arbeiten. Er hat ihr dann große Schwierigkeiten bereitet, und deshalb hat sie auch die Stellung aufgegeben. Allerdings hat sie auch eine abschreckende Reaktion bei Angriffen auf ihr Intimleben. Sie bekommt am ganzen Körper einen Ausschlag, der sie für Nacktfotos auch nicht gerade attraktiv machen würde.«
»Eine gute Waffe«, stellte Fee fest.
»Ja, das meint sie auch, aber sie hat dabei einen höllischen Juckreiz und ihr sonst liebliches Gesicht sieht aus wie eine überreife Erdbeere.«
»Und gegen solche Allergie kann man überhaupt nichts machen«, sagte Fee.
»Du sagst es. Sie ist psychisch bedingt und in ihrem Fall tatsächlich eine Abwehrreaktion.«
»Ist das akute Stadium vorbei?«, fragte Fee.
»Ja, zumindest im Gesicht nicht mehr bemerkbar. Aber sie ist wirklich ein interessanter Fall. Sie reagiert nämlich nicht nur allergisch auf zudringliche Männer, sondern auch auf eine bestimmte Kategorie Frauen, wie sie mir erklärt. Aber sie ist intelligent und aufrichtig.«
»Primitive Menschen sind nicht allergisch«, sagte Fee. »Sie haben ein dickes Fell. Diese Joana interessiert mich auch. Wird sie sich bei Viola bewerben?«
»Ja, sie hat schon angerufen und teilte mir vorhin mit, dass sie heute Nachmittag dort persönlich vorstellig werden wird.«
»Diesmal hast du aber ganz schnell geschaltet, Daniel.«
»Man musste ihr ein bisschen Selbstvertrauen einflößen, wie auch unserer Frau Weber.«
»Viola wird staunen«, lächelte Fee.
*
Dazu war Viola jedoch viel zu deprimiert. Und in diesem Zustand völliger innerer Leere, war sie für jede Abwechslung dankbar, die ihr von Nutzen sein konnte.
Als dann Joana Branko pünktlich um vier Uhr erschien, löste sich in Viola die lähmende Beklemmung.
Große dunkle Augen blickten sie bittend an. Blauschwarzes Haar, zur Pagenfrisur geschnitten, gab dem herzförmigen Gesicht einen aparten Reiz.
»Ich bin Ihnen sehr dankbar, gnädige Frau, dass Sie mich empfangen«, sagte Joana leise. »Dr. Norden meinte, dass Sie möglicherweise noch Personal einstellen.«
»Sie sind mit den Nordens bekannt?«, fragte Viola.
»Ich war als Patientin bei Dr. Norden.«
Das Telefon läutete. »Entschuldigen Sie mich bitte einen Augenblick«, sagte Viola. »Ich habe zurzeit keine Hausangestellte.«
Es war Fee, die Viola doch noch schnell einen Hinweis bezüglich Joana geben wollte.
»Sie ist schon hier, Fee«, sagte Viola. »Danke für den Hinweis. Der erste Eindruck ist sehr gut. – Kommt ihr morgen bestimmt? Ich brauche einen Rat. Ich bin völlig down, Fee.«
»Ist was mit deinem Mann?«, fragte Fee.
»Es hängt mit ihm zusammen. Ich erzähle es dir morgen.«
Sie kehrte zu Joana zurück. Diese stand am Fenster. »Schön ist es hier, und so friedlich«, sagte sie gedankenverloren. »Ich bin auf dem Land aufgewachsen. Das Getriebe der Großstadt verursacht mir Beklemmungen.«
»Sie suchen deshalb einen neuen Wirkungskreis?«, fragte Viola.
»Nicht nur deshalb. Ich bin erst vor einem Jahr aus Rumänien gekommen. Ich habe nicht geahnt, dass diese Welt so verwirrend ist.«
»Sie haben Heimweh?«, fragte Viola sanft und nun ganz auf dieses zarte Geschöpf konzentriert.
»Nein, ich möchte nie mehr zurück. Aber ich möchte ganz frei sein und mein Leben nicht von anderen bestimmen lassen, was ich nicht gutheißen kann. Ich kann arbeiten, gnädige Frau, und ich möchte mir mein Geld immer ehrlich verdienen.«
»Sie sind gelernte Schneiderin?«
»Ja, ich kann aber auch stricken, sticken, häkeln und alles was dazugehört. Ich bin bereits neun Jahre im Beruf.«
»Darf ich fragen, wie alt Sie sind?«, fragte Viola staunend, denn sie hatte Joana auf höchstens zwanzig geschätzt.
