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500 Jahre Reformation: Bedeutung und Herausforderungen


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(EKD), Berlin.

      Tarr Czelovszky, Klára; *1971, Dr. theol., Leiterin der Abteilung Ökumenische und Außenbeziehungen der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Ungarn, Budapest; Mitglied des Präsidiums der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE), Wien.

      Thönissen, Wolfgang; *1955, Prof. Dr. theol., Professor für Ökumenische Theologie an der Theologischen Fakultät Paderborn und Leitender Direktor des Johann-Adam-Möhler-Instituts für Ökumenik, Paderborn.

      Thompson, Karen Georgia A.; *1965, Pfarrerin, Leiterin der Abteilung Ökumenische und Interreligiöse Beziehungen, Vereinigte Kirche Christi, Cleveland (OH), USA.

      Tveit, Olav Fykse; *1960; Pfr. Dr. theol., Generalsekretär des Ökumenischen Rates der Kirchen, Genf.

      Visser, Douwe; *1953, Dr. theol., Geschäftsführer für Theologie, Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen, Hannover.

      Wallraff, Martin; *1966, Prof. Dr. theol., Professor für Kirchen– und Theologiegeschichte, Universität Basel.

      Wang, Aiming; *1963, Pfr. Dr. theol., Dr. h.c., Ordinarius (Systematische Theologie, Historische Theologie, Hermeneutische Theologie), Vizepräsident des Nanjing Union Theological Seminary, Nanjing, China.

      Williams, Lord Rowan Douglas; *1950, Dr. theol., The Rt Revd & Rt Hon Baron Williams of Oystermouth, Rektor des Magdalene College, Cambridge, UK; ehem. Erzbischof von Canterbury. |15|

      Wushishi Ibrahim Yusuf; *1964, Dr. theol., Pfarrer der Nigerian Baptist Convention, Mitglied des Exekutivausschusses der Christian Association of Nigeria(CAN) und Christian Health Association of Nigeria (CHAN), Generalsekretär des Christian Council of Nigeria. (CCN), Lagos. |16|

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      Einführung

      

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      Michel Müller, Zürich

      Eröffnungspredigt

      Zu Apg 11, 1–18

      Liebe Gemeinde

      Viele von Ihnen werden nun also 3–4 Tage und Nächte hier in Zürich verbringen anlässlich des Kongresses, den wir mit diesem Gottesdienst eröffnen. Ich vermute, dass manche von Ihnen zu Hause berichten werden, wollen oder müssen, was Sie hier Sinnvolles getan haben. Sie sind in einer bedeutenden Stadt der Christentumsgeschichte, und deshalb sind Sie hierhergekommen. Andere kommen her wegen der Streetparade und des Zürich Film Festivals, das gestern zu Ende ging. Sie könnten hier auch völlig überteuerte Designerhandtaschen oder Luxusuhren kaufen. Ob die Daheimgebliebenen da vorwurfsvolle Fragen stellen oder es gar einen medialen Sturm auslöst? Vielleicht nicht. Aber es stellt sich eine andere, die entscheidende Frage: Kann an einem solchen Ort, hier und heute, der Geist Gottes uns auf eine Art begegnen, dass es einen Sturm auslöst? Erwarten wir überhaupt so etwas? Oder wozu sind Kongresse sonst da?

      Werden wir uns im Nachdenken über Reformation rechtfertigen müssen für unser Tun und Nichtstun? Kommt es denn überhaupt auf uns an? Mit Petrus fragen auch wir doppeldeutig: «Wer bin ich, dass ich Gott hätte in den Weg treten können?»

      Das formuliert der Apostel zunächst einmal ganz zurückhaltend in der Tradition eines Mose oder Jeremia. Der Geist Gottes baut an seiner Kirche! Wer wären die einzelnen Dienerinnen und Diener – und wenn es der erste Papst wäre –, dass er dem Geist entgegen treten könnte? Der Geist ist bei Lukas frei, Fakten zu schaffen, denen die Kirche dann folgen kann, folgen muss mit ihren Handlungen. Hier konkret folgt die Taufe dem Empfang des Geistes. Manchmal ist es bei Lukas auch umgekehrt, und der Geist folgt erst der Taufe. Der Geist ist frei. Denn es ist Gottes Geist. Aber das heißt nicht, dass er nicht wirkt. Sein Wirken darf erwartet werden, und zwar auch überraschend und gegen eigene wohlgepflegte theologische Überzeugungen. Die Geschichte der Kirche ist entsprechend dem dritten Artikel des Glaubensbekenntnisses auch die Geschichte des Heiligen |20| Geistes. Nun haben die christlichen Kirchen ausgeklügelte Systeme entwickelt, um das Wirken des Geistes zu prüfen und zu domestizieren. Ja, wir müssen den Geist prüfen. Dazu verpflichten uns die Irrungen und Wirrungen der Kirchengeschichte, gerade auch unserer eigenen. Darum müssen wir fragen: Wie sind die letzten 500 Jahre als Wirkung des Geistes Gottes zu verstehen? Wie hätte Lukas seine Geistgeschichte fort-geschrieben? Kämen die Protestanten darin vor, als eine Wirkung des Geistes? Manche Vertreter anderer Kirchen würden das wohl auch nach 500 Jahren bezweifeln. Wir hier in der Zürcher Kirche hingegen glauben das. Unsere Kirchenordnung (KO) bekennt, dass Kirche «gebaut wird durch Gottes Geist»1. Punkt – Doppelpunkt: Nicht nur wir, sondern eine Vielzahl von Kirchen, die in den letzten Jahrhunderten entstanden sind und von hier und Wittenberg und all den Reformationsorten ausgegangen sind, sehen sich im Glauben als Wirkungen des Geistes Gottes. Aber wie geht das zusammen: der eine Geist und die vielen Kirchen?

