Halwart Schrader

Bunty


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      Bunty wurde später ein paarmal gefragt, warum er keine Bühnenkarriere eingeschlagen habe. Sein großartiges Schauspieltalent, seine Art, Aufmerksamkeit zu erregen und die Mitwelt dazu zu bringen, sich für ihn zu begeistern, seine Begabung für theatralische Effekte wäre gut honoriert worden. Seines Vaters Schwester hingegen glaubte in Bunty eher einen künftigen Literaten entdeckt zu haben. Tante May war selbst Schriftstellerin. Doch Bunty liebte mehr das gesprochene als das geschriebene Wort, auch wenn er später einige Bücher und zahlreiche Zeitschriftenartikel verfasste.

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      Lauselümmel Bunty im Alter von 14 Jahren. Nach feiner englischer Art hat man ihn mit Schlips und Krawattennadel dekoriert. Auf stilvolle Garderobe – oder was er dafür hielt – legte Bunty auch später großen Wert.

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       Zu seiner Mutter Grace, geborene Eustace, hatte Bunty ein inniges Verhältnis. Sie gehörte zu den wenigen Frauen, die damals in England einen Führerschein besaßen und obendrein ein PS-starkes Automobil. Die Eskapaden und das Cambridge-Studium ihres Sohnes finanzierte sie, soweit es ihre

      Da flogen schon mal Tintenfässer …

      Bunty hatte Vorbilder, denen er als Jüngling nacheiferte. Zum Beispiel seinem Onkel Horace, dessen makaberer Humor in der Familie gefürchtet war. Vor allem aber hatte Bunty ernsthaftes Interesse an allem Technischen. So baute er sich auch sein erstes Auto nach eigenen Entwürfen selbst – es war jenes, mit dem er ohne Wissen seiner Eltern oder Lehrer in und um Wellington herumkutschierte. Es verfügte nur über drei Räder und musste mangels Anlasser angeschoben werden, wollte man es zum Laufen bringen. Bunty gab sich alle Mühe, Bau und Besitz seines Threewheelers geheim zu halten, und vorsorglich befand sich seine Bastelbude auch am anderen Ende der Stadt. Ganz sicher hätte man Bunty der Schule verwiesen, wäre die Sache aufgeflogen. Natürlich hatte Bunty auch keine Fahrerlaubnis; nicht einmal seine Lehrer besaßen einen Führerschein. Wie etwa Mrs. Scott-Moncrieff.

      Dem Eigenbau-Dreirad, von dem nur einige wenige zur Verschwiegenheit verpflichtete Mitschüler wussten, folgte ein anderes, ebenso kleines und primitives Fahrzeug. Das war jedoch kein Bastelobjekt mehr, sondern eine Voiturette, ein Monocar. Leider nur ein Einsitzer, was Bunty bewog, diesen schon bald wieder gegen einen anderen Flitzer einzutauschen, einen Sizaire-Naudin, den er drei Jahre lang besaß. Und diesen Zweisitzer schließlich führte er eines Tages der Mutter vor. Nur der Internatsleitung natürlich nicht. Er hätte die Anstalt sofort verlassen müssen, ganz klar, und das wollte er seiner geliebten Frau Mama nicht antun. Also schwieg auch sie …

      »Bunty war ein eigenwilliger Bursche,« erinnerte sich Toby Howard, einer seiner ehemaligen Mitschüler. »Wir bewunderten ihn, schon weil er uns so gefährlich schien. Ich gehörte zu denen, die er in seinem Sizaire gelegentlich mitnahm. Sein Fahrstil war riskant, er fuhr immer viel zu schnell. Und wenn sein Temperament mit ihm durchging, musste man sich in Acht nehmen, selbst die Lehrer. Da flog schon mal gelegentlich ein Tintenfass durch das Klassenzimmer …«

      1924, knapp siebzehnjährig, verließ Bunty samt Sizaire-Naudin aus eigenen Stücken Wellington. Mit vielen seiner Mitschüler hielt er lebenslang Verbindung, verkaufte ihnen Autos und schrieb ihnen Postkartengrüße aus den entferntesten Ecken der Welt. Den einen oder anderen brauchte er auch zum Anpumpen.

      Mit vielen anderen jungen Männern seines Standes teilte sich Bunty in den zwanziger Jahren das Schicksal, über einen guten Namen, sogar über ein einigermaßen gutes Ansehen zu verfügen, aber nur über sehr geringe Barmittel. Sicher, da gab es Beziehungen nach allen Richtungen, Bunty verspürte aber keine Neigungen, diese für den Start zu einer beruflichen Karriere zu nutzen. Wozu auch – die Familie war ein wenig vermögend, und wenn man nicht zu unbescheiden lebte, hatte man sein Auskommen. Auch Buntys Vater, obwohl als Wissenschaftler ausgebildet, ging keinem Broterwerb im herkömmlichen Sinne nach.

