Kay Tetzlaff

Moderne Tauchmedizin


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in zahlreichen zivilen Einrichtungen wurde im Auftrag und mit Geldmitteln der US-Marine geforscht, wie zu Fragen der maximal tolerierbaren Sauerstoffdosis, der größten erreichbaren Tauchtiefe, bei der Menschen noch einsatzfähig sein würden, oder der Wassertiefe, aus der ein Aufstieg nach Sättigung in Luft noch ohne Dekompressionsstopps möglich sein würde. Bei allen Projekten in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts war ohne Zweifel der „Kalte Krieg“ der Motivationsfaktor; für den zivilen Bereich ergab sich nur wenig Stimulation. Eine Ausnahme sollte die Arbeit von Bühlmann bleiben, der zunächst mit Keller zusammen auf die Finanzmittel und die Einrichtungen der US-Marine angewiesen war, aber dann in Zürich eine bis heute nachwirkende Forschungsseinrichtung etablierte.

      Kompaktinformation

      Erst das 20. Jahrhundert hat die Tauch- und Überdruckmedizin als Spezialität hervorgebracht, wobei in der ersten Hälfte die Tauchmedizin militärisch dominiert und definiert war, während die Arbeit in Druckluft in die Zuständigkeit der sich allmählich emanzipierenden Arbeitsmedizin fiel. Es gab weltweit zu keiner Zeit eine Institution, die für alle Aspekte der Überdruckexposition, sei es trocken oder nass, eine umfassende Zuständigkeit reklamieren konnte, so dass bis heute nur einzelne Mosaiksteine zusammengetragen wurden, die noch immer kein kohärentes Bild ergeben.

      In Großbritannien waren ebenfalls die Streitkräfte auf dem Forschungssektor aktiv; durch die zunehmende Einsatzhöhe der Kampfflugzeuge rückte die Frage der Langzeitsauerstoffexposition in den Vordergrund, wobei sich der Sohn von Haldane als Wissenschaftler profilierte. Für die im 2. Weltkrieg zuerst von Italien, dann auch von Großbritannien und Deutschland eingesetzten Kampfschwimmer war ebenfalls die Frage der Sauerstofftoleranz von lebenswichtiger Bedeutung.

      Ebenso wurde die technische Entwicklung von kleinen, autonomen Drucklufttauchgeräten nebst Zubehör wie Maske, Flossen und Harpunen, die sich im mediterranen Frankreich der 30er und 40er Jahre vollzog und die Voraussetzung für die Etablierung einer Freizeitaktivität war, die heute als Sporttauchen bezeichnet wird, maßgeblich von drei Marineoffizieren, nämlich LePrieur, Tailliez und Cousteau vorangetrieben.

      Die deutsche Marine hatte erst spät die Bedeutung von U-Boot- und tauchmedizinischer Forschung erkannt. Nur wenige relevante Beiträge sind überliefert und verschwanden nach dem 2. Weltkrieg in den Archiven der Alliierten, die sich zusätzlich auch die wenigen namhaften Forscher für ihre eigenen Dienste sicherten. In der Bundesrepublik Deutschland wurde bereits mit Beginn der Wiederbewaffnung die Notwendigkeit für eine marineeigene Untersuchungs- und Forschungskapazität, die sich mit allen Taucherfragen befassen sollte, erkannt; das daraus (nach einigen Vorläufern seit 1957) entstandene Schifffahrtsmedizinische Institut der Marine hat unter seinen Leitern Wandel und Seemann nicht nur die tauchende Bundeswehr, sondern fast dreißig Jahre lang auch den zivilen Bereich des gewerblichen Tauchens und der Druckluftarbeit maßgeblich mitgestaltet: Die in der Berufstaucherei als Austauchtabellen eingeführten Verfahren waren bis zum Ende der 80er Jahre deckungsgleich mit den Tabellen der Bundeswehr; die gesundheitlichen Eignungsvorschriften (der sog. „G 31“) waren zunächst überwiegend von Marineärzten ausgestaltet worden, die ebenfalls in den einschlägigen Ausschüssen der Arbeitsschutzverwaltungen und zuständigen Berufsgenossenschaften maßgeblich vertreten waren. Die Anfänge der hyperbaren Sauerstofftherapie waren ebenfalls dort zu finden – gleichermaßen die Initiative zur Gründung der deutschen tauchmedizinischen Fachgesellschaft (1984) – und wenn man gegenwärtig die Liste der hierzulande publizistisch aktiven Tauchmediziner betrachtet, so findet sich bei ihnen zum überwiegenden Teil eine, wenn auch manchmal kurze, Marinehistorie; die Tendenz ist jedoch abnehmend.