      Der vor Jahren verstorbene Ökumeniker Oscar Cullmann verstand die Vielfalt der christlichen Kirchen geradezu definitorisch als eine Wirkung des Geistes. So schreibt er in seinem berühmten Buch «Einheit durch Vielfalt»: «Wer den Reichtum der Fülle des Heiligen Geistes nicht respektiert und Uniformität will, sündigt gegen den Heiligen Geist»2. Und ist es dann nicht umgekehrt auch als Wirkung des Geistes zu betrachten, dass es da nach wie vor neben den protestantischen Kirchen eine römisch–katholische Kirche gibt? Deshalb könnte gelten: «In den ökumenischen Beziehungen ist dies wichtig: Das, was der Geist in den anderen gesät hat, nicht nur besser zu kennen, sondern vor allem auch besser anzuerkennen als ein Geschenk auch an uns»3. Das war nun nicht Cullmann mit seiner Idee der Charismen in allen Kirchen, sondern ein Zitat des römischen Bischofs! Und gleich anschließend sagt Papst Franziskus in diesem kürzlich geführten Interview mit der Jesuitenzeitschrift «Civiltà Cattolica»: «Wir müssen vereint in den Unterschieden vorangehen. Es gibt keinen anderen Weg, um eins zu werden. Das ist der Weg Jesu.» «Vereint in den Unterschieden» ist vielleicht nicht dasselbe wie «versöhnte Verschiedenheit», wie wir Protestanten sie verstehen, aber auch nicht etwas völlig |21| anderes als das Konzept unserer Leuenberger Gemeinschaft. Ist dies die aktuelle Herausforderung für uns alle – gerade auch gegenüber den jungen Kirchen wie den Pfingstkirchen, die den Geist programmatisch im Namen tragen? Wir reden hier von der mittlerweile zweitgrößten Gruppe im weltweiten Christentum – wie werden wir eigentlich mit ihnen Reformation feiern und Erneuerung thematisieren, erbitten, erfahren? Und wie werden wir mit den ganz alten Kirchen umgehen? Werden wir allen Ernstes bald nach 500 Jahren Reformation des tausendjährigen Schismas gedenken müssen?

      Wirklich: Wir müssen sie alle prüfen, die Geister, und gerade das kann und soll eine Aufgabe eines Kongresses von theologischen und kirchenleitenden Fachleuten sein. Wir besprechen die Geschichte und deren Folgen, lernen daraus und beziehen daraus auch unsere Inspiration. Wozu sonst sollten wir uns treffen? Ist unsere Lage also ähnlich wie jene derer, die damals in Jerusalem zu prüfen und zu entscheiden hatten?

      Wer sind wir? Wer bin ich? Diese Fragen stellt derselbe Petrus, der gesagt hat, man müsse Gott mehr gehorchen als den Menschen. Eine Haltung, die Martin Luther in Worms vor Augen hatte, als er sagte, er müsse seinem Gewissen mehr gehorchen als Kirche und Kaiser: «Hier stehe ich und kann nicht anders.» Wirklich so gesagt oder nicht: Es macht ja den Reiz solcher Sätze aus, dass sie exemplarisch etwas vom Wesen des Geschehenen auf den Punkt bringen. Da steht ein Einzelner vor Machthabern und vor Gott, vom Geist bewegt, seinem Gewissen und dem Wort Gottes treu zu sein, gegen den Rest der Welt. Da kommt es plötzlich auf den einen Einzelnen an, der tapfer Rechenschaft ablegt. Der in Gottes Namen «etwas Tapferes tut.» Diese Wendung, «etwas Tapferes tun» steht in Zürich beispielhaft für das Wirken Zwinglis. Sie wurde in einem anderen Zusammenhang als Luthers Satz geschrieben, und doch galt und gilt auch hier: Wenn der Geist Gottes uns durch die Schrift dazu bringt, dann müssen wir ihm folgen. «Tuont um Gottswillen etwas Dapfers», schrieb Zwingli. Sie können es in der Sakristei nachlesen. Wer wären wir, ihm entgegenzutreten? Dabei ist die Spannung, ja Widersprüchlichkeit auszuhalten: Nein, es geht hier nicht um einzelne heroische Gestalten, sondern um Christi Kirche, gebaut durch seinen Geist.