Christo Karastojanow

Teufelszwirn


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und die Fünfe hatten sich dort bestens verschanzt. Dazu noch die miese Bewaffnung bei den Bauern …

      Moment, ich darf doch sehr bitten, unterbrach der Minister die Wortführenden. Gab es denn außer diesem Wisch noch andere Indizien?

      So fragte er und brachte die Männer in Verlegenheit, denn sie wussten nicht, was er meinte.

      Und während sie noch zauderten und sich fragten, wie fortfahren, schnitt der Minister, der rot geworden war, ihnen mit herrischer Geste das Wort ab. Um unversehens das Thema zu wechseln. Er erzählte ihnen was von amerikanischen Automobilen!

      Meine Herren, sagte er. Ich sage euch, die Automobilproduktion in den Vereinigten Staaten ist im grenzenlosen Wachstum begriffen. Dass dem so ist, wird aus den folgenden hochinteressanten Tatsachen ersichtlich: Mister Ford, der König der Automobilbauer, hat seine Fabriken dermaßen vermehrt, dass er sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt, anno 1923, in den Kopf gesetzt hat, zwei Millionen Automobile zu fertigen.

      Die Männer in der Runde sahen einander verdutzt an, doch der Minister ließ sie nicht zu Wort kommen und fuhr in seinen Ausführungen fort. Für ein Fordsches Automobil seien durchschnittlich vierhundert Dollar zu berappen, das mache insgesamt achthundert Millionen Dollar. Respektive circa achtzig Milliarden Lewa! Derweil wechselten die Anwesenden verzweifelte Blicke und machten zugleich tz-tz!, womit sie Interesse heuchelten, und der Minister ließ sich immer noch nicht unterbrechen. Insgesamt, so sagte er, belaufe sich die Automobilproduktion in Amerika dieses Jahr auf schätzungsweise über drei Millionen Automobile, und setze man hier einen Mittelwert von sechshundert Dollar pro Automobil an, so ergebe sich die gigantische Summe von einer Milliarde achthundert Millionen Dollar, respektive einhundertachtzig Milliarden Lewa. Annähernd geschätzt. Für die zehn Millionen Automobile, die bereits auf Amerikas Straßen unterwegs seien, verbrauche man ungeheure Mengen an Benzin und Gasolin. Genauer gesagt: Wenn ein Automobil jährlich Benzin für zweihundert Dollar frisst, dann bedeutet das für sämtliche Automobile insgesamt gesehen einen Verbrauch im kolossalen Umfang von zwei Milliarden Dollar respektive zweihundert Milliarden Lewa …

      Das ist eine irre Summe, meine Herren!, rief der Minister mit Tränen der Ergriffenheit in den Augen den nun schon restlos erschlagenen Honoratioren zu. Ganz zu schweigen davon, dass der Automobilindustrie eine Reihe gleich gearteter Industrien zuzuordnen sind, deren Produktion sich ebenfalls auf Millionen von Dollar beläuft. Für unsere europäischen Begriffe hat die amerikanische Automobilindustrie überhaupt eine sagenhafte Entwicklung genommen. Dort drüben, meine Herren, ist ein Automobil für alle Schichten der Gesellschaft erschwinglich, und wenn Sie in Betracht ziehen, dass es hier in K. … Wie viele Automobile gibt es in K.?

      Hier? Ach … In K. gibts so was gar nicht, äußerten die Anwesenden wie vor den Kopf geschlagen.

      Ach!, sprach der Minister, da seht ihr mal! Ihr hier in K. habt nichts vorzuweisen außer vielleicht einem hübschen Biergarten, während dort alle – der Briefträger, die Wäscherin – alle sind sie automobil! Oder, meine Herren, wenn ihr wollt, guckt euch die Luxusflittchen an – auch die kommen im Automobil gefahren! Ja, meine Herren, das Dumme ist nur, dass dieses moderne Verkehrsmittel bereits zu einem Verkehrsverhinderungsmittel geworden ist.

      Was Ihr nicht sagt, gurrten die Herren erstaunt. Das kann doch nicht sein!

      Aber ja, fuhr der Gast unerbittlich fort, denkt doch mal nach! Tausende von Automobilen verstopfen dermaßen die Magistralen der amerikanischen Städte, dass man nicht weiß, wohin damit! Ein Drittel der Washingtoner Staatsbeamten fahren mit dem Automobil zur Arbeit, vor den Staatsämtern sammeln sich während der Arbeitszeit Massen von Automobilen an, die einfach auf der Straße stehen gelassen werden. Genauso die Angestellten in den großen Kaufhäusern, die haben auch ihre Automobile, und im Geschäftsviertel von New York – es heißt New York City, meine Herren, merkt euch das, wenn euch jemand fragen sollte, wisst ihrs und müsst euch nicht blamieren: New York City! – da auch. In dieser City bilden die Automobile zeitweise kilometerlange Schlangen, und keiner weiß, was damit anfangen. Die einen schlagen vor, die Dächer der Häuser dafür zu verwenden, andere wollen sie lieber unter die Erde stopfen. In der Stadt Seattle haben sie schon angefangen, extra Häuser zu bauen, wo die Automobile auf den Dächern parken können und warten, bis ihre Eigentümer sie mithilfe praktischer Vorrichtungen wieder herunterheben. In Washington wiederum plant man unterirdische Garagen zu bauen, und das an den belebtesten Plätzen. Diese Bauwerke, stellt euch vor, sind einfacher und kosten weniger als die Metropolitan genannten unterirdischen Eisenbahnen …

