Christian Thiele

Positiv führen für Dummies


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Führungsliteratur folgt diesen Annahmen – sie ist quasi »eminenzbasiert«, könnte man spöttisch sagen: So wie Vorgesetzter X im Arbeitsumfeld Y geführt hat, weil er eben so und so »war«, muss das auch für alle anderen Führungskräfte gelten und funktionieren – egal gegenüber welchen Mitarbeitern, egal ob in Arbeitsumfeld Z oder A.

      

Sogenannte Persönlichkeitstests wie etwa der Myers-Briggs-Typenindikator (kurz MBTI) oder das DISG-Verfahren (benannt nach den Grundtypen, oft auch unter der englischen Abkürzung DISC bekannt) werden häufig für die Rekrutierung oder im Training von Führungskräften verwendet und als wissenschaftlich validiert vermarktet. In unabhängigen Untersuchungen, falls vorhanden, ist das aber nicht nachweisbar. Selbst wenn sich Menschen in diesen Typenbeschreibungen wiederfinden – so ähnlich, als ob Ihnen ein Handleser sagt: »Sie engagieren sich zu sehr für aussichtslose Vorhaben«. Warum Menschen solche Zuschreibungen für wissenschaftlich fundiert halten, kann über Studien nachgewiesen werden …

      Evidenzbasierte Führung hingegen versucht etwas anderes. Sie will auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse einen Beitrag leisten zu einem individuellen Führungsverhalten, das

       in unterschiedlichen Situationen

       auf unterschiedliche Handlungs- und Verhaltensweisen setzt,

       die möglichst gut zu den unterschiedlichen Bedürfnissen und Zielen der Mitarbeiter passen.

      Ziel ist dabei sowohl ein Mehr an Leistungsvermögen und Erfolg als auch ein gesünderes und angenehmeres Miteinander.

      Das Positive Führen baut auf Erkenntnissen aus der Motivationsforschung, aus der Betriebs- und Organisationswissenschaft sowie aus verschiedenen anderen Quellen auf. Ein besonders wichtiger Pfeiler, auf dem Positive Führung ruht, ist die Positive Psychologie. Sie wird seit Anfang der 2000er-Jahre von Psychologen wie Martin Seligman vorangetrieben. Die Positive Psychologie will zum einen die Wirkfaktoren für gelingendes Leben erforschen und gleichzeitig daraus praktische Handreichungen für ein erfüllenderes Leben entwickeln.

      Fünf Strategien Positiver Führung

      Positives Führen ist die Übertragung dieser Erkenntnisse und Methoden auf die Führung und Organisation von Arbeit. Im Mittelpunkt stehen dabei fünf Strategien:

       Momente von Freude, Interesse und andere positive Emotionen bewusst erleben und kultivieren und gleichzeitig die Effekte von Stress, Ärger und anderen negativen Einflussfaktoren minimieren.

       Stärken genauer wahrnehmen, konstruktiver einsetzen und häufiger anwenden können, sowohl bei sich selbst als auch bei den eigenen Mitarbeitern. Und damit Schwächen kompensieren oder weniger relevant machen.

       Die soziale Eingebundenheit des Einzelnen sowie die positiven Verbindungen innerhalb eines Teams oder einer Organisation stärken.

       Den Mehrwert der eigenen Arbeit verstehen, begründen und kommunizieren können.

       Motivierende Ziele anstreben, formulieren und deren Erreichung wahrnehmen und feiern können. Und zwar, wie bei den anderen vier Strategien, sowohl für sich selbst als auch in der Führung von Mitarbeitern, Gruppen oder ganzen Organisationen.

      Diese Strategien führen, sowohl in einer Präsenzkultur als auch in virtuellen Arbeitsumfeldern, zu konkret messbaren Verbesserungen für Einzelne und Kollektive. Sie können diese fünf Wirkfaktoren messen und bewusst verbessern, dazu werden Sie an vielen Stellen des Buches Anregungen bekommen.

