Erik Eriksson

Schärenmorde


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machte.

      Jetzt war er auf dem Weg in die Wand, als er plötzlich eine Hand auf seinem Arm fühlte.

      »Hallo, Sander! Was für eine schöne Ausstellung.«

      Malin Skogh stand lächelnd vor ihm. Das weiße Lächeln war durch die Beleuchtung der Kunsthalle leicht gefärbt, aber sie sah sowohl froh als auch erleichtert aus. Trotz allem, was passiert war.

      »Hallo, Malin … es tut mir leid …«

      »Ja, danke. Im Augenblick ist alles etwas durcheinander.«

      Erst jetzt bemerkte Sander den Mann an ihrer Seite.

      »Angenehm«, sagte Schneider und hob eine Augenbraue. »Deine Kunst erinnert mich an einen Künstler, dessen Namen ich im Moment vergessen habe. Aber genau wie ihm ist es dir gelungen, die eigentliche Seele der Natur in deinen Werken beizubehalten«, sagte Schneider und trank einen Schluck Wein.

      »Danke«, erwiderte Sander und wurde rot.

      »Als ich dich mit dem Ruderboot kommen sah, habe ich geglaubt, du würdest es mit reinbringen, um eine Art Vorstellung zu geben«, sagte Schneider und zog die Augenbraue noch ein wenig weiter nach oben.

      Sander kam nicht umhin, sich über den Akzent des Mannes zu wundern. Amerikaner vielleicht. Er klang jedoch wie jemand, der wusste, wovon er redete.

      »Sander arbeitet ganz und gar nicht auf solche Art und Weise.«

      Der Chef der Kunsthalle Wachtenfelt mischte sich in die Unterhaltung und musterte den dunkel gekleideten Mann.

      Schicke Jacke, dachte Fredrik von Wachtenfelt und stellte sich vor.

      »Ronald Schneider«, antwortete der andere und fasste Malin leichter unter den Arm.

      »Und das ist Fräulein Malin Skogh.«

      Wachtenfelt brach in ein großes Gelächter aus, das auf Schneider und Malin ansteckend wirkte.

      »Ja, sie hat mir die letzten acht Jahre die Haare geschnitten«, sagte Wachtenfelt, »schneidet sie sie Ihnen auch?«

      Wachtenfelt wartete die Antwort nicht ab, sondern fasste Sander am Ellbogen und führte ihn an dem groß gewachsenen Kulturchef vorbei, der neben Sanders großer Skulptur »Der Stier« Hof hielt.

      Malin sah zu Schneider auf und lächelte.

      »Ronald, alle Achtung. Verstehst du so viel von Kunst?«

      »Ach was. Aber Torsten Rehnqvist ist doch einer von euern Großen«, sagte Schneider und wandte sich Malin zu. »Und du? Monet oder Kandinsky? Rembrandt oder Malevitsch?«

      »Nein. Ich bin mehr für Fotografie. Sarah Moon, Sally Mann.«

      Schneider nickte. Sally Mann war ihm etwas zu realistisch, aber er sagte nichts, sondern holte Malin noch ein weiteres Glas Rotwein.

      »Du erwähntest etwas über Probleme mit einem Register?«

      Jetzt war Malin an der Reihe, rot zu werden. In einem schwachen

      Augenblick hatte sie versprochen, eine gute Lösung für das Mitgliederregister des Karateclubs zu finden. Obwohl sie sich eigentlich nicht allzu sehr für Computerlösungen oder die Einrichtung von Registern interessierte, war sie es leid, dass immer irgendein Mann auftauchte und sich erbot, das etwas angeschlagene Programm in Ordnung zu bringen, das danach ein halbes Jahr hielt, um dann auszufallen und noch mehr durcheinanderzubringen, als vorher.

      »Wie gut kennst du dich mit Registern aus?«, fragte sie Schneider.

      »Register? Ich bin ein Register«, sagte Ronald Schneider und zog ein Zigarettenetui aus seiner Jackentasche.

      »Smoke?«, fragte er und lächelte breit.

      Malin sah ihn an und lachte.

      »Warum nicht? Es ist wohl nie zu spät, um wieder anzufangen«, sagte sie und zog eine Zigarette aus dem kleinen silbernen Etui mit einem kleinen vergoldeten Raubvogel.

      Adler, dachte Malin, ehe sie Schneider hinaus in den Juniabend folgte.