      Den Anwesenden sackten die Köpfe schon zwischen die Tassen und Teller, während der Minister endgültig in die Offensive ging:

      Interessant ist der Umstand, meine Damen und Herren, und deswegen bringe ich ihn zur Kenntnis, dass die Zigeuner in Nordamerika sich genauso mit Pferdehandel befassen, wie das bei uns die Zigeuner tun, nur dass die Pferde dort Automobile sind! Und mit Erfolg! Keine Angst, meine Damen und Herren, natürlich sind die Automobile, mit denen sie Handel treiben, alt – aber diese Art An- und Verkauf befindet sich vollständig in ihrer Hand. Und übrigens verschachern sie von den alten Automobilen weniger die neueren, sondern meistenteils Schrottdinger, die schon nicht mehr zu reparieren gehen, und je abgewrackter so ein Automobil ist, desto zufriedener sind sie, weil – jetzt kommts, meine Damen und Herren – so kaufen sie es als Alteisen, zum Schleuderpreis! Ha-haa! Die Zigeuner dort sind nicht auf den Kopf gefallen, meine Herren! Ein erfinderisches Völkchen! Denn anschließend macht der listige Geschäftsmann sich eigenhändig an die Reparatur und schafft es beinahe immer, das Unmögliche möglich zu machen, flickt die verschlissene Kiste wieder so weit, dass er sie mit gutem Gewinn absetzen kann, und hat ihn sich somit redlich verdient. Und auch dort ziehen die Zigeuner von Ort zu Ort, meine Damen und Herren, nur nicht mit dem Esel und Maultier wie unsere, auch nicht im Tross mit Karren und Planwagen, sondern mit Autoomnibussen kutschen sie von Dorf zu Dorf und lesen den Leuten aus der Hand …

      Stehend, mit dem Glas in der Hand, dozierte er, wählte die Worte brillant und präzise, und auch wenn er gestikulierte, ging kein Tropfen Wein verschütt.

      So ist die Lage, meine Herren!, brüllte er zuletzt, wovon die dösenden Herren um ihn her aufschraken. Und erst die Schauspielerinnen dort – hoho! – die angeln sich einen amerikanischen Millionär, um ihn zu heiraten, während ihr hier Däumchen dreht! …

      Das war der Moment, wo die Gesellschaft sich noch einmal aufraffte und ein mehrfaches Hurra durch die Rauchschwaden schmetterte, dass es das Biergartengetöse jenseits des grünen Zaunes übertönte.

      Gemunkelt wurde außerdem, dass zuletzt in jener schwülen Augustnacht eine Kutsche durch den warmen Staub auf dem Coburg-Platz4 rumpelte und den hohen Gast zum gegenüber gelegenen Hotel Neu-Amerika (vormals Alt-Europa geheißen, doch nach dem 26. März generalüberholt und umbenannt in Neu-Amerika) brachte, wo in der Tiefe der dunklen, kühlen Regierungssuite im ersten Stock, im spärlichen Licht des hohen, schmalen Fensters mit dem gewundenen schmiedeeisernen Gitter davor, spärlich bekleidet auch, beinahe nur im winterapfelfarbenen Hemdchen, ein zartes Wesen aus dem Ferienpensionat der französisch-katholischen Schule mit fescher Kurzhaarfrisur seiner harrte. Erstaunt taumelte er über sie her, um sie zu fragen, was sie in seinem Zimmer zu suchen habe und ob sie zufällig Schauspielerin sei, denn er sei Millionär, das täte passen – da hatte sie schon an der richtigen Stelle zugegriffen.

      Das Mädchen war durchaus keine Schauspielerin, wusste aber sehr genau, was sie hier suchte – und fasste leise kichernd gleich nach. Erzählte es außerdem hinterher brühwarm ihren vor Vergnügen krähenden Freundinnen vom Pensionat: Der Minister, berühmter Wrazaer Advokat, sei, als man ihn im Hotel ablieferte, schon dermaßen besoffen gewesen, dass er, als sie ihn dort unten anfasste, nur das große Zittern gekriegt und traurig gelallt habe: Ach, mein Fräulein, Sie verstehen mich nicht, gehen Sie bitte, es wäre nur schade – um sie im nächsten Moment mit herrischer Advokatengeste zurückzureißen, mit einer Hand von hinten zu umgreifen und an sich zu ziehen, während er sich mit der anderen fahrig die Kleider vom Leib riss; dann habe er nach ihrem bestickten Höschen gegrabscht, es ihr vom Hintern gezerrt, die Trophäe in seiner Faust geschwenkt – und hielt, nackt wie ein griechisches Standbild im Stadtpark, eine neue Rede ins Dunkle hinein: Was wir brauchen, meine Damen und Herren, so begann er diesmal, ist Begeisterungsfähigkeit,