      Der Nutzen Positiver Führung

      Stellen Sie sich zwei Abteilungen vor, die eine wird von Fritz Fröhlich geleitet und die andere von Max Miesepeter. Bei Max Miesepeter und seinen Teamleitern herrscht immer sehr angespannte Stimmung. Den Mitarbeitern in seiner Abteilung wird immer wieder vorgehalten, was sie nicht können und nicht gut machen, Entscheidungen und Veränderungen werden nicht groß erklärt oder kommuniziert. Ziele lässt Max Miesepeter grundsätzlich so stecken, dass sie nicht erreichbar sind, denn nur dann sind sie Ansporn für Verbesserung, so sein Credo.

      Fritz Fröhlich hingegen achtet sehr darauf, sowohl für sich selbst als auch im Umgang mit seinen Führungskräften sowie bei der Anleitung in deren Führungsrolle, dass Mitarbeiter auf allen Ebenen immer wieder Anlass zu Spaß und Freude in der Arbeit haben. Die Beschäftigten seiner Abteilung haben allesamt Stärkentests absolviert, wissen um die Dinge, die sie besonders gut können, und sind in der Lage, ihre Kompetenzen immer wieder auch in ihre Tätigkeiten einzubringen. Fröhlich legt – gerade bei unbeliebten Tätigkeiten oder in Veränderungssituationen – großen Wert darauf, immer zu erklären, wofür etwas zu tun ist, was der Beitrag der Abteilung zum großen Ganzen des Unternehmens ist. Erfolge, egal ob Etappenziele oder große Meilensteine, werden bei und von Fröhlich regelmäßig wertgeschätzt und kommuniziert.

      Vergleichen Sie doch einmal die beiden Abteilungen:

       In welcher Abteilung – und vielleicht wissen Sie schon intuitiv die Antworten auf diese Fragen – wird nach Ihrer Meinung positiv geführt?

       Wo sind nach Ihrer Vermutung die Krankenstände niedriger, ist die Mitarbeiterzufriedenheit höher und die Kündigungsrate niedriger?

       In welcher Abteilung bewerben sich mehr Auszubildende, wo gibt es mehr Kundenlob? Wo gibt es weniger Arbeitsunfälle, weniger Fehler, Verschleiß und Schwund?

       Wo sind die nackten Zahlen einfach besser? Höchstwahrscheinlich bei Herrn Fröhlich. Sie haben vermutlich richtig geraten.

      Ein schlechtes Verhältnis zur Führungskraft und negative Stimmung unter den Kollegen sind die weitaus häufigsten Gründe, warum Menschen eine Firma oder eine Abteilung verlassen. Das sind zwei Hebel, auf die Positives Führen nachweislich großen Einfluss hat.

      Im weiteren Verlauf dieses Buches werden Sie immer wieder Belege für die Effekte Positiven Führens kennenlernen. Zum Einstieg hier nur einige wenige Beispiele:

       In einer sogenannten Metaanalyse von über 200 Untersuchungen, in die Untersuchungsergebnisse an zigtausend Probanden eingeflossen sind, konnte nachgewiesen werden, dass fröhliche Beschäftigte 31 Prozent produktiver arbeiten, um 37 Prozent höhere Verkaufsergebnisse erzielen und um 300 Prozent kreativer sind als ihre Kollegen, die sich als unglücklich bezeichnen.

       Der deutsche Psychologieprofessor Nico Rose konnte zeigen, dass Beschäftigte, die sich von ihren Vorgesetzten schlecht geführt fühlten, drei Jahre später mit fast drei Mal so hoher Wahrscheinlichkeit ihren Arbeitgeber verlassen hatten.

       Rugbyspieler, die von ihrem Trainer nach einem Spiel eine stärkenfokussierte Rückmeldung bekommen hatten, wiesen im nächsten Spiel eine messbar höhere Spielleistung und noch eine Woche später deutlich niedrigere Stresswerte im Blut auf als Spieler, die ein negatives Feedback erhalten hatten.

       Der Wiener Wirtschaftspsychologe Markus Ebner, der das Positive Führen im deutschsprachigen Raum mit seinen Untersuchungen, Veröffentlichungen und Ausbildungen wesentlich geprägt hat, konnte durch diverse Studien zeigen: In Einzelhandelsfilialen einer Kette, die von positiv Führenden geleitet werden, sind die Umsätze höher und die Krankenstände sowie die Zahl der Beschwerdeanrufe bei der Kundenhotline nachweisbar niedriger.