      17

      Als Olle Kärv nach dem Mittagessen wieder zurück in die Redaktion der Norrtelje Tidning kam, hatte er eine recht detailreiche, aber ziemlich überladene Geschichte im Kopf. Er begriff, dass er nun zusammenfassen musste, was er über diese kriminellen Machenschaften, die sich in Norrtälje abspielten, wusste. Er setzte sich an seinen Schreibtisch und begann, seine Aufzeichnungen durchzulesen, als der Nachrichtenredakteur zu ihm kam und sagte, dass er auf den Bericht über den Immobilienmakler warte, der wegen Steuerhinterziehung angeklagt war.

      Olle antwortete, dass er ihn in einer Stunde fertig haben würde. Er schrieb schnell, und obwohl er nicht richtig zufrieden mit dem Artikel war, lieferte er ihn trotzdem ab und sagte, dass er jetzt an der anderen Sache arbeiten wolle.

      »Wo du nicht richtig weißt, um was es sich eigentlich handelt?«

      »Genau.«

      Olle hatte schon über den toten Mann im Hafen geschrieben, über Robert Skogh und über mysteriöse Schiffe, und er hatte seinem Chef gesagt, dass noch mehr kommen würde. Jetzt begriff er, dass er so langsam Resultate vorweisen musste.

      Er legte eine Liste über Fakten und Überlegungen an, er schrieb mit der Hand, strich durch, hatte zum Schluss eine Übersicht über plausible Vermutungen. Dann rief er Fatima an. Ob sie sich treffen könnten?

      Sie hatte wenig Zeit, wenn er allerdings am folgenden Morgen um sieben mit ihr eine Runde joggen wollte, könnte er das gerne tun.

      Er wusste, dass er nicht über ihre Energie und Ausdauer verfügte, sagte aber trotzdem zu. Es war halb drei. Schweden hatte begonnen, in die Ferien zu fahren, und Büros und Behörden machten früh Schluss. Viele waren schon weg. Aber er gab nicht auf, hatte Glück, erreichte Alvar Vantanen, der die M/S Melchior in den Hafen von Norrtälje gelotst hatte.

      Ja, Vantanen hatte auch gedacht, dass mit dem Schiff etwas seltsam sei, und dann war der Kapitän übereilt aufgebrochen, so als ob er etwas zu verbergen hatte.

      Darauf rief Olle das Zollamt in Stockholm an. Er kannte dort seit langem Inspektor Ingvar Lund. Der war allerdings im Urlaub. Olle wusste, dass er ein Sommerhaus auf Arholma hatte, und rief dort an.

      Es wurde ein langes Gespräch. Lund wollte nicht genannt werden, aber er erzählte, dass Interpol vor neuen Schmuggelrouten von Russland in den Nahen Osten gewarnt hatte, und diesmal waren es andere Waren als üblich.

      Via Schweden?

      Nicht unmöglich.

      Vielleicht sogar via Roslagen?

      Vielleicht. Und in diesem Fall war das wohl eine Folge all der geschlossenen Küstenstationen und der Stellenkürzungen beim Zoll in Schweden, nicht zuletzt in Roslagen.

      Olle bedankte sich, und Ingvar Lund wünschte ihm Erfolg. Olle merkte, dass der alte Zollbeamte nicht damit einverstanden war, was sich vor seinen Augen abspielte.

      »Schreib etwas Gutes«, sagte er.

      »Ich schicke dir ein Exemplar«, antwortete Olle.

      Um zehn vor sechs klingelte der Wecker. Olle stellte sich unter die Dusche, drehte vorsichtig das warme Wasser zuerst auf lauwarm, dann auf eiskalt.

      Die Norrtelje Tidning lag neben Dagens Nyheter an der Tür. Er trank Kaffee und las seinen eigenen Artikel über die Steuerhinterziehung. Na ja, nicht unbedingt das Beste, was er bislang geschrieben hatte.

      Als er die Wohnung verließ und auf die Kungsgatan trat, rief er Fatima an. Er sagte, dass er in fünfzehn Minuten vor ihrer Haustür auf der Bangårdsgatan stehen würde. Dann begann er langsam in Richtung Zentrum zu joggen.

      Sie trug einen blauen Trainingsanzug. Die Hosenbeine waren aufgekrempelt, und er sah, dass sie an den Beinen und am Hals braungebrannt war. Vielleicht war es auch ihre natürliche Hautfarbe, das wusste er nicht. Das Haar hatte sie hochgesteckt.