sogar Überfunktionssymptome34, andere dagegen haben trotz erhöhter TPO-Antikörperwerte keine Symptome. Ich rate jedem Menschen mit einer Autoimmunerkrankung der Schilddrüse konsequent von der Einnahme jodhaltiger Ergänzungsmittel ab; auch von solchen Supplementen, die eigens für die Gesunderhaltung der Schilddrüse gedacht sind, denn viele enthalten ebenfalls Jod.
Dieser Ratschlag mag diejenigen verwirren, deren Schilddrüsenunterfunktion auf einen Jodmangel zurückgehen soll. Zwar ist ein Jodmangel weltweit die häufigste Ursache der Hypothyreose35, doch in den USA und anderen von westlichen Einflüssen geprägten Ländern ist die Hashimoto Thyreoiditis für die Mehrheit der Hypothyreosefälle verantwortlich.36 Zudem geht aus Studien hervor, dass in Ländern wie China, der Türkei und Sri Lanka37, 38 die Zahl der Autoimmunerkrankungen der Schilddrüse steigt, wenn ein Jodmangel durch die Verabreichung von Jod korrigiert werden soll. Dasselbe gilt auch für die Anreicherung von Tafelsalz mit Jod in einigen Teilen der Welt.39 Die Jod-Supplementierung ist nicht per se die Ursache von Hashimoto, scheint aber wohl ein auslösender Faktor zu sein.40
Einige populäre Bücher zur Jodtherapie empfehlen sogar die Einnahme hoher Jodmengen, um die Symptome der Hashimoto Thyreoiditis abzufangen, da die TPO-Produktion durch solche „Megadosierungen“ eingestellt und die Bildung von Schilddrüsenhormonen blockiert wird. Infolgedessen wird die Aktivität der Schilddrüse herabgesetzt, und die Hypothyreose-Symptome werden so unterdrückt.
Wenn Sie an eine Jod-Supplementierung denken, Ihre Symptome aber stark in Richtung einer Hashimoto Thyreoiditis weisen, lassen Sie sich umfassend untersuchen, um eine Autoimmunerkrankung der Schilddrüse auszuschließen. Autoimmunerkrankungen haben viele Gesichter und negative Testergebnisse sind nicht immer eindeutig. Einmal abgesehen davon, dass man sich glutenfrei ernähren und insgesamt auf seine Gesundheit achten sollte, wovon in späteren Kapiteln noch die Rede sein wird, ist das Vermeiden zusätzlicher Jodbelastungen eine weitere Strategie zum Erhalt des Schilddrüsengewebes.
Weitere beteiligte Faktoren
Es gibt zwar keine allgemeingültigen Regeln, wodurch eine Autoimmunerkrankung ausgelöst wird, doch scheinen gewisse Faktoren an der Entstehung einer Hashimoto Thyreoiditis beteiligt zu sein. Dazu gehören Glutenintoleranz, Östrogendominanz, Insulinresistenz, polyzystisches Ovarialsyndrom (PCOS, eine der häufigsten Stoffwechselstörungen bei Frauen; Anm. d. Übers.), Vitamin-D-Mangel, Umweltgifte, chronische Infektionen und Entzündungen sowie eine genetische Veranlagung.
Stress
Stress ist in dem Konglomerat, aus dem eine Autoimmunerkrankung besteht, zweifellos der größte Faktor. Obwohl die folgenden Faktoren als Stressoren betrachtet werden, wäre eine von Hashimoto betroffene Person gut beraten, wenn sie für einen weniger stressigen Lebensstil sorgen oder Möglichkeiten finden würde, den Stress zu verringern, um die Krankheit positiv zu beeinflussen. Stress bringt die Immunregulation auf vielfältige Weise durcheinander: Er unterdrückt die Funktion des Immunsystems, fördert das immunologische Ungleichgewicht, führt zur Schwächung und Atrophie (Schwund) der Thymusdrüse und baut die Barrieren zum Darm, der Lunge und dem Gehirn ab.
Glutenintoleranz
Zu den wichtigsten Aufgaben des Immunsystems gehört es, den Körper vor fremden Eindringlingen zu schützen. Manchmal „erkennt“ es in einem häufig gegessenen Nahrungsmittel einen gefährlichen Feind (z. B. weil der Darm nicht in Ordnung ist), und so bleibt es in eine dauerhafte „Schlacht“ verstrickt. Das in Mitleidenschaft gezogene, unberechenbar gewordene Immunsystem weiß sich dann nur noch zu wehren, indem es körpereigenes Gewebe angreift. Das häufigste Beispiel für ein solches Szenario bei Hashimoto-Patienten ist Gluten, das Protein, das in Weizen vorkommt sowie in Getreiden, die dem Weizen ähnlich sind, u. a. Dinkel, Kamut, Roggen, Gerste, Triticale (eine Kreuzung aus Weizen und Roggen) und Hafer. Im Grunde genommen ist Gluten eine unzutreffende Bezeichnung, da es der Gliadinanteil im Gluten ist, der die Immunreaktion verursacht. Gluten ist inzwischen aber ein geläufiger Begriff, daher wird er in diesem Buch auch verwendet.
