Halwart Schrader

Bunty


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meist ein anderes Auto in Zahlung geben. Bunty ließ sich darauf aber nur ein, wenn es sich um eine Besonderheit handelte. Ein Auto, das für sich oder Averil zu behalten lohnte oder für das er einen Liebhaber in petto hatte. Auf diese Art und Weise ergaben sich Ringtausch-Transaktionen, die Rock Cottage gelegentlich zu einem Museum mit in rascher Folge von wechselnden Exponaten machten. Ich war vielleicht zehn Mal dort, und bei jedem Besuch warteten automobile Überraschungen auf mich.

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      Bunty legte mir diesen hübschen, zweisitzigen Rolls-Royce 20 hp von 1929 sehr ans Herz. Für 250 Pfund hätte ich ihn haben können. Ein Schnäppchen, denn im Vergleich zu vielen anderen seiner Autos dieser Preisklasse war der Wagen gut beieinander. Ich widerstand dennoch. Nicht zuletzt, um unsere Freundschaft nicht durch das Risiko eines Geschäfts zu belasten.

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       Bunty mit Putzzeug? Nur für den Fotografen! Er pflegte es Hilfswilligen zu überlassen, sich um das Erscheinungsbild seiner Fahrzeuge zu kümmern. Und die übertrieben derlei Tätigkeiten auch nicht gerade: »Wir sind ehrliche Leute … unsere Autos müssen erkennen lassen, dass sie alles andere als neu sind, sonst sähe es aus, als machten wir den Kunden etwas vor!

      Tapfer und des Schwimmens kundig

      Buntys Lebensgeschichte beginnt natürlich zu einem Zeitpunkt, an welchem es ihn noch gar nicht gab: an einem schönen, warmen Frühlingsnachmittag des Jahres 1906.

      Auf dem Cholmont Walk an der Themse geht eine wohlproportionierte, nicht gerade blutjunge Dame spazieren; sie heißt Grace mit Vornamen und Eustace mit Familiennamen. An jedem Nachmittag, sofern das Wetter es erlaubt, macht sie diesen Spaziergang. Nicht allein; ihr Begleiter ist männlichen Geschlechts und sehr viel kleiner als Grace. Es ist ein braungefleckter Terrier.

      Ein ziemlich dämlicher Terrier muss es gewesen sein, denn normalerweise fallen Hunde nicht einfach ins Wasser. Und sollte Grace ihn etwa in den Strom gestoßen haben, mit der Spitze ihres Schuhs, wäre er genauso dämlich gewesen, dies nicht geschickt pariert zu haben. Warum aber hätte sie so etwas Gemeines tun sollen?

      Wir wollen Grace nichts Arges unterstellen, denn Niedertracht war keine ihrer Eigenschaften. Aber es würde gut in den Ablauf der Geschichte passen, hätte die attraktive Lady im besten – um nicht zu sagen: allerbesten – heiratsfähigen Alter dem Hundchen mal eben ein wenig bei einer Mutprobe nachgeholfen, zum Beispiel, um canines Schwimmverhalten zu studieren. Dann wäre der Terrier nur ein Mittel zum wissenschaftlichen Zweck gewesen, und falls dem so gewesen sein sollte, war dieser Zweck zugleich eine Prüfung ganz anderer und doch derselben Art: Miss Eustace hatte möglicherweise nichts anderes im Sinn, als die Spontaneität, das Reaktionsvermögen und vielleicht zugleich auch die Schwimmkünste eines Retters zu ermitteln, der auf ihren Hilferuf sofort herbei eilte, als ob er darauf gewartet hätte, sich seines Jacketts entledigte und in die schon damals recht trüben Fluten der Themse sprang – um den pudelnassen Terrier an Land zu bringen.

      Auch wenn der Hund das Bad ganz freiwillig oder vielleicht doch nur aus reinem Versehen genommen haben sollte, hätte sich der junge, adrette Ägyptologe Phillip Scott-Moncrieff nur allzu gerne ins Wasser begeben, um Grace endlich einen Gefallen erweisen zu können, in einem Moment, auf den er schon lange gewartet hatte – schon einige Male war er ihr hier begegnet, hatte ihr schöne Augen gemacht, aber nicht den Mut gefunden, das Wort an sie zu richten … Diese einmalige Gelegenheit, eine Beziehung einleiten zu können, obendrein in der Rolle eines Helden, durfte er sich jetzt einfach nicht entgehen lassen.

      Fortan hatten die beiden einen guten Grund, das eine oder andere Themsestündchen gemeinsam zu absolvieren: Sie passten zu zweit auf den Terrier auf, um zu verhindern, dass er jemals wieder versehentlich ins Wasser stürzte. Was jetzt ja auch sinnlos gewesen wäre.

      Natürlich stellte Phillip seiner verehrten Grace schon bald einen Heiratsantrag (das soll sie angeblich sehr überrascht haben), was aber sowohl von der einen als auch von der anderen Familie mit einiger Zurückhaltung aufgenommen wurde. Graces Eltern hatten es aufgegeben, sich um einen Heiratskandidaten für sie zu bemühen, und Phillips Eltern hatten sich für ihren Sohn eine etwas jüngere Partie gewünscht. Denn Grace war knapp zwanzig Jahre älter als ihr Anbeter.

