Erik Eriksson

Schärenmorde


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die Luft klarer und die Wärme erträglicher.

      Schön, dachte Olle Kärv, der mit Fatima in einem Straßencafé Pizza aß. Er hatte sich auf das Treffen mit ihr gefreut. Einerseits deshalb, weil er sich erhoffte, etwas mehr über die seltsame Schmuggelaffäre und den ebenfalls sehr merkwürdigen Überfall auf Keith Holtha zu erfahren, andererseits, weil er hoffte, wieder mit diesem speziellen Lächeln bedacht zu werden.

      »Hat denn Keith Holtha etwas mehr darüber sagen können, was passiert ist?«, fragte er.

      Fatima saß einen Augenblick schweigend da, ehe sie antwortete.

      »Das hier hast du nicht von mir erfahren«, sagte sie und wartete auf das bestätigende Nicken von Olle.

      »Er ist immer noch benommen, aber ein Teil seiner Erinnerung ist wieder da. Es waren mehrere Personen, die sich mit ihren Fahrzeugen auf dem Parkplatz von Ledinge getroffen hatten. Er erinnert sich an Fragmente ihrer Unterhaltung.«

      Olles Puls stieg an.

      »Was haben sie gesagt?«

      »Es ging um Transporte. Irgendetwas über Deutschland. An mehr erinnert er sich nicht.«

      Schmuggel, dachte Olle. Es muss mit den Dingen zusammenhängen, die mit den Fähren und Lastschiffen ins Land kommen, welche die Polizei untersucht hat.

      »Es sieht so aus, als gebe es einen Zusammenhang zwischen dem Überfall auf Holtha und dem, was im Hafen passiert ist«, sagte er.

      »Das kann ich nicht bestätigen.«

      »Das verstehe ich, aber ich muss da weitermachen«, sagte Olle, der es jetzt eilig hatte. Das musste er herausfinden. Möglichst heute noch.

      Aber er wollte auch dieses Lächeln wiedersehen.

      »Danke für das nette Mittagessen, Fatima. Du, ich meine, wir könnten uns vielleicht abends einmal treffen. Und wir könnten über etwas anderes reden als über die Arbeit.«

      »Vielleicht«, antwortete Fatima.

      Und lächelte.

      Wonner beendete das Gespräch und legte das Handy weg. Die Lieferung war angekommen, Adam war zufrieden. Ein Teil der Ausrüstung war noch in Deutschland und wartete auf die Weiterbeförderung, der Rest war schon auf dem Weg zu seinem Bestimmungsort.

      Aber auf dem Parkplatz von Ledinge war es ziemlich knapp gewesen. Die Idioten hatten einen Polizisten niedergeschlagen. Unverzeihlich, dachte er.

      Jetzt hatte er den Auftrag bekommen, eine neue Lieferung in Empfang zu nehmen. Auch dieses Mal müssen es kleine Schiffe sein, aber wir laden irgendwo anders auf der Strecke um, dachte er.

      Fatima Barsawi und ihre blonde Freundin stellten ein Problem dar, das sah er ein.

      Ein paar Stunden später saß er in seinem Wagen in der Bangårdsgatan und wartete darauf, dass Fatima aus ihrer Haustür kommen würde. Er wollte sie und ihre Vorhaben beobachten.

      Geduld, dachte er, als sie in ihren Sportsachen herauskam und begann, in Richtung Vegagatan zu joggen. Wonner ließ den Motor an und fuhr langsam los. Lauf du nur, Fatima Barsawi, dachte er. Ich bin doch der Erste.

      16

      Malin Skogh war müde, rastlos und leicht irritiert. Sie wanderte in der Wohnung herum und konnte sich nicht richtig damit abfinden, dass sie zuhause saß mit einer Tasse Tee und Joyce Carol Oates, mit ihren Gedanken aber ganz woanders war. Sie machte ihren Laptop an, öffnete Facebook und las, was einige ihrer alten Schulkameraden über Mittsommer gemacht hatten, was sie zu Mittag gegessen hatten, wessen Kind sich den Magen verdorben und sich im neuen Auto übergeben hatte.

      Malin seufzte. Sie klickte »Mitteilungen« an und sah, dass sie eine Einladung von der Kunsthalle erhalten hatte. Es ging um eine Sonderführung durch die Ausstellung des Gräddö-Künstlers Sander Karlsson, eines alten Bekannten von ihr. Da ihr im Moment jede Art von ablenkung entgegen kam, beschloss sie spontan, an der Führung teilzunehmen.

      Sie duschte. Dann schlüpfte sie in das schwarze Kleid mit ein wenig zu viel Rückenausschnitt, putzte sich die Zähne und trank ein eiskaltes Starobrno, während sie am Computer saß. Sie rief Fatima an und sprach ihre Pläne auf den Anrufbeantworter. Sie rief Erik und Elin an, die gerade bei einer Thai-Mahlzeit saßen und fernsahen. Sie musste alleine gehen.

