Tessa Hofreiter

Der neue Landdoktor Paket 1 – Arztroman


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war, eine so große Freude gemacht hatte.

      Später erzählte Marc von Kanada und den gemeinsamen Freunden, die Sebastian und Emilia alle grüßen ließen. Er hatte auch ein paar Fotos der letzten Ausstellung und von der Landschaft rund um Montreal in seinem Smartphone gespeichert, die bei Emilia und Sebastian alte Erinnerungen weckten.

      »Ich finde es ganz schön traurig, dass auch Mamas Eltern schon tot sind. Die meisten Kinder haben zwei Familien, ich habe nur noch eine«, seufzte Emilia.

      »Ja, mein Schatz, es ist traurig, aber umso mehr halten wir zusammen«, entgegnete Sebastian, beugte sich ein Stück nach vorn und drückte die Hand seiner Tochter.

      »Zum Glück sind wir eine Familie, die auch viele Freunde hat«, sagte Emilia und konnte schon wieder lächeln.

      »Gutes Stichwort, ich war letzte Woche in Toronto und habe auch Izusa und ihre Familie besucht. Izusa hat mir etwas für ihre beste Freundin mitgegeben.«

      »Echt? Was denn?«, fragte Emilia aufgeregt.

      »Warte kurz, ich hole es.« Marc lief hinauf in den ersten Stock, den Sebastian und Emilia bewohnten und in dem es auch gemütliches Gästezimmer gab.

      »Was bedeutet Izusa?«, fragte Ines.

      »In der Sprache der kanadischen Ureinwohner heißt das ›Weißer Stern‹«, antwortete Emilia. »Wow, ein richtiges Geschenk!«, rief sie, als Marc ihr gleich darauf eine leuchtend blaue Schachtel überreichte, die mit bunten Federn dekoriert war. »Ein Traumfängerkleid«, flüsterte sie verblüfft, nachdem sie die Schachtel geöffnet hatte und den türkisfarbenen Stoff vorsichtig herausnahm.

      »Was bedeutet Traumfänger?«, wollte Ines wissen und schaute auf die Symbole, mit denen der Stoff des Baumwollkleides mit den niedlichen Puffärmeln bedruckt war.

      Kleine Ringe, die mit einer Art Spinnennetz bespannt waren und an deren unteren Enden bunte Federn hingen.

      »Es heißt, dass die guten Träume in die Mitte des Netzes gelangen«, erzählte Emilia und deutete auf eines der Symbole. »Über die Federn erreichen sie den schlafenden Menschen, die schlechten Träume werden in den Knotenpunkten des Netzes abgefangen, bei Sonnenaufgang verglühen sie in den ersten Strahlen. Schaut, das ist ein echter Traumfänger.« Sie legte das silberne Schmuckstück mit den kleinen bunten Federn, das genauso aussah wie die Symbole auf dem Stoff, auf den Tisch, damit jeder es sich ansehen konnte.

      »Warst du schon einmal in Kanada?«, wollte Marc von Ines wissen, als sie das Schmuckstück behutsam in die Hand nahm, um es zu betrachten.

      »Nein, leider noch nicht. Ich muss zugeben, ich bin überhaupt noch nicht sehr oft verreist, was nicht bedeutet, dass ich es nicht irgendwann tun werde«, fügte sie gleich hinzu, bevor sie den Traumfänger an Emilia zurückgab. »Obwohl, es ist nicht gerade eine Strafe, hier zu wohnen. Die Landschaft bei uns ist sehr abwechslungsreich.«

      »Stimmt, es ist wirklich schön hier, aber die großen Seen und das Meer würden mir fehlen«, gab Marc ehrlich zu.

      Die Seefelds und ihre Gäste saßen an diesem Abend noch eine ganze Weile zusammen, und als Ines sich schließlich verabschiedete, ließ Marc es sich nicht nehmen, sie nach Hause zu begleiten.

      »Ich habe dich noch gar nicht danach gefragt, wie der Spaziergang mit meiner Cousine verlaufen ist«, sprach Ines ihn auf den Vormittag mit Miriam an, als sie an dem von alten Gaslaternen beleuchteten Marktplatz vorbeikamen.

