Datis Kharrazian

Schilddrüsenunterfunktion und Hashimoto anders behandeln


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ausgeschlossen werden, da falsch negative Ergebnisse möglich sind. Eine positive Biopsie ist jedoch beweisend.

      Hieran erkennt man, wie das Immunsystem eines Menschen mit einer Glutenintoleranz oder Zöliakie, der regelmäßig glutenhaltige Nahrungsmittel zu sich nimmt, konstant in Alarmbereitschaft gehalten wird und praktisch dauerhaft unter Strom steht. Und so werden die Voraussetzungen für eine Hashimoto Thyreoiditis geschaffen: Markieren die Antikörper Gluten, um es abzubauen, stimulieren sie auch die Bildung von Antikörpern gegen die Schilddrüse (weil sie einander strukturell so ähnlich sind). Mit anderen Worten, jedes Mal, wenn Gluten aufgenommen wird, löst das Immunsystem einen Angriff nicht nur auf das Gluten, sondern auch auf die Schilddrüse aus. Besonders schlimm ist, dass die Immunreaktion auf Gluten – trotz umgehenden Verzichts – bis zu sechs Monate anhalten kann.

      Meine eigenen klinischen Beobachtungen haben dieses Szenario immer wieder bestätigt. Alle Patienten mit einer Autoimmunerkrankung der Schilddrüse sollten auf eine Glutenintoleranz oder eine Zöliakie48 untersucht werden. Im umgekehrten Fall natürlich auch: Alle Patienten mit einer Glutenintoleranz oder Zöliakie sollten eine Autoimmunerkrankung der Schilddrüse abklären lassen.49 Ich rate meinen Hashimoto-Patienten, Gluten völlig aus dem Speiseplan zu streichen, wenn sie ihre Schilddrüse erhalten wollen. Selbst von geringsten Mengen ist abzuraten, da auch wenig Gluten das Schilddrüsengewebe irreversibel schädigt. Ich halte sie auch dazu an, Fremdkontaminationen in Restaurants, durch abgepackte Nahrungsmittel und in der eigenen Küche zu meiden. Lea kann das bestätigen: Als ich ihr sagte, sie solle nichts Glutenhaltiges mehr zu sich nehmen, um ihre Hashimoto Thyreoiditis positiv zu beeinflussen, stellte sie mit Verblüffung fest, dass daraufhin ihr beängstigendes Herzrasen aufhörte. Doch wie bei vielen Menschen basierten manche ihrer Lieblingsspeisen auf Weizen. „Anfangs dachte ich noch, ich könnte mir gelegentlich eine kleine Sünde leisten, aber sobald ich das dann tat, kam mein Herzrasen wieder“, sagt Lea. „Jetzt habe ich sogar manchmal Herzklopfen, wenn ich glutenfreies Essen im Restaurant bestelle, weil trotzdem Spuren von Gluten enthalten sind. Ich habe gelernt, vorsichtig zu sein.“

      Zur Feststellung einer Glutenintoleranz und Zöliakie gibt es eine Vielzahl von Untersuchungen. Man sollte ihnen jedoch mit ein wenig Skepsis begegnen. Manchmal kann das Immunsystem so erschöpft sein, dass die Gesamtzahl der gebildeten Antikörper extrem niedrig ist, auch wenn es Gluten angreift. Infolgedessen sind Testergebnisse negativ, obwohl die Glutenintoleranz in Wirklichkeit weiterhin ihr Unwesen treibt. Am besten ist eine Eliminationsdiät mit anschließendem Provokationstest, bei dem Glutenhaltiges zwei Wochen lang gemieden und dann erneut verzehrt wird. (Weitere Einzelheiten hierzu in Kapitel 6) Angesichts der erdrückenden Belege für eine Verbindung zwischen Glutenintoleranz und Hashimoto Thyreoiditis ist es jedoch am vernünftigsten, alles Glutenhaltige aus dem Speiseplan zu streichen, wenn man seine Schilddrüse erhalten will.

      Es ist nicht ungewöhnlich, dass allein durch die Einhaltung einer glutenfreien Ernährung hypothyreote Symptome bedeutend zurückgehen. Durch das Meiden von Gluten wird die Krankheit jedoch nicht geheilt.50 Diese Ernährungsumstellung trägt lediglich dazu bei, das Immunsystem im Zaum zu halten, damit es nicht mehr zum Angriff auf das Schilddrüsengewebe kommt.

      Anmerkung: Viele Ärzte sind der Meinung, dass der Verzicht auf Kasein, ein Protein, das in allen Kuhmilchprodukten enthalten ist, ebenfalls wichtig für die Gesundheit der Schilddrüse ist. In Bezug auf eine Kaseinintoleranz gibt es noch nicht so viele Untersuchungen wie das bei Gluten der Fall ist; Einzelfallberichte sprechen jedoch sehr dafür, dass eine Ernährungsweise, die nicht nur glutenfrei, sondern auch frei von Kuhmilch und Kuhmilchprodukten ist, beste Ergebnisse im Umgang mit einer Hashimoto Thyreoiditis verspricht.