      Gleichwohl wollte sich Miss Eustace den Antrag des jungen, dynamischen Rettungsschwimmers und Hundefreundes gut überlegen, und wie es damals in feinen Kreisen Englands üblich war, buchte sie zu diesem Behufe erst einmal eine Reise nach Indien.

      Als sie nach drei Monaten nach Richmond zurückkehrte, gab sie dem ungeduldig Wartenden nach weiteren sechs Wochen Bedenkzeit das Jawort. Dass sie zu diesem Zeitpunkt bereits schwanger war, verriet sie niemandem. Für ein Neinwort wäre es also ohnehin zu spät gewesen. Das glückliche Paar ließ sich im Londoner Vorort Egham, wo die Scott-Moncrieffs wohnten, trauen, und am 1. Juli des Jahres 1907 brachte Grace Scott-Moncrieff einen gesunden Sohn zur Welt: David William Hardy.

      Dass sich diese drei schönen Namen schon bald auf das Kürzel »Bunty« reduzierten, schrieb man Phillips Bruder Bill zu. Angeblich soll er es gewesen sein, der den Knaben von Anfang an so und nicht anders zu nennen pflegte, und bald nannte ihn jeder so. Bunty vermochte sich nicht zu erinnern, in der Familie jemals anders gerufen worden zu sein. Sein Leben lang behielt er diesen Namen bei, denn er gefiel ihm selbst sehr gut.

      Bunty, nicht Bounty. Auch wenn es ein berühmtes Schiff dieses Namens gegeben hat, auf dem es bekanntlich in der Südsee eine wilde (und später mit Charles Laughton grandios verfilmte) Meuterei gegeben hat. Die Assoziation liegt nahe, denn Bunty hatte Seemannsblut in seinen Adern. Sein Großvater war nämlich kein Geringerer als jener Schiffsbaumeister Scott aus Glasgow, der als Partner von Hercules Linton 1869 in Dumbarton den Shanghai-Teeclipper »Cutty Sark« auf Kiel gelegt hatte (als Museumsschiff erlitt es 2007 am Kai von Greenwich einen schweren Feuerschaden). Dass dieser Name später zu einer bekannten Whiskymarke avancieren würde, konnte im 19. Jahrhundert noch niemand ahnen, aber Bunty war dies natürlich schon recht. Wenngleich er kein großer Whiskyfreund war; Brandy, einen guten Port und französische Rotweine mochte er lieber.

      Von der Mutter die Autoleidenschaft

      Bunty sprach stets in Ehrfurcht von seinem Vater. Aber es war die Mutter, der seine besondere Zuneigung galt, und diese erwiderte sie mit der gleichen Innigkeit. Bunty war ihr spätes, sehnlich gewünschtes und einziges Kind. Der Knabe hing so sehr an ihr, dass er vor Sehnsucht oft in die Kissen weinte, als er im Wellington-Internat in Copthorne von ihr getrennt war. Voller Ungeduld erwartete er die Wochenenden, wenn sie ihn besuchen kam, und erst recht die Ferien; die verbrachten Mutter und Sohn an der Küste. Mrs. Scott-Moncrieff holte ihren Jungen vom Internat stets mit einem älteren, kettengetriebenen Vierzylinder-Mors ab, ein französisches Automobil, das sie bei der Mors-Repräsentanz in London erworben hatte, jener Firma, die vor Jahren von einem gewissen Charles Stewart Rolls – dem späteren Partner eines Mr. Henry Royce – gegründet worden war. Bunty wurde von allen Mitschülern beneidet, wenn seine Mutter so schneidig mit einem großen Wagen vorfuhr, und die Tatsache, dass sie überhaupt den Mut besaß, als Frau ein solches Ungetüm zu lenken, mag für Buntys spätere Autoleidenschaft mit ausschlaggebend gewesen sein. Immer wieder kam dieser Mors, Baujahr 1908, in Buntys Erzählungen vor.

      Das Fabrikat Mors war in England damals ebenso bekannt wie in Frankreich. Die Ende 1907 eingeführten neuen Vierzylinder mit Kardan- statt bisher Kettenantrieb waren übrigens auf Anregung eines damals in der Autobranche noch unbekannten Ingenieurs entstanden, den die Pariser Firma zu ihrem Geschäftsführer bestellt hatte. Er hieß André Citroën.

      In Wellington war Bunty mit Sicherheit der erste und einzige Schüler, der ein Auto besaß, wenn es auch niemand wissen durfte – zumindest die Lehrer nicht. Aber selbst seine geliebte Mutter hatte Bunty nicht eingeweiht. Sie wunderte sich nur über die ständigen Geldsorgen ihres Sohnes, von dem sie fest überzeugt war, dass er weder spielte noch wettete noch trank. Dass er das Geld brauchte, um einen Motorwagen zu finanzieren, darauf kam sie nicht. Angeblich war es der teure Tennisunterricht, der hohe Beträge