Fee«, sagte Viola. »Du bist ein Schatz, ein ganz großer Schatz.«
*
Viola war erleichtert und widmete sich den Kindern. »Und wann essen wir?«, fragte Benny, der hungrig war.
»Du liebe Güte«, rief Viola aus, denn sie hatte nicht gedacht, ein Essen zuzubereiten. »Wisst ihr was, wir gehen zur Feier des Tages ganz groß essen.«
»Was für eine Feier?«, fragte Sandra.
»Wir bekommen eine ganz liebe Haushälterin. Sie kommt schon morgen.«
Die Kinder schauten skeptisch. »Na ja, wir werden sehen«, meinte Benny. Er freute sich jetzt darauf, sein Menü selbst aussuchen zu dürfen.
Sandra aß am liebsten Geschnetzeltes, weil sie da nicht selbst schneiden musste.
Jeder kam auf seine Kosten. Benny bemerkte, dass Marianne wirklich nicht besonders kochen konnte.
»Hoffentlich kann das die Neue«, sagte er hoffnungsvoll.
»Sie ist schon älter, und Fee sagt, dass sie eine gute Hausfrau ist«, erklärte Viola.
»Das ist wohl eine richtige Fee, Mami?«, fragte Sandra.
»Das kann man wohl sagen«, bestätigte Viola. »Ihr werdet sie ja morgen kennen lernen.«
Als sie heimkamen, stand ein Wagen vor ihrer Tür, der ihnen unbekannt war. Und eine junge Frau stieg aus. Viola erschrak, denn sie erkannte Sonja Bertram.
»Ist das die Neue?«, fragte Benny, »die ist aber noch jung.«
»Nein, das ist sie nicht«, erwiderte Viola heiser. »Geht ihr mal zu Frau Töpfer.«
Benny und Sandra hatten nichts dagegen. Fremden Leuten gegenüber waren sie recht reserviert.
»Guten Tag, Frau Anderten«, sagte Sonja mit einem spöttischen Unterton.
»Was wünschen Sie?«, fragte Viola. Das Unbehagen, das sie schon am Morgen empfunden hatte, war wieder da.
»Das ist nicht mit ein paar Worten gesagt«, entgegnete Sonja Bertram.
»Bringen Sie eine Nachricht von meinem Mann?«
»Nicht so direkt.« Sonjas Lächeln wurde frivol.
»Haben Sie ihn diesmal nicht begleitet?«, fragte Viola stockend.
»Nein, diesmal nicht. Ich erwarte nämlich ein Kind. Um es deutlicher zu sagen, ein Kind von Ihrem Mann.«
Viola wurde es schwarz vor den Augen, aber sie riss sich zusammen. Nur Haltung bewahren, mahnte sie sich.
»Bitte, treten Sie ein«, sagte sie kühl.
Sonja schien überrascht. Das boshafte Funkeln schwand aus ihren Augen, und ein gezwungenes Lächeln legte sich um ihren vollen Mund.
»Hat er es Ihnen schon mitgeteilt?«, fragte sie hastig.
»Nein, aber ich habe geahnt, dass recht enge Beziehungen zwischen Ihnen bestehen. Ist Thomas zu feige, um es mir zu sagen. Hat er Sie vorausgeschickt?«
Sonja legte den Kopf zurück. Jetzt hatte ihr hübsches Gesicht einen verkniffenen Ausdruck.
»Ich habe keine Antwort auf meine Briefe bekommen. Ich weiß nicht genau, wo er sich augenblicklich befindet. Sie werden es ja wohl wissen.«
»Bedaure«, erwiderte Viola lakonisch.
»Mir geht es nicht gut. Ich kann nicht mehr arbeiten. Ich brauche Geld«, sagte Sonja.
»Soll ich Ihnen das geben?«, fragte Viola nun sarkastisch. »Das wäre wohl ein bisschen zu viel verlangt. Das einzige, was ich dazu zu sagen habe ist: Wenn mein Mann die Scheidung haben will, kann er sie haben.«
»Und wenn er sie nicht will?«, fragte Sonja schrill.
»Dann werde ich sie einreichen. Sie können ihn haben, Frau Bertram. Und bezahlen muss er. Genügt Ihnen das?«
»Mein Gott, können wir uns nicht mal von Frau zu Frau unterhalten?«, sagte Sonja.
