Tessa Hofreiter

Der neue Landdoktor Paket 1 – Arztroman


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du die Bilder beschreibst, da müsste es schon ein gewaltiger Rahmen sein, um sie zur Geltung zu bringen. Gewaltig und doch schlicht genug, damit der Ort an sich nicht in den Vordergrund rückt.« Lydia, ein molliges junges Mädchen in rosafarbenem Dirndl und mit hellen kurzen Locken, betrachtete gemeinsam mit Ines die Landkarte von Bergmoosbach, die an einer Wand in ihrem Büro hing.

      Auf den beiden gegeneinander gestellten Schreibtischen waren Prospekte mit den Sehenswürdigkeiten der Gegend ausgebreitet.

      »Weißt du was, wir nutzen das Wochenende, um darüber nachzudenken. Am Montag haben wir dann sicher eine Idee«, sagte Ines, obwohl sie gerade einen Einfall hatte, der ihr sehr gut gefiel. Möglicherweise war die Burgruine, die sich auf einem Bergplateau oberhalb von Bergmoosbach erhob, der richtige Ort für die Ausstellung. Sie beschloss, sich die Ruine aber erst einmal mit Marc zusammen anzusehen, bevor sie sich weitere Gedanken darüber machte.

      »Ich bin auf jeden Fall bereit, wenn du Hilfe bei der Organisation brauchst.«

      »Die brauche ich ganz bestimmt, danke, Lydia.«

      »Sehr gern«, antwortete das Mädchen. »Wenn es dann so weit ist und die Ausstellung angekündigt werden soll, dann schalten wir am besten meine Tante ein.«

      »Auf jeden Fall«, antwortete Ines lachend. Lydias Tante, Elvira Draxler, die zweite Vorsitzende des Landfrauenvereins, war an Nachrichten und Gerüchten immer interessiert, das wusste jeder im Dorf.

      Als Ines am Abend nach Hause kam, erwartete sie eine Überraschung. Ihr Großvater war mit Miriam und ihren Eltern auf der Wiese neben dem Bach, und der Tisch, um den sie sich versammelt hatten, war für das Abendessen gedeckt.

      »Da bist du ja, Schätzchen, setz dich zu uns.« Carola bedeutete ihrer Nichte, sich auf den Stuhl neben Miriam zu setzen.

      »Wir dachten, es wäre schön, wenn wir mal wieder einen Familienabend zusammen verbringen. Großvater hat es doch so gern, wenn wir alle um ihn versammelt sind«, flötete Miriam und streichelte Korbinian, der am Kopfende des Tisches saß, über die Wange.

      »Und an sein Lieblingsessen haben wir auch gedacht. Schau, Schwiegerpapa, Weißwürstel«, sagte Carola, die auf der anderen Seite des Tisches neben Korbinian saß. »Mei, wie die Soße duftet«, sprach sie weiter auf ihn ein, während sie den Deckel des weißen Porzellantopfes hochhob.

      »Und Krautsalat, so wie du ihn magst, und kräftiges Schwarzbrot«, zählte Miriam auf, was sonst noch auf dem Tisch stand.

      »Jetzt lasst es gut sein, er ist nicht blind, er kann sehen, was vor ihm auf dem Tisch steht«, unterbrach Gernot diese merkwürdige Anbiederung seiner Frau und seiner Tochter.

      »Freilich kann er es sehen, aber deshalb kann man doch darüber reden«, murrte Carola. »Schließlich bekommt er nicht jeden Tag solch ein Festessen, nicht wahr, Ines?«, wandte sie sich an ihre Nichte.

      »Niemand braucht jeden Tag ein Festessen. Ganz davon abgesehen bin ich hier bei uns für das Kochen zuständig, und Weißwürstel gibt es schon hin und wieder und einen Krautsalat auch«, erklärte Korbinian.

      »Geh, Schwiegerpapa, das ist doch nicht dein Ernst, du musst dich ums Essen kümmern? Wie kannst du ihm das zumuten, Ines?« Carola schüttelte entrüstet den Kopf.

      »Sie mutet mir gar nichts zu, das Madl geht den ganzen Tag arbeiten, und ich hab schon immer gern gekocht. Aber offensichtlich wisst ihr das gar nicht.«

      »Es geht nur darum, dass du dich nicht überforderst, du bist schließlich nicht gesund«, verteidigte Carola ihren Vorwurf.

