Hm.
Anders gefragt: Sie gelten als besonnener, bedächtiger Mensch, der die Chancen bei einem so bedeutenden Turnier wie der Weltmeisterschaft genau abwägt und sich zu keinen voreiligen Prognosen hinreißen …
Mir reißt langsam der Geduldsfaden auf! Was wollen Sie eigentlich? Was wollen Sie wissen?
Gut, ja, also: Herr Völler, so herum gefragt: Sie gelten als ruhiger Zeitgenosse, der sich die Zeit nimmt …
Zeit! Zeit! Die Zeit ist der schlimmste Feind des Menschen – nach dem Iren, dem Araber und dem Neger! Was soll ich gelten, wenn ich die Zeit nicht zum meinem Sklaven mache? Die Zeit ist eine Drecksau. Ich gelte, ich gelte! Was ich schein’, muß ich nicht sein! Verstehnse? Nee. Natürlich nicht.
Bis zum ersten Gruppenspiel gegen Saudi-Arabien haben Sie noch etwas Zeit. Wie werden Sie die Mannschaft vorbereiten? Wird es besondere Trainingsmaßnahmen geben, um das Team auf diesen weithin unbekannten, sehr unbequemen Gegner einzustellen?
Die Einstellung muß stimmen, das ist mal klar. Wenn nicht klar ist, und ich sage: wenn nicht arschklar ist, daß man gegen die Bin-Laden-Bimbos in die Eisen gehen muß, dann können wir gleich nach Hause gehen. Oder zu Hause bleiben. Die Saudis verstehen nur eine Sprache: grausames Grätschen, tückische Tacklings, höllische Offensive, Ballern ohne Pause. Da muß man schon mal die Spielkultur ins Klo kloppen und runterspülen.
Sie erwarten einen Kampf auf Biegen und Brechen?
Wo leben Sie denn? Bier gegen Beten, lautet die Geheimparole. Die Saudis sind – sprechen Sie doch den Namen mal richtig aus: Sau-dis –, die Saudis, die sind a priori erst mal Saukerle, die keine andere Sprache verstehen als die Sprache, na ja, Sie wissen schon, harte Gangart usw.
Ein Rezept auch gegen die Iren?
Die Irren? Haha. Da lache ich mir nur einen Arm ab.
Am Spielfeldrand geben Sie oft mit heftig wedelnden Armen Anweisungen an Ihre Spieler …
Ja, die Penner wedeln sich abends gerne noch einen von der Kiefer, und dann sind die auf dem Platz schlapp wie weiche Leiste – Herbergers Säftelehre, schon mal was gehört von? Na, dann muß ich denen mit den Armen einen in den Arsch treten, damit die endlich rennen.
Daß die Abwehr wieder schläft wie vor vier Jahren im Viertelfinale gegen Kroatien, das wird diesmal nicht passieren?
Da können Sie Galle drauf fressen.
Herr Völler, die Öffentlichkeit kennt Sie gar nicht mit solchen Kraftsprüch …
Was die Öffentlichkeit von mir kennt und denkt, interessiert mich einen feuchten Feudel. Jetzt lernt sie mich kennen.
Herr Völler, wir danken Ihnen jedenfalls für dieses Gespräch und wünschen Ihnen und Ihrer Mannschaft alles …
Gern gescheh’n. Auf nimmer Wiederseh’n.
Ballaballabierbilanz
Aus, aus, aus. Die Bundesligasaison 2001/02 ist aus. Ein »Horror-Finale« zwischen Borussia Dortmund, Bayer Leverkusen und Bayern München hatte der Internetanbieter www.sport1.de prophezeit. Nach dem Trivialtriumph der Borussia über Werder Bremen reichte es gerade noch zur Headline »Herzschlag-Finale«, was nur heißen konnte, es sei ein herzschonendes, ein einlullend entspannungsreiches Finale gewesen, Marke Doris-Day-Komödie statt Horrorschocker resp. »Hitchcock-Finale« (Hitzfeld).
Die Dramatik, die man dem Fußball oft genug attestiert, sie fehlte rundweg. »Es wurde nicht mehr die letzte Blutgrätsche angesetzt«, sägte, halb einnickend, halb schon schnarchend, der Moderator des Bayerischen Rundfunks herum, und die Reporter der ARD-Radioschaltkonferenz zeigten kollektiv eine erschreckend lustlose Leistung. »Vielleicht hätte ich meine Stimme nicht so heben sollen«, entschuldigte sich fünf Minuten vor dem Abpfiff Manni Breuckmann, der im Westfalenstadion saß und erzählte, es sei der Käse gegessen und zum Glück bald Feierabend mit dieser elenden Spielzeit.