      Sie zog ihre Jeansjacke über das kleine Schwarze und rundete das Ganze mit einem dünnen Halstuch aus indischer Seide ab. Eine richtige Frau kommt selbst zurecht, hatte ihre Großmutter immer gesagt und ihr Moa-Martinson-Bücher und fünfhundert Kronen zu Weihnachten geschenkt.

      Einen Kuss für dich, Großmutter, dachte Malin, und war froh, dass sich die Großmutter keine Gedanken wegen Robert machen musste. Dass sie sich überhaupt keine Gedanken mehr machen musste.

      Malin ging in den Juniabend hinaus und dachte an Elias und seinen Computerfund, und dass es vielleicht ganz gut sei, sich noch einmal mit diesem kleinen Jungen zu unterhalten, der sich ein wenig in seiner eigenen Welt umzusehen schien. Und dann dachte sie an Ronald Schneider und dass sie mit ihm diesen Karteikram vom Karateclub kontrollieren müsse.

      Malin ging mit leichten Schritten die Hantverkaregatan entlang und überquerte den Lilla Torget in Richtung Norrtäljes Kunsthalle.

      Solche Art von Abenden pflegten die besten zu sein, unvorbereitet und allein, dachte sie, als sie einen bekannten Rücken in Richtung Kunsthalle abbiegen sah.

      Sie erwarteten ihn. Auf alte Bauernweise ruderte er stehend, mit dem Gesicht zum Bug hin. Er parierte die Wellen, die von den Sportbooten kamen, welche den Havspiren als Ziel hatten. Es war erstaunlich ruhig bei der Einfahrt. Die Silos wurden größer und der Schatten des Schornsteins der S/S Norrtelje zeichnete sich gegen die noch hoch stehende Sonne ab.

      Er fühlte sich ein wenig unwohl. Aber das war nichts Ungewöhnliches, wenn solche Veranstaltungen anstanden. Der Chef der Kunsthalle hatte schon seit dem letzten Frühjahr darauf gedrängt, dass er etwas tun solle. Das widerstrebte ihm. Er war am liebsten zuhause auf seinem Hof.

      Beim Holz. Drehte seine Runden um die Werkstatt. Las. Wusch ab. Kümmerte sich um die Kinder, wenn Wilma Tagesdienst im Krankenhaus hatte.

      »Des Holzes eingeborene Authentizität« untersuchen, wie der Rezensent geschrieben hatte. Genau, dachte Sander Karlsson und duckte sich unter der Norrtäljebrücke. Das Holz hatte seine Form. Dagegen konnte man nichts machen. Am allerwenigsten er selbst. Er folgte ihm. Oder besser, er nahm dessen ausgestreckte Hand und wurde weiter in den Gegenstand geführt, um »dessen einzigartige Historizität« zu entdecken, wie der Rezensent weiter ausgeführt hatte.

      Sander Karlsson setzte sich und machte noch ein paar kräftige Ruderschläge, ehe er am Kai unterhalb der Kunsthalle anlegte. Er dachte an seinen Vater, der sich nie für Sanders Segeltouren interessiert hatte, außer dass er hören wollte, wie er angelegt hatte. »Seid ihr auf Grund gelaufen?«, hatte er gefragt, und das gefurchte, freundliche Gesicht sah neugierig aus.

      »Ja, zweimal«, pflegte er zu sagen. Auch wenn es nicht stimmte. Aber dem Vater gelang es immer, die Wahrheit aus ihm herauszulocken.

      Sander machte das Boot fest und ging die 35 Treppenstufen bis zur Kunsthalle hinauf.

      »Jetzt kommt er.«

      Ein vereinzelter Palästinenserschal war zwischen den Jacken und Röcken der gedämpft murmelnden Versammlung sichtbar.

      Sie hatten auf ihn gewartet. Der Chef der Kunsthalle hatte schon eine kleine Einleitung in Sander Karlssons Kunst gegeben und empfing ihn nun mit offenen Armen. Sander war nass nach seiner Rudertour und wirkte sichtlich gerührt über den spontanen Applaus, der ihn empfing. Er bekam ein Glas Wein und wurde durch die Besuchermenge geführt. Einige kannte er flüchtig. Andere waren alte Bekannte. Das hier war ungefähr das Schlimmste, was er sich vorstellen konnte.

      Sich unter die Leute mischen. Reden. Das endete meist damit, dass er gewissermaßen durch die Leute sank und wie zu einer Struktur in der Wand wurde, bis er verschwinden und nach Haus fahren konnte. Er hatte inzwischen ein Dutzend Leute begrüßt,