Kay Tetzlaff

Moderne Tauchmedizin


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ist das Wasser mit seiner hohen Wärmeleitfähigkeit ein Medium, das dem Körper Wärme entzieht. Dennoch besitzt das Sporttauchen in warmen Regionen einige Besonderheiten, die durchaus direkte medizinische Relevanz haben.

      Anders als im Sporttauchen verhält es sich, wenn im Bereich des Berufstauchens zum Kontaminationsschutz beim Tauchen z. B. in Faultürmen von Klärwerken oder anderen sehr warmen Einsatzorten Trockentauchzüge und Taucherhelme getragen werden müssen. Unter solchen extremen Umständen ist eine Überhitzung des Tauchers durchaus möglich.

      Fällt die Kernkörpertemperatur eines Menschen auf einen Wert unter 35 °C sprechen wir von einer Hypothermie. Dabei unterscheidet man die medizinisch induzierte künstliche Hypothermie, die bei bestimmten Operationen am offenen Herzen oder bei der Behandlung von Patienten nach Reanimation Anwendung findet, von der unabsichtlichen bzw. akzidentellen Hypothermie. Dass die Hypothermie auch günstige Effekte haben kann, ist eine wichtige Erkenntnis für das Verständnis der Reanimation von Ertrinkungsunfallopfern und/oder schwer hypothermen Patienten. Nur die rasch einsetzende Hypothermie ist es, die es dem Nervengewebe des Gehirns trotz Kreislaufstillstand möglich macht, Sauerstoffmangel deutlich länger ohne Schädigungen zu überstehen. Dadurch ist es immer wieder zu beobachten, dass Patienten auch nach langer Zeit unter Wasser ohne bleibende Schäden gerettet werden. Die Hypothermie ist sehr häufig mit Ertrinkungsunfall assoziiert. Dabei kann die Hypothermie Ursache oder Folge des Ertrinkungsunfalls sein (s. Kap. 12).

      3.1 Überhitzung (Hyperthermie)

      3.1.1 Anatomie, Physiologie und Pathophysiologie

      Beim gesunden Menschen liegt die normale Körpertemperatur zwischen 36 und 37 °C. Alle lebenswichtigen Vorgänge unseres Körpers laufen nur optimal in diesem engen Regelbereich. Schwankungen nach oben sind mit Erreichen von Temperaturen dauerhaft über 40,6 °C nicht mit dem Leben vereinbar. Zum Regelwerk der Temperatursteuerung gehören vor allem die hypothalamische Region des Gehirns, die Temperatursensoren der Haut, Schweißdrüsen, Blutgefäße und die Atmung. Steigt die Umgebungstemperatur, wird durch Schwitzen Verdunstungskälte erzeugt und über weitgestellte Blutgefäße Wärme abgegeben. Werden diese Mechanismen überfordert, kommt es zur Überhitzung und nachfolgend zum Kreislaufversagen durch Hitzekollaps. Gelingt es nicht, die Kernkörpertemperatur von 40,6 °C zu senken, kann es durch einen so genannten Hitzschlag zum Multiorganversagen mit häufig tödlichem Ausgang kommen.

      3.1.2 Gefahren beim Tauchen in warmem Wasser bzw. warmen Regionen

      Dehydratation. Die Dehydratation (Austrocknung) hat praktische Relevanz für das Tauchen in warmen Regionen und ist als schwerwiegender Kofaktor in der Entstehung einer Dekompressionserkrankung anzusehen.

      Eine wesentliche Ursache der Dehydratation ist eine dem warmen Umfeld nicht adaptierte Tauchausrüstung. Taucher aus Mitteleuropa reisen mitunter mit 7-mm-Neopren-Anzügen in tropische Tauchdestinationen, legen diese viel zu lange vor dem Tauchgang an (da sie z. B. als Neulinge auf einem Tauchboot glauben, schnell angezogen sein zu müssen, obwohl noch 45 min Fahrt vor ihnen liegen) und verlieren in dieser Zeit enorm an Flüssigkeit durch die regulatorisch einsetzende erhöhte Schweißsekretion.

      Außerdem ist unter solchen Umständen die Entwicklung eines Hitzekollapses vor dem Tauchgang gegeben. Die Taucher werden plötzlich bewusstlos und weisen einen kaum tastbaren Puls auf.

      Therapie. Meistens kann durch das Anheben beider Beine wieder genügend Blut in den Kreislauf zurückverlagert und das Bewusstsein wiedererlangt werden. Die weitere Behandlung besteht im sofortigen Ausziehen des Tauchanzuges und in der Kühlung der Körperoberfläche durch Verdunstung von Wasser (feuchte Handtücher, angefeuchtete leichte Kleidung, kühle Dusche, kühle Luftzufuhr) und ausreichende Flüssigkeitsaufnahme.

      Wichtiger ist jedoch die einfache Prävention solcher Situationen durch angepasste Tauchausrüstung und deren An- und Ablegen zu einem Zeitpunkt kurz vor und nach dem Tauchgang. Weiterhin ist die ausreichende Flüssigkeitsaufnahme durch den Taucher vor und nach dem Tauchgang eine zentrale präventive Maßnahme. Aus tauchmedizinischer Sicht kann Tauchern nur empfohlen werden, auf diesen Umstand sorgfältig zu achten.