Zumindest war alles erwartungsgemäß über die Bühne der schäbigen Fußballopernshow gegangen, und man wirkte erleichtert, einen Schlußstrich unter das im medialen Verwurstungsbetrieb aufgekochte Zeug zu Bayer Leverkusen als dem »gerechten Deutschen Meister« ziehen zu können. Erst während der WM wird uns beispielsweise der Premiere-Hecht und Zeitungskolumnist Marcel Reif neuerlich einen grenzwertigen Weisheitssermon wie diesen servieren: »Warum Angst haben, wenn das Selbstbewußtsein so groß sein könnte, wie ein Fußballfeld weit ist?«
Ja, weit ist es, das Fontanefußballfeld, auf dem die Bundesligasalonlöwen und Trainergeneräle herumdröhnten, und jenen, denen Fortuna hold war, den arg schiedsrichterbegünstigten Dortmundern, gebührt auch der Titel der angstfreiesten Selbstentblödung, namentlich dem nicht maulfaulen Manager Michael Meier, der im Gerangel mit Bayer-Coach Toppmöller die Flucht ins Fach des Weidmannsheillosen angetreten hatte. »Der Jäger wird am Ende vorne sein«, jaulte er, und den »Blattschuß« abfeuern.
Am Ende könnte indes demnächst der hiesige bezahlte Fußball sein. Das monetäre Defizit der Deutschen Fußball-Liga, das sich nach der Kirch-Pleite für die abgeschlossene Saison auf 103, für die kommende auf prognostizierte 360 Millionen Euro beläuft, läßt Schlimmes befürchten. Wie um den ökonomischen Horror vacui trotz prächtig gefüllter Stadien zu vertreiben, faselten sich unsre Protagonisten desto engagierter um Kopf und Kragen. Nürnbergs Manager Edgar Geenen schickte den unrentablen Teil des Kaders mit den schmeichelhaften Worten aufs Arbeitsamt: »Ihr seid Dreck, ihr seid nur Abschaum, ihr seid Müll, ihr seid wie Lepra!«, und der etwas südlicher und also fauler gesinnte Stefan Effenberg krönte seine 108 Gelben Karten umfassende Karriere durch die bekannt kluge Forderung, die Stütze, die er nun selber einfahren darf, voll runterzufahren.
Jenseits unzähliger Verbalentgleisungen lobte allerdings final-debil die FAZ den Schauermann Effenberg als kompromißlosen Leistungshengst. »Im Gegensatz zu vielen Schönspielern war sich Effenberg nie zu schade, auch einmal das Arschloch zu geben«, schwallte es da besoffen, so daß ich schon wieder dem Bayern-Mann Rummenigge unter all den Monetenvermehrern und Titelfuchsern als demjenigen, der die leere Hand nicht aufhält, das Resümee übereignen möchte – dergestalt er, Rummenigge, angesichts der vergeigten Meisterschaft »keinen Grund« sah, »hier groß die Kritik anzusetzen«.
Wo man hingegen ansetzen muß, um immer noch mehr zahlungswillige Zuschauer anzulocken, das verriet sport1.de: »Wie man mäßigen sportlichen Erfolg kaschiert, zeigte der HSV. Ein neues komfortables Stadion und der Ausschank von Vollbier sorgten dafür, daß die hauseigene Bestmarke nun bei 44.000 Besuchern pro Spiel steht.«
Darauf ein ballverstolpernd polterndes Prost!
Rückblicke auf große Radiotage
Ein Gespräch mit Ror Wolf über die Entstehung seiner Fußballradiocollagen.
Wie viele Fußballcollagen gibt es von dir?
Es gibt sieben kürzere, dazu zähle ich auch die Expertencollagen, die ich am Trainingsplatz und im Bus aufgenommen habe; dann gibt es Cordoba; dann gibt es eine ganz lange, die nicht geglückt ist: Die Stunde der Wahrheit, das war meine erste Radiocollage, und ich hatte zu wenig Zeit; sie sollte zur WM 1974 fertig sein. Man hatte damals den Hessischen Rundfunk zur WM-Sendezentrale umgebaut, es gab wenig Möglichkeiten zu schneiden. Ich fuhr also immer von Mainz nach Frankfurt: für eine Stunde Schnitt. Ich mußte immer wieder mit anderen Cutterinnen zusammenarbeiten, ich mußte immer wieder erklären, was ich vorhatte, und kam dann eben nur in ganz winzigen Stücken weiter. Wie viele Bänder ich hatte? Ach, frag mich nicht, unendlich viele. Ich hab’ sie zu Hause vorbereitet, ich hatte Apparate: die Nagra und die Revox, hab’ also Grobschnitt gemacht zu Hause, um dann alles erst mal zu transkribieren und um ein Gefühl für das Material zu bekommen. Ich hatte jahrelang gesammelt, und wenn man vor diesem riesigen Materialhaufen sitzt, weiß man am