      »Wir sind gar nicht zu einem Spaziergang gekommen, wir haben nur das Rathaus und einige Lüftlmalereien betrachtet. Ich hatte dann ein paar Anrufe zu erledigen und musste mich von ihr verabschieden. Wie nahe steht dir deine Cousine?«

      »Wir sind mehr wie Schwestern. Meine Eltern sind bei einem Kletterunfall ums Leben gekommen, als ich vier Jahre alt war. Meine Großeltern haben mich dann zu sich genommen. Miriam und ihre Eltern wohnten damals auch schon in der Villa, und wir waren eine große Familie.«

      »Dann hast du sie gern?«

      »Aber ja, natürlich. Warum fragst du?«

      »Weil sie heute Morgen nicht gerade freundlich zu dir war.«

      »Das nehme ich nicht so ernst, Miri spielt sich gern in den Mittelpunkt, aber das bin ich gewohnt. Ich sehe es ihr nach«, antwortete Ines lächelnd.

      »Gut, dann sehe ich es ihr auch nach«, sagte Marc und betrachtete Ines mit einem liebevollen Blick. »Sobald ich wieder aus München zurück bin, könntest du mich doch ein wenig herumführen.«

      »Das mache ich sehr gern.«

      »Wir könnten uns gleich verabreden. Heute ist Donnerstag, wie wäre es am Sonntag um 14 Uhr vor dem Brunnen am Marktplatz?«

      »Einverstanden.«

      »Ich freue mich darauf.«

      »Wir sind da«, sagte Ines, als sie kurz darauf in die Straße zum Sägewerk einbogen.

      »Ein schönes Haus«, stellte Marc fest und schaute auf den von honigfarbenem Licht erhellten Eingang der Villa.

      »Miriam und ihre Eltern leben inzwischen allein dort. Mein Großvater und ich wohnen im Bauernhaus, es steht hinter der Villa.«

      »Das klingt, als hätten sie euch in die Verbannung geschickt.«

      »Ach was, so schlimm ist es nicht. Wir fühlen uns ganz wohl in unserem Häuschen. Ich wünsche dir eine gute Reise, wir sehen uns dann am Sonntag. Vielleicht habe ich bis dahin auch schon einige Ideen, wo die Ausstellung stattfinden könnte.«

      »Ich lasse mich überraschen, auf Wiedersehen, Ines«, sagte er, umfasste ihre Hand und schaute in ihre Augen.

      »Auf Wiedersehen, Marc.« Sie lächelte ihm noch einmal zu und eilte den gut ausgeleuchteten Weg an der Villa vorbei nach Hause.

      Ich werde von dir träumen, dachte Marc und schaute ihr nach, bis sie hinter dem Tor am Ende des Pfades verschwunden war. Erst dann machte er sich auf den Weg zurück zum Haus der Seefelds.

      »Jetzt läuft sie schon mitten in der Nacht mit einem fremden Mann durchs Dorf«, murmelte Miriam, die auf der Dachterrasse saß, die zu ihrer Wohnung gehörte.

      »Was hast du gesagt?«, wollte der rothaarige Mann in dem eleganten dunklen Anzug wissen, der in einem der Korbsessel zwischen den weißen Kübeln mit ihren prächtig gewachsenen Palmen saß.

      »Harald, wenn ich wollte, dass du es hörst, hätte ich lauter gesprochen«, sagte sie, ohne sich Harald zuzuwenden.

      Harald Baumann war ihre rechte Hand im Sägewerk und der Mann, der auch in ihrem privaten Leben stets und überall alles für sie tat, obwohl sie ihm nicht die geringste Hoffnung machte, dass sie sich ernsthaft mit ihm einlassen würde.

      Ihre Befürchtungen, die Marc Durand und Ines betrafen, schienen sich zu bestätigen. Ihre Eltern waren allerdings der Meinung, dass sie erst einmal möglichst wenig Aufhebens um die Sache machen sollten, da der Mann ohnehin in ein paar Tagen wieder abreisen würde, wie ihr Vater im Golfclub von Benedikt Seefeld gehört hatte.

      »Je mehr du versuchen würdest, deiner Cousine den Mann auszureden, umso interessanter wird er für sie«, hatte der Ratschlag ihrer Mutter gelautet, als sie ihren Eltern beim Abendessen von ihrer Vermutung erzählt hatte.

      Inzwischen war sie zu dem Schluss gekommen, dass ihre Mutter recht hatte. Nichtsdestoweniger würde sie die Sache beobachten.

      »Harald, Ines erscheint mir zurzeit ein wenig verträumt, wir sollten sie im Auge behalten, damit sie sich nicht verläuft.«

      »Ich werde auf sie achten.«

      »Danke, Harald«, sagte Miriam und schenkte ihm ein Lächeln.

      *

      Gleich am nächsten Tag sprach Ines mit dem Bürgermeister über die geplante Ausstellung. Er fand, dass es eine großartige Idee sei, und versprach ihr, sie zu unterstützen. Sie bezog auch Lydia Draxler, ihre junge Kollegin, mit ein. Lydia war nach ihrer Ausbildung in einem großen Reisebüro