      Hinweis. In den von der Klinik des Autors betreuten tauchmedizinischen Zentren auf den Malediven und den Seychellen propagieren wir gemeinsam mit den ansässigen Tauchbasen das „Two-Tank“-Prinzip: „One for air and one for water“. Dem Taucher wird damit vermittelt, die gut gefüllte Trinkflasche als selbstverständlichen Bestandteil seiner tropischen Tauchausrüstung zu betrachten.

      3.1.3 Sonnenstich

      Eine Sonderform der hyperthermen Krankheitszustände ist der isolierte Hitzschlag des Kopfes, auch als Sonnenstich oder Heliosis bezeichnet. Dieser wird durch die direkte Einstrahlung (langwelliger Lichtbereich bzw. Wärmestrahlung) von Sonnenlicht auf den unbedeckten Kopf und Nacken ausgelöst und entspricht mit den resultierenden Symptomen dem klinischen Bild einer Hirnhautentzündung (Meningitis). Typisch sind Schwindel, Übelkeit und Erbrechen, Nackenschmerzen (Meningismus), Müdigkeit und starkes Krankheitsgefühl. In der Akutphase ist die Körpertemperatur dabei fast immer normal. Hervorzuheben ist, dass vor allem Kleinkinder durch ihr, gegenüber Erwachsenen, relativ großes Kopfvolumen und die große Kopfoberfläche, verbunden mit spärlichem Haarwuchs, in den ersten Lebensjahren besonders gefährdet sind. Personen mit Glatze oder extrem kurzen Haar sind ebenfalls stark gefährdet. Die Prophylaxe besteht im Tragen einer geeigneten Kopfbedeckung bzw. im Vermeiden direkter Sonneneinstrahlung auf den Kopf.

      Therapie. Ist es zu einem Sonnenstich gekommen, wird der Betroffenen von sich aus die Bettruhe suchen. Schmerzmittel wie Ibuprofen und Paracetamol als Tablette oder Zäpfchen können und sollten gegeben werden. Die Symptome klingen dann innerhalb von 24 h stark ab und der Patient bedarf keiner weiteren Behandlung. Entscheidend ist jedoch, dass der Patient kein Fieber hat und tatsächlich eine erhebliche Menge Sonnenstrahlen abbekommen hat. Sollte dies nicht der Fall sein, der Patient aber sonstige Sonnenstichsymptome zeigen, muss der Patient dringend einer ärztlichen Untersuchung bzw. Behandlung zugeführt werden, da möglicherweise eine viel gefährlichere Hirnhautentzündung (Meningitis) als Sonnenstich fehlgedeutet werden könnte.

      Hinweis. Sonnenstichsymptome in Kombination mit Fieber können vor allem bei Kindern auf eine Meningitis hindeuten und müssen dringend ärztlich abgeklärt werden.

      Fallbeispiel. Ein junges Ehepaar aus Mitteleuropa reist mit seinem 6 Monate alten Säugling auf die Malediven zum Tauchurlaub. Da das Kind an den gemeinsam durchgeführten Tauchgängen nicht teilnehmen kann, wird es mit Sonnenschutzcreme behandelt und nackt in einem Kinderwagen ohne Kopfbedeckung und ohne Obhut im Schatten der Ufervegetation am Strand vorübergehend abgestellt. Die Eltern des Kindes haben jedoch nicht bedacht, dass bei ihrer zweistündigen Abwesenheit (14.00 bis 16.00 Uhr) sich die Sonnenposition ändert und damit auch der Schattenbereich. Somit ist das Kind wahrscheinlich ca. 45 min direkt der äquatorialen Sonne ausgesetzt. Gegen 22.00 Uhr wird dann das sehr krank wirkende Kind einem Arzt vorgestellt, der die Symptome einer Hirnhautentzündung diagnostiziert und eine umgehende Verlegung in ein örtliches Krankenhaus vornimmt. Dies geschieht auch deshalb, weil auf die Nachfrage des Arztes, ob das Kind zu viel Sonne abbekommen haben könnte, die Eltern wegen ihres offenbar entstandenen Unrechtsbewusstseins, dieses verneint haben. Der ärztliche Kollege hat somit die einzig richtige Entscheidung getroffen und das Kind einer Krankenhausbehandlung zugeführt, auch wenn sich nachträglich herausstellte, dass dies so nicht notwendig gewesen wäre.

      3.2 Unterkühlung (Hypothermie)

      3.2.1 Anatomie, Physiologie und Pathophysiologie

      Anders als bei der Erhöhung der Körpertemperatur, die mit der Temperatur von 42,8 °C ein tödliches Maximum erreicht, ist bei der Unterkühlung ein wesentlich größerer Wechsel des Temperaturbereichs überlebbar. Dennoch gilt auch hier, dass bei Unterschreiten der normalen Kernkörpertemperatur von 36–37 °C der menschliche Organismus zunehmend funktionellen Einschränkungen unterliegt, die im Extremfall tödliche Auswirkungen haben können. Um den Körper vor Auskühlung zu schützen, wird über den Hypothalamus u. a. das Kältezittern aktiviert. Zittern ist eine spezielle Form muskulärer Aktivität, die dazu dient, Wärme zu produzieren.

      Überlebenszeiten im Wasser

      In Tabelle 3.1