Kay Tetzlaff

Moderne Tauchmedizin


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Kontrolle dieser Sauerstoffvergiftung wurde eine Kenngröße festgelegt, die ZNS-Uhr (ZNS = zentrales Nervensystem). Dabei werden die Einwirkzeiten und die entsprechenden Partialdrücke von Tauchgängen berücksichtigt. 100% ZNS-Einwirkzeit werden als das absolute Maximum angesehen, allerdings ist dieser Wert nur empirisch ermittelt und festgelegt. Dem normalen Sporttaucher sollte diese Gefahr des Krampfanfalls stets bewusst sein und er sollte seine Expositionszeiten daher konservativ planen!

      Auch auf die Lunge wirkt ein erhöhter Sauerstoffpartialdruck schädlich, was jedoch eher ein Langzeiteffekt (s. auch Kap. 44, Spätschäden im Bereich der Lunge) ist. Diese Lungen- oder Ganzkörpervergiftung wird mit der OTU-Repex-Methode (OTU = „oxygen toxicity unit“) beziffert. Dabei entspricht ein OTU der Wirkung eines Sauerstoffpartialdrucks von 1 bar über den Zeitraum einer Minute. Für den ersten Tauchtag eines Urlaubs sollten 850 OTU nicht überschritten werden, am zweiten Tag sind es noch 700, dann 620 usw. Am 10. Tag bleiben lediglich noch 310 OTU zum „Vertauchen“ übrig. In der Praxis werden diese Werte jedoch selten erreicht, da meist vorher die ZNS-Uhr-Grenze von 100% überschritten wird, oder die Tauchgänge einfach zu lang sein müssten.

      Zu beiden Kenngrößen, also ZNS-% und OTUs gibt es von den verschiedenen Verbänden entsprechende Tabellen, aus denen man die Werte ablesen kann. Wenn auch die Werte teilweise nur empirisch ermittelt wurden, so empfiehlt es sich dennoch, sich an diese Werte bei der Planung seiner Tauchgänge zu halten.

      Weiterführende Literatur ____________________________

      1. Bove AA, Davis J: Diving Medicine. WB Saunders, Philadelphia, 2003

      Tipps für Tauchlehrer

      1. Es gibt eine Hemmschwelle gegen den Gebrauch nichtnatürlicher Atemgasgemische. Aus physiologischer Sicht spricht jedoch viel für die richtige Verwendung von Nitrox.

      Bedenke: Luft unter erhöhtem Druck ist auch kein natürliches Atemgas!

      2. Tauchen mit Nitrox nur nach einem einschlägigen Spezialkurs bei einer anerkannten Ausbildungsorganisation.

      3. Es ist vernünftig, bei der Verwendung von Nitrox einen Tauchplatz zu wählen, bei dem die maximal zulässige Einsatztiefe (pO2 = 1,4 bar) nicht überschritten werden kann.

      4. Nitrox ist das Atemgas für Vieltaucher (Urlaubstaucher, Ausbilder) und Personen mit PFO, vorausgesetzt, sie nutzen den Sicherheitsgewinn durch Verwendung von Lufttabellen/-computern.

      8 Technisches Tauchen

       M. Waldbrenner

      In den letzten Jahren hat das „technical diving“ oder technische Tauchen vermehrt an Popularität gewonnen. Eine formale Definition existiert bisher nicht, doch versteht man heute darunter meist komplizierte und lange Tauchgänge jenseits der Sporttauchgrenzen, die oft mit technischen Hilfsmitteln und anderen Gasen als Nitrox und Pressluft durchgeführt werden. Ebenso enthalten diese Tauchgänge meist erhebliche Dekompressionsverpflichtungen und der direkte Aufstieg zur Oberfläche ist verwehrt.

      Häufig sind es „zielbezogene“ Aufgabenstellungen, die zu diesen Tauchgängen führen, also tief liegende Wracks, Erforschung einer Höhle und andere tiefe Ziele.

      8.1 Was versteht man unter technischem Tauchen?

      Sicher kann man sagen, dass militärische Tauchgänge in der Vergangenheit unter dem heutigen Begriff des technischen Tauchens zu subsumieren wären, denn sie hatten eine „Mission“, wurden oft mit technischem Gerät (Kreislauftauchgerät) und meist mit „Mischgas“, damals Nitrox oder Sauerstoff durchgeführt.

      Der Begriff „technical diving“ wurde 1991 von Michael Menduno, Herausgeber der Zeitschrift Aquacorps, wie folgt definiert: “… a discipline that uses special tools and methods to improve underwater safety and performance enabling a diver to conduct operations in a wide range of environments and perform tasks beyond the scope of recreational diving“, also „ … eine Disziplin, bei der spezielle Hilfsmittel und Methoden zur Erhöhung der Tauchsicherheit und der Leistungsfähigkeit eingesetzt werden, die es ermöglichen, Tauchgänge in einer Vielzahl von Umgebungen durchzuführen, weit über die Möglichkeiten des Sporttauchens hinaus“.