Zahlreiche Studien aus mehreren Ländern sehen eine enge Beziehung zwischen einer Glutenintoleranz und der Hashimoto Thyreoiditis.41, 42, 43, 44, 45, 46 Da die Molekularstruktur des Glutens derjenigen der Schilddrüse sehr ähnlich ist, könnte das Problem durch eine Verwechslung zustande kommen.
Jedes Mal, wenn nicht verdautes Gluten versehentlich in den Blutstrom gelangt, wird es vom Immunsystem zerstört, damit es entfernt werden kann. Denn eigentlich gehört es dort nicht hin, findet aber seinen Weg durch eine Barrierestörung der Darmschleimhaut. Auf dieses sogenannte „Leaky-Gut“-Syndrom wird in Kapitel 3 und Kapitel 6 näher eingegangen. Bei Menschen mit einer genetischen Prädisposition zur Glutenintoleranz – der Mediziner und Glutenforscher Dr. Kenneth Fine schätzt, dass bis zu 81 Prozent der Amerikaner davon betroffen sind –, schwächt das Gluten selbst den Darmtrakt und erhöht seine Durchlässigkeit. Die Betroffenen laufen Gefahr, eine Glutenintoleranz oder Zöliakie zu entwickeln, wobei Letztere eine Form der Glutenintoleranz ist, die eine Autoimmunreaktion im Dünndarm hervorruft. Etwa einer von 100 Amerikanern ist von Zöliakie betroffen, wobei nach Schätzungen nur jeder Achte von seiner Krankheit weiß, da die Symptome oft stumm sind.47 (In Deutschland beträgt die Häufigkeit 1:500, wobei auch die durch Screeninguntersuchungen diagnostizierten Fälle berücksichtigt sind; Anm. d. Übers.) Die Glutenintoleranz betrifft laut Fine jedoch etwa 35 Prozent der Amerikaner, wobei die Prozentzahl für Hochrisikopatienten oder Symptomträger auf über 50 Prozent hochschnellt. Die meisten Menschen glauben, dass sich eine Glutenintoleranz nur auf den Darm beschränkt, doch bei vielen Patienten verursacht sie andere Probleme, wie Entzündungen in den Gelenken, auf der Haut, in den Atemwegen oder im Gehirn. Es ist wichtig zu wissen, ob eine genetische Prädisposition zu Glutenintoleranz vorliegt, entsprechende Blutuntersuchungen werden angeboten. Sind diese Gene einmal „angeschaltet“, muss Gluten lebenslang gemieden werden.
* Bindegewebige Schicht, die die einzelnen Muskelfasern eines Skelettmuskels oder die einzelnen Fasern der glatten Muskeln umgibt; Anm. d. Übers.
Gluten-Intoleranz und Zöliakie
Bei Glutenintoleranz und Zöliakie richtet sich der Blick der Wissenschaftler auf Histokompatibilitätsantigene vom Typ HLA DQ (HLA steht für Humanes Leukozytenantigen). Bei Trägern des Genotyps HLA DQ kommt es häufiger zu einer Glutenintoleranz, einer Zöliakie und anderen Autoimmunerkrankungen, unter anderem Hashimoto Thyreoiditis. (Spezifische genetische Untersuchungen werden von diversen Labors angeboten). Untersuchungen von Fine zufolge weisen zum Beispiel 90 Prozent der Zöliakie-Patienten HLA DQ2 auf, das bei Menschen nordeuropäischer Abstammung häufiger vorkommt. Neun Prozent sind Träger von HLA DQ8, das in Südeuropa weiter verbreitet ist. Die Varianten DQ1 und DQ3 werden öfter einer Glutenintoleranz als einer Zöliakie zugeordnet. Alles in allem besteht bei schätzungsweise 43 Prozent der Amerikaner eine genetische Prädisposition für eine Zöliakie und bei 81 Prozent für eine Glutenintoleranz.
Weitere in Betracht kommende Marker für die Diagnose Zöliakie sind positive Antikörper gegen
• Gliadin, ein Proteinbestandteil von Gluten,
• Transglutaminase, ein Enzym im Darmtrakt,
• Endomysium, eine Umhüllung der Muskelfasern.
Ist einer oder sind alle diese Marker positiv, weist das darauf hin, dass der Betroffene nicht nur glutenintolerant ist, sondern von Zöliakie betroffen ist.
Manche Menschen bilden zwar Antikörper gegen Gluten, haben aber keine genetische Disposition für HLA DQ, was sie zu einer Sensibilität gegenüber Gluten prädestinieren würde. Die Bildung von Gluten-Antikörpern kann auch von einer Barrierestörung der Darmschleimhaut (Leaky-Gut-Syndrom) herrühren, und sobald das Verdauungssystem sich regeneriert hat, wird Gluten wieder problemlos vertragen.