»Fünfundzwanzig«, erwiderte Joana. »Ich wäre gern Modezeichnerin oder Designerin geworden, aber da hatte ich bei uns keine Chance. Meine Vorfahren sind Volksdeutsche. Ich weiß nicht, ob Ihnen das ein Begriff ist.«
»O ja«, erwiderte Viola. »Ich mache uns jetzt einen guten Kaffee, und dann erzählen Sie mir mehr von sich. Einverstanden? Wir sollten uns gleich ein bisschen kennen lernen, wenn wir schon zusammenarbeiten.«
Joanas Augen wurden ganz weit. »Sie würden mich nehmen?«, fragte sie bebend.
»Aber sicher, wenn Sie einverstanden sind mit den Bedingungen.«
»Ich bin mit allem einverstanden.«
*
Nach einer Stunde kannte Viola Joanas Lebenslauf. Ihr Vater war Schneidermeister, und in seiner Werkstatt hatte sie schon früh gelernt, Knöpfe sorgfältig anzunähen und Schnittmuster abzuzeichnen. Joana sprach liebevoll von ihren Eltern, ihrem Zuhause.
»Wenn sie nicht so früh gestorben wären, hätte ich sie nie verlassen«, sagte sie, »aber plötzlich war ich so allein, und dann lernte ich diesen Mann kennen.«
Auch das, was sie bereits Dr. Norden anvertraut hatte, erzählte sie. Und dann kamen ihr die Tränen.
»Ich weiß, wie das ist, wenn man sich plötzlich so gedemütigt vorkommt, Joana«, sagte Viola. »Ich denke, dass wir uns sehr gut verstehen werden. Sie können bei mir wohnen.« Ganz spontan sagte sie das, und Joana blickte sie an, als sei sie das Christkind persönlich.
»Sie sind sehr gütig, gnädige Frau«, flüsterte sie.
»Ich heiße Anderten, Joana.« Viola erhob sich. »Jetzt werde ich meine Kinder rufen, damit Sie die beiden gleich kennen lernen.«
Es war Viola auch wichtig, was die Kinder sagen würden. Schüchtern waren sie ja nicht, und Joana wurde eingehend gemustert.
»Ihr habt doch nichts dagegen, wenn Joana bei uns wohnt?«, fragte Viola.
»Mag sie Kinder?«, fragte Benny.
»Ich habe Kinder sehr gern«, erwiderte Joana.
»Hast du keine?«, fragte Sandra.
»Sie ist doch noch ein Mädchen«, warf Benny ein.
»Kannst du gleich bei uns wohnen?«, fragte Sandra.
Viola bereitete dem Fragespiel ein Ende. »Joana muss noch ihre Sachen holen. Aber mir wäre es recht, wenn sie bald zu uns kommt.«
»An mir soll es nicht liegen«, sagte Joana. »Ich kann am Montag anfangen.« Sie sah jetzt aus wie ein glückliches Kind.
»Dann kommen Sie am Sonntag«, sagte Viola spontan. »Morgen bekomme ich eine neue Haushälterin, dann können wir uns alle gleich ein bisschen aneinander gewöhnen.«
Sie begleitete Joana zur Tür. »Brauchen Sie einen Vorschuss?«, fragte sie.
»O nein, ich habe ganz gut verdient«, erwiderte Joana verlegen.
»Und darüber haben wir noch gar nicht gesprochen«, fiel es Viola jetzt siedendheiß ein.
»Es ist auch gar nicht wichtig. Sie sind eine so wundervolle Frau«, flüsterte Joana. »Mir genügt es, wenn ich nicht mehr zu frieren brauche.«
Und das war nicht auf die winterliche Kälte gemünzt, die jetzt spürbar wurde. Viola hatte es sofort begriffen. Da kam ein Menschenkind, das jene Wärme brauchte, die nur Verständnis und Liebe geben konnte. Ihr selbst wurde es jetzt auch wieder warm ums Herz. Ja, sie hatte auch gefroren, obgleich sie in einem warmen Haus saß und keine finanziellen Sorgen zu haben brauchte.
Wenn Thomas sein Herz an solches Mädchen verloren hätte, könnte ich ihn noch verstehen, dachte sie dann, aber diese