      Später wurde diese Definition dann zu den folgenden Punkten zusammengefasst:

      ■ tiefer als 40 m,

      ■ andere Atemgase als Pressluft,

      ■ direkter Aufstieg zur Oberfläche unmöglich (Höhle, Wrack oder erhebliche Dekompressionsverpflichtung),

      ■ spezielles technisches Equipment und Ausbildung über den Stand des Sporttauchens hinaus notwendig,

      ■ Wechsel des Atemgases während eines Tauchgangs.

      Diese Definitionen sind jedoch ebenfalls unscharf, denn demnach wäre ein Nitroxtauchgang per Definition ein technischer Tauchgang, ebenso wie ein Eistauchgang, da ja auch hier der direkte Weg zur Oberfläche versperrt ist. Tatsächlich werden diese Tauchgänge aber heutzutage als reine Sporttauchgänge betrachtet. Daher wird es immer einen Graubereich zwischen dem Sporttauchen sowie dem technischen Tauchen geben und diese Grenze wird sich auch weiter verschieben.

      8.2 Motivation

      Als George Mallory, ein britischer Bergsteiger, 1923 gefragt wurde, warum er auf den Mount Everest steigen wollte, antwortete er, „weil er da ist“. Diese Einstellung führte schon oft dazu, dass Menschen die Grenzen des bisher Erreichten überschreiten wollten. Heute gibt es allgegenwärtig Grenzen, die zum Teil durch Vernunft, oft aber durch reine Willkür festgelegt wurden. Und es gibt immer wieder Menschen, die nach dem „Warum?“ fragen und die bereit sind, diese Grenzen für sich zu verschieben.

      Beim Tauchen geht es nicht darum, einfache Tieftauchgänge durchzuführen, auch wenn diese unter technische Tauchgänge fallen, sondern meist gibt es eine weitere Motivation, wie zum Beispiel ein unbetauchtes Wrack, eine unerforschte Höhle oder Ähnliches, zu erkunden (Abb 8.1). Die Rekordsucht ist im technischen Tauchen meist verpönt, da es sich bei dieser ja ausschließlich darum dreht, ein hohes Risiko einzugehen.

      Abb. 8.1: Höhlentaucher mit Scooter und Stageflaschen in Höhle (Foto: David Rhea)

      8.3 Tiefe

      Inzwischen werden im Bereich des Hobbytauchens (denn es wird immer noch als Hobby ausgeführt) regelhaft Tiefen von 100 m aufgesucht. Dies galt früher als extrem tief; heute gibt es wahrscheinlich an jedem Wochenende etliche Taucher, die diese Grenze überschreiten. Aber man sollte sich gerade deshalb immer wieder vor Augen führen, dass ein Fehler in 100 m Tiefe nur eine sehr geringe Überlebenschance lässt. Wenn man nur den Gasverbrauch in diesen Tiefen berechnet, wird einem klar, wie schnell die Uhr tickt. Für das Kreislaufgerätetauchen sei in diesem Zusammenhang das Stichwort „Bail-out“, also offene Notfallreserve, erwähnt. Hierunter versteht man die Gasmenge, die nicht für den eigentlichen Tauchgang verplant wird, sondern für den Ausfall von Equipment als zusätzlicher Gasvorrat mitgeführt wird. Welche Faktoren beeinflussen nun unsere Tauchgänge in die Tiefe?

      8.4 Druck

      In jeder Tiefe herrscht ein hydrostatischer Druck, der näherungsweise mit p = (D/10) + 1 angegeben werden kann, wobei D die Tiefe in Metern darstellt. Die 1 kommt als Offset für den atmosphärischen Druck hinzu.

      In 70 m Tiefe haben wir also p = (70/10) + 1 = 7 + 1 = 8 bar an hydrostatischem Druck, der auf uns wirkt, ebenso wie auf die gesamte mitgeführte Ausrüstung. Diese Tatsache ist zwar in der Theorie vielen Tauchern klar, aber etliche Ausrüstungsgegenstände sind möglicherweise niemals für solche Drücke konzipiert. Ein Beispiel dafür sind einige Tauchlampen, aber auch Finimeter und alte Tiefenmesser. Auch wenn der Prüfdruck bei einigen Geräten 10 bar beträgt, so muss sorgfältig getestet werden, ob diese Belastungen auch im harten Einsatz unter Wasser gelten. Taucheruhren werden manchmal nur bis zu einem bestimmten Druck in einer Kammer getestet. Allein das Tragen am Arm und das Drücken der Bedienknöpfe unter Wasser ist hierbei schon nicht vorgesehen. Schließlich rechnete früher einfach niemand damit, dass diese Geräte dann auch tatsächlich in solchen