Erik Eriksson

Schärenmorde


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ein Stück vom Kai entfernt, aber der schwarze Volvo war nirgends zu sehen. Fatima rief die Kollegen in Täby an und bat um Hilfe bei der Feststellung des Autokennzeichens.

      »Ein Mietwagen«, sagte sie nach einer Weile.

      Es wehte ein leichter Wind und der Himmel war wolkenlos, als sie an Bord der Fähre M/S Eckerö gingen.

      12

      Als die M/S Eckerö rückwärts vom Kai in Grisslehamn ablegte, standen sie zusammen mit schwedischen Feriengästen und ausländischen Touristen auf dem oberen Achterdeck. Eine Schar Möwen umkreiste das Schiff und in dem hellen Licht leuchtete Albert Engströms Atelier weiß glänzend auf seinem Felsen.

      Das Schiff drehte und hatte seine volle Fahrt noch nicht aufgenommen. Die Reisenden konnten in die waldbewachsene Insel Loskäret hineinsehen. Hoch oben auf einer Kiefer saß ein Seeadler. Malin stand an der Reling neben einem Deutsch sprechenden Paar. Sie zeigte auf den Adler und versuchte, etwas von einem »Adler« zu sagen. Sie glaubte zu wissen, dass der Vogel auf Deutsch so hieße.

      Das Paar begann sofort mit Malin Deutsch zu sprechen, wodurch sie gezwungen war zu sagen, dass sie sie nicht verstand. Sie lachten, und der Deutsche fotografierte.

      Dann gingen Malin und Fatima in die Caféteria. Sie holten sich zwei Tassen Kaffee und jede einen Zuckerkringel.

      »Glaubst du, dass sie jetzt hier irgendwo sitzen?«, fragte Malin.

      »Du meinst die Männer aus dem Volvo?«

      »Ja, sie wissen vielleicht, wer wir sind, aber wir erkennen sie nicht.«

      »Vielleicht, das werden wir bald wissen.«

      »Wie denn?«

      »Das merken wir sicher.«

      Fatima betrachtete vorsichtig die Menschen im Raum, während sie sich mit Malin unterhielt. Fast alle Gäste befanden sich in Gesellschaft, es waren Familien mit Kindern, ältere Paare, junge Paare und einige Männer, die zusammensaßen. Zwei der Männer trugen Sportjacketts, zwei hatten Pullover an, zwei weitere waren mit hellen Sommerjacken und dunklen Hosen bekleidet.

      »Ein paar schwedische Kerle«, flüsterte Fatima. »Außerdem zwei ausländische Herren, recht flott.«

      »Die Flotten, sind das die aus dem Volvo? Was meinst du?«

      »In diesem Fall ist es eigentlich etwas zu einfach. Ich werde mal losgehen und mir das Schiff ansehen. Bleib du hier sitzen und behalte die Männer im Auge.«

      Fatima verließ den Tisch. Malin ließ ihre Blicke von Tisch zu Tisch wandern. Niemand schien sich um ihre Freundin zu kümmern.

      Nach zwei Stunden kamen sie in Eckerö an. Sie eilten an Land und positionierten sich so, dass sie die Autos sehen konnten. Der schwarze Volvo erschien nach einer Weile, die Sonne fiel auf den Wagen, und Malin und Fatima konnten ganz kurz die Gesichter der beiden Männer etwas deutlicher erkennen. Keiner von beiden sah irgendeinem der Männer ähnlich, die in der Caféteria der Fähre gesessen hatten.

      Sie verließen das Hafengelände und gingen am Strand entlang. Beide kannten sich von mehreren Sommerbesuchen her gut auf Eckerö aus.

      »Es sieht nach Badewetter aus«, sagte Fatima.

      »Wenn wir das spätere Schiff zurücknehmen, können wir noch baden und uns sonnen«, antwortete Malin.

      Sie gingen auf dem Strandpfad über die Landspitze herum bis nach Käringsund und sahen bald den langen Sandstrand und all die planschenden Kleinkinder und sonnenanbetenden Touristen.

      Malin trug einen zweiteiligen Badeanzug, ein etwas älteres Modell, Fatima einen hellblauen Bikini. Beide hatten schon etwas Sonnenbräune, beide waren schlank und durchtrainiert. Sie baten die Mutter eines Kleinkindes, ein Auge auf ihre Sachen zu haben, und liefen dann ins Wasser, tauchten, schwammen ein Stück weit hinaus, drehten um und kehrten zum Strand zurück.

      Oberhalb des Strandstreifens befand sich ein kleines Kiefernwäldchen. Zwischen zwei Kiefern stand der schwarze Volvo. Die Männer standen versteckt hinter einigen Büschen, einer von ihnen hielt ein Fernrohr in der Hand. Sie unterhielten sich über die beiden jungen Frauen, die gerade aus dem Wasser kamen.