      Doch wie sein Vater über einen akademischen Grad zu verfügen, und sei es nur der eines Baccalaureus, schien Bunty schon aus gesellschaftlichen Erwägungen nützlicher als sich dem Müßiggang ohne einen solchen hinzugeben. Er begab sich deshalb nach Cambridge und schrieb sich im Trinity College ein. Wie er das geschafft hatte, war für alle, die das strenge Auswahl-Zeremoniell kennen, ein Rätsel.

      »Ich konnte die Herren des Komitees überzeugen, dass meine ganze Leidenschaft der Ergründung mechanischer Phänomene gehört,« steht in einem der frühen Tagebücher Buntys. »Es waren allesamt Naturwissenschaftler konservativer Prägung. Aber sie stehen dem Automobil nicht ablehnend gegenüber, und dass ich ein solches zu bedienen verstehe, schien sie zu beeindrucken. Ich wurde der Belegung jener Studiengänge für geeignet und würdig erkannt, die dem Gesamtbegriff ›Engineering‹ zuzuordnen sind. Ich bin darüber sehr glücklich.«

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      Nach einem selbst zusammengebauten Dreirad war dieser Einsitzer das zweite Motorfahrzeug, das Bunty besaß – und dessen Anschaffung er selbst vor seiner Mutter geheim hielt, aus Furcht, es könnte sich im Trinity College herumsprechen und zu seinem Rausschmiss führen. Das Monocar hatte den Nachteil, dass sich keine zweite (vor allem weibliche) Person mitnehmen ließ.

      Im Dinnerjacket der Razzia entwischt

      Das nun endlich als seriöse Beschäftigung anerkannte Spielen mit Autos und Motoren, das Debattieren um Kompressionswerte und Öltemperaturen, das Experimentieren mit Werkstoffen, geheimnisvollen Substanzen und mechanischen Geräten machten Buntys Studiengegenstand aus. In Cambridge warteten also neue Abenteuer – und neue Gelegenheiten, Geld loszuwerden. Seine Eltern vermochten längst nicht mehr aufzubringen, was der anspruchsvolle Herr Studiosus und künftige Ingenieur benötigte. Nebenbei einem einträglichen Job nachzugehen, war in Cambridge wie an anderen Elite-Lehranstalten weder üblich noch möglich, also lernte Bunty schon bald, einfach das Geld anderer Leute auszugeben – Geld, das jene ihm zusteckten, die ihn liebten, verehrten, bewunderten. Hinzu kam Buntys sich gut entwickelnder Geschäftssinn, der, gepaart mit einigen anderen seiner Eigenschaften, ihm ein bequemes Leben zu führen ermöglichte. Wer seine wahren Verhältnisse nicht kannte, musste den Eindruck haben, Bunty verkehre dank nobler Herkunft in nur besten Kreisen und sei von Haus aus gut betucht. Schon die Tatsache, dass der junge Mann stets einen, wenn nicht gar mehrere Wagen besaß, unter denen sich häufig teure Exoten befanden, musste diesen Rückschluss nahe legen.

      Mit interessanten Fahrzeugen – ob nun gekauft, geliehen oder geschickt ergaunert – Eindruck zu schinden, entsprach ganz Buntys Sinn für exzentrische Lebensart. Er war schlichtweg ein Angeber. Aber einer, dem man die Angeberei nicht übel nahm. Weil sie nichts mit Überheblichkeit zu tun hatte, nichts mit Snobismus oder mit Prahlerei. Jeder schätzte Buntys Herzlichkeit, seine Hilfsbereitschaft, seine Liebenswürdigkeit und vor allem seinen Sinn für jede Art von Humor.

      Während seiner Zeit in Cambridge hatte sich Bunty, mit wessen Geld auch immer, nach dem Verkauf seines Sizaire-Naudin einen amerikanischen Mercer Raceabout zugelegt. Tagebuchauszug: »Welch ein entzückendes Stück Technik habe ich da an die Hand bekommen. Die Mädels sind jetzt wahnsinnig hinter mir her! Es muss der einzige Mercer in England sein. Er macht einen Höllenlärm, auf dem Universitätsgelände hat man mir deshalb gestern generelles Fahrverbot erteilt. Mutter wäre sicher begeistert, würde sie den Wagen sehen …«

      Im Trinity College unliebsam aufzufallen war riskant. Ein paar Semester galt es schon durchzuhalten, und das Leben in Cambridge war ja auch recht kurzweilig. Besonders abends und nachts. Das Aufsuchen von Jazzkellern wie den in der Gerard Street war den Studenten natürlich strikt untersagt, und um sicherzugehen, dass dieses Verbot auch eingehalten wurde, gab es auf Anordnung des Dekans in solchen Etablissements gelegentlich sogar Polizeikontrollen. Tagebuchauszug: »Mit knapper Not der gestrigen Razzia entkommen. Peter, Thomas und ich konnten uns durch einen Sprung auf das Musikerpodium retten. Haben Instrumente ergriffen und so getan, als seien wir Mitglieder des Orchesters. Polizei hat es offenbar geglaubt, weil wir als einzige