20 – Arztroman


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      »Damit könnten Sie aber gut verdienen, Joana«, sagte Viola. »Das ist doch was Besonderes.«

      »Solche Mützen hat schon meine Mutter gestrickt, aber viel hat sie damit nicht verdient. Wenn sie den Kindern gefallen, mache ich ihnen auch Jacken dazu.«

      Viola schüttelte leicht den Kopf. »Wann denn, Joana? Sie werden hier genug zu tun bekommen und brauchen dann auch Ruhe.«

      »Die Winterabende sind ja so lang, und hier ist es so warm und gemütlich.«

      So viel Bescheidenheit gibt es also doch noch, dachte Viola.

      Sie schenkte Joana ein weiches Lächeln.

      Später konnte sich Joana über die Begeisterung der Kinder freuen, als sich die beiden die Mützen gleich aufsetzten.

      »Sind die schön!«, rief Sandra aus.

      »Und so weich und mollig«, schloss Benny sich gleich an.

      Sie ist so hübsch und so geschickt, dachte Hilde, und noch so wundervoll jung. Ja, da kann man sich noch ein neues Leben aufbauen. Aber plötzlich wurde ihr bewusst, dass sie doch auch schon dabei war, noch einmal ein neues Leben anzufangen, und dass sie früher auch so gern Handarbeiten gemacht hatte. Für Paul hatte sie auch noch gehäkelt und gestrickt. Würde sie je darüber hinwegkommen, dass der Junge sich so ganz anders entwickelt hatte, als sie hoffte? Nun ja, eigensinnig war er immer gewesen, aber das waren andere Kinder im Entwicklungsalter auch, ohne auf die schiefe Bahn zu geraten.

      Benny kam zu ihr. »Warum bist du so traurig, Hilde?«, fragte er. »Weil du nicht solche Mützen stricken kannst, vielleicht? Dafür kannst du aber gut kochen und backen.«

      Sie strich ihm durch das Haar. »Ihr seid lieb«, sagte sie leise.

      »Kriegen wir nun endlich Kuchen?«, rief Sandra.

      *

      Ja, es war ein guter Anfang für beide geworden, und am nächsten Morgen stürzte sich Joana gleich voll in die Arbeit.

      Herta Töpfer lächelte zufrieden, als sie mittags zu Viola ins Atelier kam.

      »Ich habe ja gesagt, dass sie alles mitbringt«, erklärte sie. »Das flutscht nur so, da braucht man nicht viel zu reden.«

      Viola blickte auf. »Sie sind zufrieden, ich bin zufrieden, was wollen wir noch mehr? Man kann ja auch mal Glück haben.«

      Und für mich ist das vielleicht das Zuckerl, das mir der liebe Gott geschenkt hat, damit es nicht gar so hart wird, wenn Thomas für immer geht, dachte sie weiter. Aber warum hat er nicht den Mut, die Konsequenzen zu ziehen?

      Wo ist er denn überhaupt? Ist er vielleicht krank und kann deshalb nicht schreiben?

      Sie stützte den Kopf in die Hand. Jetzt fehlt es noch, dass ich mir Sorgen um ihn mache, dachte sie.

      Zehn Jahre, wir kennen uns doch bereits zehn Jahre, dachte sie weiter. Und das angebliche verflixte siebte Jahr der Ehe haben wir doch schon hinter uns. Ach was, das ist alles hausgemacht. So ein dummes Gerede, das man sich zu eigen macht, und so manchmal schafft man sich dann selbst die Probleme, weil es eben zum siebten Jahr dazugehören soll. Ich habe da doch überhaupt noch nicht gedacht, dass es mit uns mal schiefgehen könnte.

      Aber so, wie es in den letzten Monaten war, das war doch schon keine Ehe mehr. Ob es bei Männern auch eine Midlife-Krise gab? Thomas wurde nächstes Jahr vierzig, und er hatte sich zum Ziel gesetzt, da ganz oben zu sein. Ja, das hatte er früher manchmal gesagt. Wie hatte er es doch gesagt?

      »Wenn man es bis dahin nicht geschafft hat, schafft man es nie, und dann wird man auch nicht mehr akzeptiert und schon bald zum alten Eisen geworfen.« Und gepasst hatte es ihm schon gar nicht, dass sie die Firma gegründet hatte. Hatte sie ihn dadurch erst recht von sich weggetrieben?

      Als die Tür aufgestoßen wurde, schrak sie empor. Benny stand da.

      »Das Essen ist längst fertig, Mami. Kommt ihr jetzt endlich? Wenn du nicht kommst, kommt Joana auch nicht. Alle machen schon Mittagspause, nur ihr arbeitet noch.«

      »Ich habe vergessen, wie spät es ist«, erwiderte Viola.