»Wozu? Ihr Interesse richtet sich doch wohl nur auf meinen Mann, und Sie haben erreicht, was Sie wollten.«
»Er wird doch nicht so ohne Weiteres auf seine Kinder verzichten.«
»Das wird er wohl müssen, und viel um die Kinder hat er sich bisher auch nicht gekümmert. Vielleicht wird das bei Ihrem Kind anders«, sagte Viola eisig.
»Wenn ein Mann fremdgeht, liegt es doch auch mit an seiner Frau«, stieß Sonja hervor. »Machen Sie sich darüber keine Gedanken?«
»Was ich mir für Gedanken mache, braucht Sie nicht zu interessieren. Ich denke, dass dieses Gespräch damit beendet ist. Verbindlichen Dank für die Aufklärung.«
Sie öffnete die Tür und machte eine Handbewegung, die man nicht falsch deuten konnte.
Sonja warf ihr einen giftigen Blick zu. »Sie brauchen sich doch wirklich nicht zu wundern, dass Thomas abgesprungen ist. Bei so viel Arroganz und Überheblichkeit …« Sie geriet ins Stocken, hatte den Faden verloren.
»Haben Sie erwartet, dass ich heule und Sie auf Knien anflehe, mir meinen Mann zu lassen? Wie Sie sehen, kann ich gut für mich und meine Kinder sorgen und brauche nicht andere anzubetteln. Und jetzt gehen Sie!«
Mit Violas Fassung war es nämlich vorbei. Ihre Selbstbeherrschung hatte Grenzen.
Sonja Bertram ging nun, und Viola sank kraftlos in einen Sessel. Sie schlug die Hände vor ihr Gesicht. So weit war es also gekommen. Das hatte ihr Thomas antun können! Viola fühlte sich erniedrigt und tief gekränkt. Da kamen die Kinder hereingestürmt. »Wer war denn das?«, fragte Benny.
»Was rein Geschäftliches«, erwiderte Viola tonlos.
»Frau Töpfer muss auch geschäftlich mit dir reden, Mami«, sagte Benny.
Was kommt denn nun noch daher, dachte Viola, aber was Frau Töpfer ihr zu sagen hatte, war erfreulich.
»Da hat eine Dame angerufen, Frau Anderten, ob wir interessiert wären an einer Fachkraft, die schon in einem großen Unternehmen tätig war. Joana Branko heißt sie. Ich war so frei, ihr zu sagen, dass sie ja mal ganz unverbindlich vorbeikommen könnte. Ein Dr. Norden hat ihr die Empfehlung gegeben.«
Viola kam wieder ganz zu sich. »Kommt sie vorbei?«, fragte sie.
»So gegen vier Uhr. Ich habe mir gedacht, dass wir dann ja nicht annoncieren brauchen, wenn sie etwas taugt. Aber wir schaffen es bald wirklich nicht mehr, auch wenn wir Überstunden machen und dazu sind die Näherinnen bereit. Ich meine, dass wir uns wirklich nicht über Arbeit beklagen brauchen, wo andere arbeitslos sind.«
»Wenigstens das ist erfreulich«, sagte Viola geistesabwesend.
»Wir werden uns Frau Branko anschauen.«
*
Daniel Norden hatte seiner Frau Fee beim Mittagessen von Joana Branko erzählt. »Sie ist überaus sensibel und hatte viel persönlichen Ärger in diesem Großunternehmen. Da kam mir in den Sinn, dass sie deiner Freundin Viola auch eine Hilfe sein könnte, Fee.«
»Du bist umwerfend, mein Schatz«, sagte Fee begeistert.
»Sie kommt aus Rumänien«, erzählte Daniel, da Fee mehr über diese junge Frau wissen wollte. »Hatte sich in einen Deutschen verliebt, der dort Urlaub machte, oder wohl besser noch er in sie.«
»Und sie sah die Chance, von dort wegzukommen?«, fragte Fee nachdenklich.
»Ganz so war es nicht. Sie hat Charakter, und sie lernte hier dann in ihm einen ganz anderen Menschen kennen. Sie ist attraktiv und hat eine makellose Figur.«
»Oh, là, là«, warf Fee ein.
Daniel lachte leise. »Sie braucht sich bei mir nicht auszuziehen, aber für diesen Mann sollte sie sich ausziehen, und nicht etwa als Ehefrau im Schlafzimmer, sondern für Pornofilme.«