      »Keine Sorge, ich fühl mich schon wieder ganz gut, und jetzt lasst uns anfangen, ich hab Hunger.«

      »Ich habe gehört, du planst eine Ausstellung«, wandte sich Gernot an seine Nichte, als sie schließlich beim Nachtisch, Kirschkompott mit Vanillesoße, angelangt waren.

      »Es hat sich schnell herumgesprochen.«

      »Ich bin im Gemeinderat, Kind, ich erfahre alles, was die Gemeinde betrifft.«

      »Und zwar gleich nach dem Bürgermeister, weil die beiden beste Freunde sind«, erklärte Carola stolz.

      »Um welche Ausstellung geht es?«, wollte Miriam wissen.

      »Ines möchte Bergmoosbach einige Gemälde von Helene Seefeld präsentieren«, erzählte Gernot, was er bisher noch nicht preisgegeben hatte.

      »Sebastian vertraut dir die Bilder seiner Frau an?«, fragte Miriam ungläubig nach.

      »Es ist nur eine Ausstellung, den Bildern passiert nichts.«

      »Ines, Herzchen, wie willst du so eine Ausstellung denn bewerkstelligen? Diese Bilder hingen schon in einigen bekannten Museen, du kannst sie nicht im Hinterzimmer eines Wirtshauses aufhängen.«

      »Das habe ich auch nicht vor.«

      »Sondern?«

      »Ich suche nach dem besonderen Ort.«

      Dass sie bereits eine Idee hatte, verriet sie auch ihrer Familie nicht.

      »Ich werde mir auch ein paar Gedanken machen. Das Beste wäre wohl, ich unterhalte mich einmal mit Sebastian darüber, was er sich so vorstellt.«

      »Er hat die Vorentscheidung mir überlassen, Miri.«

      »Ich wollte nur helfen.«

      »Danke, aber es nicht nötig.«

      »Wie du meinst. Hast du heute Abend eigentlich wieder etwas vor, Cousinchen?«, fragte Miriam nach einer Weile.

      »Nein, ich habe nichts vor.«

      »Und morgen?«

      »Auch nicht, warum?«

      »Ich dachte nur, wenn es nun häufiger vorkommt, dass du abends nicht zu Hause bist, dann müssen wir uns etwas einfallen lassen. Großvater sollte nicht allein sein.«

      »Darüber musst du dir keine Sorgen machen.«

      »Das hoffe ich, Kind, du weißt, dass du gewisse Pflichten zu erfüllen hast«, mischte sich Carola in das Gespräch der beiden jungen Frauen ein.

      »Wer was in unserem Haushalt übernimmt, das machen Ines und ich unter uns aus. Und was die Pflichten betrifft, ich hab zwei Enkelinnen, und die eine möcht einmal die Villa erben, die, wenn ich das bemerken darf, im Moment noch zur Hälfte mir gehört«, erklärte Korbinian und sah seine Schwiegertochter mit festem Blick an. »Weil wir gerade so gemütlich beieinander sitzen: Ich hab vor, den Dachboden im Bauernhaus auszubauen, ich geh davon aus, dass du mich dabei unterstützt, Gernot«, wandte er sich an seinen Sohn.

      »Geh, Vater, warum willst du denn solch eine Arbeit auf dich laden?«

      »Mei, Gernot, das kann doch nur die Idee von unserer Ines sein. Was sollte denn dein Vater mit einem ausgebauten Dachboden anfangen?«, entgegnete Carola.

      »Ich höre das mit dem Dachboden aber gerade zum ersten Mal.« Ines war genauso überrascht wie die anderen, und auch sie fragte sich, wozu dieser Umbau gut sein sollte.

      »Jetzt tut nicht so, als dürft ich in meinem Alter keine Pläne mehr schmieden. Ich bin 78, ich könnt noch zwanzig gute Jahre oder auch mehr vor mir haben«, verkündete Korbinian und lehnte sich schmunzelnd in seinem Stuhl zurück. »So, nun hätt ich gern ein Glas Bier.«

      »Du nimmst Tabletten«, entgegnete Carola.

      »Doktor Seefeld meint, ein Glas Bier ist erlaubt.«

      »Wie du willst«, murmelte Carola. »Geh, hol deinem Großvater ein Bier«, forderte sie Ines auf.

      »Ich mache das schon«, sagte Miriam und stolzierte mit ihren hochhakigen Schuhen über die Wiese ins Haus.

      »Ist sie nicht ein Schatz, unsere Miri?«, säuselte Carola.

      »Glaub mir, ich kenn die Qualitäten jedes einzelnen von euch«, antwortete Korbinian lächelnd.

      Als es dunkel wurde, verabschiedeten sich die Bewohner