      Malin und Fatima lagen noch eine Stunde am Strand, ehe sie sich wieder anzogen und einen Spaziergang durch die Gegend machten. Sie aßen in einem Lokal gebratenen Hering und Kartoffelbrei, tranken Leichtbier, blieben noch eine Weile sitzen und machten dann einen weiteren Spaziergang, ehe es Zeit wurde, zur Fähre zurückzukehren.

      Wieder stellten sie sich ein Stück von der Rampe entfernt hin, auf der die Autos an Bord fuhren, und schrieben auf, was sie sahen: Automarke, Kennzeichen.

      »Ich werde die ganze Liste von der Reederei anfordern«, sagte Fatima. »Aber es kann ja auch sein, dass irgendeines der Autos mitfährt, ohne dass die Nummer notiert wurde.«

      Sie sahen drei Wagen mit baltischen Kennzeichen, eines mit einer polnischen Nummer und ein weiteres mit einer Nummer, die sie nicht zuordnen konnten.

      »Von weither kommende Gäste«, sagte Fatima. »Und außerdem kommen sie auf einem ziemlich ungewöhnlichen Weg nach Schweden.«

      Die Fähre legte ab und sie ergatterten einen kleinen Tisch an dem Fenster im Speisesaal, an dem die Leute vorbeiliefen. Ein Strom von Menschen kam vorbei, ohne auf die beiden Frauen hinter dem Restaurantfenster zu achten. Ein Mann jedoch sah sie, und drehte sein Gesicht zur Seite, als er vorbeiging.

      Sie aßen noch einmal Fisch, gebackene Flunder mit Hummersoße, und tranken wieder Leichtbier. Nach einer Stunde verließen sie den Tisch. Inzwischen befand sich die Fähre mitten auf dem Åländischen Meer.

      Fatima ging voran, Malin folgte ihr. Sie stiegen die Treppen hinunter und gingen durch mehrere Flure hindurch. In einem der unteren Stockwerke hatten die Besatzungsmitglieder ihre Kabinen. Auf einem Schild stand: Nur für Personal. Als Fatima die Tür aufschob, fragte Malin, ob sie hier durchgehen dürften.

      »Das ist völlig in Ordnung, außerdem habe ich meine Vorbereitungen getroffen«, antwortete Fatima. »Und ich habe ja meinen Ausweis, wenn es nötig sein sollte.«

      Sie trafen eine Frau in einer Kittelschürze. Fatima nickte, die Frau nickte zurück. Sie kamen an eine schmale Tür, die Fatima öffnete. Dahinter befand sich eine enge Wendeltreppe. Sie stiegen hinab, öffneten eine weitere Tür und blickten über das untere Autodeck.

      »Wir trennen uns«, sagte Fatima. »Jede nimmt eine Reihe, und wir treffen uns am anderen Ende wieder.«

      Sie schlichen zwischen den Autos entlang, erkannten einige wieder, schrieben neue Nummern auf, sahen durch die Scheiben und kontrollierten, was sich auf der Ladefläche der vereinzelten Lieferwagen befand. Fatima war als Erste mit ihrer Reihe fertig. Sie hockte sich hinter einen dunkelgrünen Transporter. Malin war noch auf dem Weg.

      Nach ein paar Minuten richtete sich Fatima auf und hielt nach Malin Ausschau, konnte sie jedoch nicht entdecken. Dann ging sie hinüber zu der Autoreihe, die Malin abgegangen war und blickte bis ans Ende des Autodecks. Malin war nirgendwo zu sehen.

      Rufen wollte sie nicht. Schnell lief sie zwischen den Wagen durch, blieb stehen, hockte sich hin, um unter die Wagen zu blicken, suchte weiter.

      Da bemerkte sie Malin. Sie stand von zwei Männern bedrängt an einer Metallwand, wurde von dem einen festgehalten, der ihr die Arme auseinanderbog, und der andere stand daneben und hielt Malin den Mund zu.

      Fatima ging langsam auf die Männer zu. Sie hob die Hände, so als ob sie aufgegeben hätte, als wolle sie verhandeln.

      Der Mann, der Malin festhielt, sagte auf Russisch etwas zu seinem Kumpel. Fatima verstand ihn, aber das konnte der Mann nicht wissen. Fatima antwortete auf Schwedisch.

      »Was wollt ihr?«, fragte sie und ging weiter auf die Männer zu. Einer von ihnen streckte ihr eine Handfläche mit einer Bewegung entgegen, die wahrscheinlich »Stopp« bedeuten sollte.

      Fatima trat schräg zur Seite, wandte den Männern den Rücken so