      »Deine Uhr geht aber richtig«, sagte Benny.

      *

      Herbststürme brausten durch das Land. Schnee und Regen und die Temperaturen wechselten von einem Tag zum anderen, und die Ärzte bekamen noch mehr zu tun. Da kamen nicht nur die Erkältungen, auch die Kreislaufstörungen machten sich mehr und mehr bemerkbar. Freilich konnte man viel auf das Wetter schieben, aber so mancher hatte auch vergessen, andere Anzeichen, die eine Warnung sein sollten, zu beachten.

      Fee bekam ihren Mann tagsüber auch selten zu Gesicht, und manchmal war er abends so müde, dass er buchstäblich ins Bett fiel und im Handumdrehen einschlief.

      Aber sie brauchte sich keine bangen Fragen zu stellen, wie Viola. Sie hörte immer wieder die paar Worte von ihm: »Endlich wieder zu Hause, wie gut das ist, Fee!«

      Solche Worte hatte Viola von Thomas nie gehört. War er wirklich mal daheim gewesen, umkreisten seine Gedanken schon neue Pläne. Ja, es war seine Rastlosigkeit gewesen, die Viola schließlich veranlasste, ihm und sich selbst zu beweisen, dass man auch mit Besonnenheit erfolgreich werden konnte.

      Vergebens wartete sie jedoch auch die nächste Woche auf eine Nachricht von ihm, und es gelang ihr, sich ganz auf die Arbeit zum einen und auf die Stunden mit den Kindern zum anderen zu konzentrieren. Aber dann kam das Telegramm, das sie in fieberhafte Unruhe stürzte.

      Eintreffe 25.11. 13 Uhr München. Alles mündlich. Thomas.

      Viola hatte solche Telegramme schon öfter bekommen, nachdem sie länger nichts von ihm gehört hatte, aber so lange wie diesmal hatte das Schweigen nicht gedauert, denn in der Vergangenheit waren zwischenzeitlich doch Briefe, wenn auch kurze, eingetroffen.

      Den Kindern sagte sie nichts von dem Telegramm. Sie war entschlossen, pünktlich am Flughafen zu sein, um ihn dort zu empfangen, und auch gleich an Ort und Stelle alles zu klären. Sie wollte ihn anhören, aber die Kinder sollten davon nichts mitbekommen. Sie fragten jetzt nicht mehr, ob der Papi Weihnachten heimkommen würde. Seit Hilde und Joana im Haus waren, hatte sich manches verändert und nur zum Guten, wie Viola feststellen konnte. Und nun herrschte schon die Vorfreude auf das Weihnachtsfest, verbunden mit all den kleinen Heimlichkeiten. So aufregend schön waren die Tage für Benny und Sandra ja noch nie gewesen.

      Da buk Hilde Plätzchen, und sie durften dabei helfen, da wurde mit Joana gebastelt, und die Mami sollte überrascht werden, und Hilde erinnerte sich gar all der alten Gedichte, die sie einmal als Kind gelernt hatte. Jetzt lernten Benny und Sandra eifrig.

      Für Viola war Joana eine echte Entlastung, denn die Aufträge überfluteten sie förmlich. Allen Nachbestellungen konnten sie nicht mehr gerecht werden, aber Joana saß manchmal bis in die Nacht hinein selbst an der Maschine und ließ sich davon auch nicht abbringen.

      »Zu Hause bei uns war es auch so«, sagte sie, wenn Viola sie ermahnte, endlich Schluss zu machen. »Sie sind so gut zu mir, ich bin dankbar, und wie soll ich es sonst beweisen?«

      »Möchten Sie nicht mal ausgehen, Joana, wenigstens am Wochenende?«, fragte Viola.

      »Da kann ich doch mit den Kindern spielen«, erwiderte Joana. »Ich habe hier viel Freude. Alle sind nett zu mir. Sie wissen doch, warum ich nach Deutschland kam. Da war ich voller Illusionen, aber hier bin ich glücklich.«

      Wunschlos glücklich? Konnte man das mit fünfundzwanzig jungen Lebensjahren sein?

      »Darf ich Sie etwas fragen, Joana?«

      »Alles.«

      »Haben Sie jenen Mann sehr lieb gehabt?«

      Joanas Blick schweifte in die Ferne. »Er kam aus einer anderen Welt, von der man uns viel erzählte, und er konnte sehr gut reden. Ich hatte einen solchen Mann nie kennen gelernt. Es war neu und auch aufregend, aber ich ahnte ja nicht, was er mit mir vorhatte. Ich dachte tatsächlich, dass er mich liebt, aber er wollte