      In den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts setzte dann eine Entwicklung ein, deren Dynamik gewisse Parallelen zum Goldrausch hundert Jahre früher aufweist: Es begann die Erkundung und Gewinnung von Erdöl und Erdgas im so genannten Offshore-Bereich, zunächst in der Nordsee, später auch im Golf von Mexiko, vor Brasilien, Indien usw. Dieser Bereich erstreckt sich bis in 200 m Wassertiefe und war ohne Taucher nicht zu erobern. Besonders in der Nordsee ereigneten sich in den ersten wilden Jahren gravierende Zwischenfälle, die häufig tödlich ausgingen, so dass schon bald die Regierungen der Anliegerstaaten zusammen mit den Betreibern der Exploration nach Problemlösungen suchten. Es entstanden zahlreiche üppig ausgestattete Einrichtungen mit einem breit angelegten Forschungsspektrum; darunter auch in Geesthacht bei Hamburg und Porz bei Köln, obwohl Deutschland bei der Verteilung der Ölvorkommen leer ausgegangen war. Regelmäßige internationale Tagungen sorgten für regen Austausch von Gedanken und Daten, allerdings stark dominiert von den englischsprechenden Ländern. Inzwischen hat diese Dynamik erheblich nachgelassen; durch Mittelkürzungen sind einige Einrichtungen geschlossen worden, andere arbeiten mit reduziertem Personal weiter; Deutschland hat sich aus diesem Forschungsgebiet gänzlich verabschiedet.

      Es war vor 30 Jahren kaum absehbar, dass der relativ überschaubare, weltweit aktive Kreis von Taucherärzten innerhalb kurzer Zeit von einer neu entstandenen Fachrichtung überdruckexponierter Mediziner nicht nur zahlenmäßig dominiert werden sollte: Mit der weltweit exponentiellen Zunahme hyperbarer Behandlungseinrichtungen, die die von der Tauchmedizin etablierte segensreiche Wirkung des Sauerstoffs im Überdruck auf eine Fülle von mehr oder weniger plausiblen Indikationen übertrugen, veränderte sich auch das internationale Erscheinungsbild der Tauchmedizin. Aus vielen HBO-Zentren kamen allerdings im Laufe der Zeit auch für die Taucherei nützliche Erkenntnisse, und ihre wichtige Funktion für die Behandlung akuter Druckfallerkrankungen ist unbestritten.

      1.9 Zukünftige Herausforderungen

      Die aktuelle Situation der Tauchmedizin in Deutschland lässt sich etwa so beschreiben: Der gewerbliche Bereich umfasst eine über die Jahre relativ konstant bleibende Zahl von einigen hundert Exponierten, deren Arbeit durch einschlägige Regularien sicherheitsoptimiert ist, wobei die überwiegende Mehrheit selten tiefer als 10 m tätig ist. Dort besteht mehr Fortbildungs- als Forschungsbedarf.

      Die gesundheitlichen Herausforderungen und Risiken der Arbeit in Druckluft, die anfänglich die Tauchmedizin wesentlich stimuliert hatten, stellen gegenwärtig nur einen peripheren und auch weltweit vernachlässigten Aspekt der Überdruckmedizin dar. Das steht in deutlichem Gegensatz zum tatsächlichen Bedarf einer Branche, die auf der ganzen Welt unter Anwendung der 150 Jahre alten Drucklufttechnik immer tiefere und längere Tunnel für das steigende Verkehrsaufkommen der Ballungsräume und Wirtschaftszentren baut.

      Die tauchmedizinische Forschung beschäftigt sich auch weltweit inzwischen fast ausschließlich mit den Herausforderungen von Millionen von Sporttauchern. Dieser Bereich zeigt ein ungebrochenes Wachstum, wobei die technische Weiterentwicklung der Ausrüstung mittlerweile extreme Möglichkeiten bietet, was die Tiefe und Dauer von Unterwasserexkursionen betrifft. Die Akzeptanz des Tauchcomputers als Sicherheitsfaktor und Schutzengel lässt auch den weniger Erfahrenen schneller an seine individuellen Grenzen kommen und darüber hinaus vorstoßen.

      Das Jahrtausende alte Apnoetauchen hat sich in den letzten Jahrzehnten zu einer Extremsportart entwickelt und überrascht die Medizin mit Rekordleistungen, die mit überkommenen Vorstellungen nicht zu erklären sind. Höhlentaucher erarbeiten sich individuelle Dekompressionsprofile, die eine Vielzahl differenzierter Gasgemische erfordern: eine logistische Herausforderung, die keine Fehler verzeiht. Die Verwendung von Nitroxgemischen wird zunehmend selbstverständlich, wobei der ursprünglich beabsichtigte Sicherheitszuwachs leicht ins Gegenteil umschlagen kann.

      In der inzwischen deutlich zurückgegangenen Zahl hyperbarer Behandlungseinrichtungen spielen Aspekte der Tauchmedizin für Patienten und Begleiter wohl eine entscheidende Rolle, vor allem das Barotrauma und die Toxizitätsgrenzen des hyperbaren Sauerstoffs, die aber inzwischen überall zur Routine zählen dürften. Die zentralen Fragen der Indikationsstellung, der Durchführung der Behandlung und Verlaufskontrolle fallen dann in die jeweiligen organsystemorientierten klinischen Fächer.

      Das Fehlen einer universitären Fachinstitution, an der sich die Tauch- und Überdruckmedizin im öffentlich-rechtlichen Rahmen orientieren könnte, hat in den letzten Jahren zu der erfreulichen landesweiten Vielfalt von individuellen Beiträgen aus Kliniken und Praxen geführt, die überwiegend aus persönlichem Interesse und Anteilnahme am Tauchsport oder auch durch die klinische Konfrontation mit gesundheitlichen Problemen von Tauchern entstanden sind. Dabei muss inzwischen der fließende Übergang