      Glutenfreie Ernährung und die Gesundheit der Schilddrüse

      Sam ist ein 50-jähriger Arzt, der über Depressionen, Verstopfung und Energiemangel klagte. Sein Blutbild zeigte einen erhöhten TSH-Wert und TPO-Antikörper sowie andere Marker für eine niedrige Schilddrüsenfunktion. Die Leukozyten waren ebenfalls erhöht, der Nüchternblutzucker war niedrig. Der adrenale Stress-Index (ASI) aus dem Speichel ergab eine Erschöpfung der Nebennieren. Es lag auf der Hand, dass er eine Hashimoto Thyreoiditis hatte.

      Da Sams finanzielle Möglichkeiten begrenzt waren, empfahl ich lediglich eine Liposomencreme mit Glutathion und Superoxiddismutase (SOD) sowie eine glutenfreie Ernährung. Zudem empfahl ich ihm, auf kohlenhydratarme und proteinreiche Mahlzeiten zu achten sowie alle drei Stunden einen Imbiss zu sich nehmen, um seinen Blutzuckerspiegel konstant zu halten. Es fiel ihm schwer, auf Glutenhaltiges zu verzichten, und er machte sich Sorgen, dass er noch stärker abnehmen würde.

      Nach einem Monat machten wir wieder ein Blutbild. Sams TSH-Wert war fast im Normbereich, und die TPO-Antikörper waren ebenfalls stark zurückgegangen. Er litt immer noch an Depressionen, aber nicht mehr ganz so stark, und die Verstopfung hatte sich ebenfalls gebessert. Er hatte deutlich mehr Energie. Die positive Entwicklung spornte ihn dazu an, Glutenhaltiges völlig von seinem Speiseplan zu streichen und seine Ernährung noch weiter umzustellen, um seine anderen Probleme anzugehen. Seine Gesundheit wurde für ihn zur Priorität.

      Sieben Monate später hatte sich der TSH-Wert vollständig normalisiert und die TPO-Antikörper waren deutlich abgesunken. Die Besserung zeigte sich auch daran, dass er weniger Symptome hatte. Wir wiederholten den ASI, und es stellte sich heraus, dass sich der Zustand seiner Nebennieren deutlich gebessert hatte. Heute hat Sam gar keine Symptome mehr und arbeitet begeistert mit seinen Patienten in ähnlicher Weise. Er besucht nun zusammen mit mir regelmäßig Kharrazians Seminare.

      Donna DiMarco (CN, LNC), Pompano Beach, Florida

      Östrogenschwankungen

      Östrogenschwankungen sind ein weiterer potenzieller Auslöser der Hashimoto Thyreoiditis, wenn andere Risikofaktoren wie eine genetische Prädisposition und Probleme mit der Immunregulation vorliegen.51, 52 Bei vielen Frauen wird aufgrund der extremen Veränderungen im Hormon- und Immunsystem nach einer Schwangerschaft durch die Östrogenschwankungen eine Hashimoto Thyreoiditis ausgelöst.53, 54 Die Zeit kurz vor den Wechseljahren, die sogenannte Perimenopause, ist wegen der Östrogenschwankungen eine weitere sensible Phase.55 Dies kann zu Fehleinschätzungen führen, da die Hashimoto-Symptome diejenigen der Perimenopause imitieren können. Wenn Schilddrüsengewebe durch einen Autoimmunangriff zerstört wird, gelangen übermäßig viele Schilddrüsenhormone ins Blut, erhöhen den Stoffwechsel und produzieren Symptome wie Hitzewallungen, Nervosität, Schlafstörungen und Reizbarkeit, die sich für die Frau und ihren Arzt als Zeichen der beginnenden Wechseljahre darstellen.

      Insulinresistenz und polyzystisches Ovarialsyndrom

      Studien zeigen, dass das polyzystische Ovarialsyndrom (PCOS) eine Hashimoto Thyreoiditis auslösen kann. In den Vereinigten Staaten ist PCOS die häufigste hormonelle Störung bei Frauen, 4 bis 10 Prozent der menstruierenden Frauen sind betroffen, und zugleich die häufigste Ursache von Unfruchtbar- keit.56, 57 Zu den Symptomen des PCO-Syndoms gehören Gewichtszunahme, Haarausfall, Müdigkeit nach dem Essen, Hormonschwankungen und das Verlangen nach Zucker. Im Blutbild lässt sich PCOS an den Mustern der Insulinresistenz erkennen, zu denen ein Nüchternblutzucker über 100 sowie erhöhte Triglycerid- und Cholesterinwerte gehören, vor allem, wenn die Triglyceridwerte höher liegen als die Cholesterinwerte. Die Insulinresistenz – hier werden die Körperzellen aufgrund einer kohlenhydratreichen Ernährung gegenüber Insulin resistent –, führt zu einer Überproduktion von Testosteron und so zu Zysten in den Eierstöcken. Mit steigenden Testosteronwerten steigt auch die Insulinresistenz, dadurch erhöht sich wiederum der Testosteronwert es kommt zu einem Teufelskreis.58 Die Insulinresistenz fördert ihrerseits Entzündungen und Probleme mit dem Immunsystem, was zur Ausprägung einer Autoimmunerkrankung prädisponiert.59 Die Kombination aller dieser Faktoren kann eine Hashimoto Thyreoiditis auslösen.60 (Mehr hierzu sowie zum Thema Ernährungsumstellung finden Sie in Kapitel 5.)

      Vitamin-D-Mangel

      Sobald man sich über den