„Hier ist niemand“, meinte er und steckte seine Dienstwaffe zurück ins Gürtelholster.
Unser indianischer Kollege Medina öffnete inzwischen das Fenster, sodass Jay und Leslie dort einsteigen konnten.
„Unser Mann ist offensichtlich nicht zu Hause“, meinte Clive resigniert. Er griff zu seinem Handy und setzte sich mit unseren Kollegen von der SRD in Verbindung. „Ein SRD-Team ist auf dem Weg hier her“, berichtete Clive knapp, nachdem das Gespräch beendet war. „Wir sollen hier in der Zwischenzeit nichts durcheinander bringen!“
17
Der Mann mit den dunklen Locken zog den Reißverschluss der Maui-Jacke herunter. Es war verdammt warm in der Filiale von Hot & Spicy in der Avenue A. Insgesamt sechs Filialen gab es von dieser Kette mit mexikanischen Fast Food Restaurants auf dem Stadtgebiet von New York City, eine weitere in West New York und zwei in Yonkers.
Der Mann mit der Maui-Jacke schob den Rest seiner Portion Chili con Carne von sich und trank erstmal den Maxi-Becher Coca Cola aus. Aber das verschlimmerte das Brennen in seinem Hals nur.
Er schwitzte erbärmlich.
Ein Mann Mitte dreißig trat auf ihn zu und blieb vor seinem Tisch stehen. Er trug weite Cargo-Hosen und eine gelbe Thermojacke. Außerdem hatte er mindestens dreißig Kilo Übergewicht. Auf der ziemlich tief im Gesicht hängenden Strickmütze stand NO YANQUÍ!
Seine Begrüßung war ziemlich überschwänglich.
„Hola! Que tal, muchacho? Que rica te vez!“
„Lass den Scheiß, Paco. Ich brauche deine Hilfe.“
„Geht dir dreckig, was, Monty?“
„Setz dich, Paco!“
„Bueno, es ist immer dasselbe! Wenn es einem schlecht geht, findet man zurück zu den Wurzeln, Monty! Du kannst machen was du willst, du bleibst doch immer ein Puertoricaner. Auch wenn du nicht mal mehr richtig Spanisch reden kannst und peinlich genau darauf achtest, das ‚r’ nicht zu rollen, damit man nicht gleich merkt, woher du kommst!“
„Paco, ich brauche neue Papiere. Ich habe alles dabei, was du brauchst.“ Monty holte unter seiner Jacke ein dickes Kuvert hervor, das er über den Tisch schob. „Geld ist auch drin. Dein üblicher Satz.“
„Der wurde seit dem letzten Mal etwas erhöht, Monty.“
„Paco, ich dachte, wir sind Freunde!“
„Wie soll ich jemanden meinen Freund nennen, der gar nicht mehr meine Sprache spricht, Muchacho?“
Blitzschnell schoss Montys Hand hervor, packte Paco am Kragen seiner Thermojacke und zog ihn halb über den Tisch.
„War nur ein Scherz!“, zeterte Paco.
„Mach deine dummen Scherze ein anderes Mal, heute ist mir einfach nicht danach, kapiert?“
„Ist ja schon gut! Lass mich jetzt vom Haken!“
Monty ließ Paco los. Dieser fluchte lauthals auf Spanisch, als er merkte, dass er mit dem Ärmel seiner knallgelben Thermojacke im Rest der Chiliportion gelandet war. „So ein Mist, die war neu!“
„Hör zu, du kannst von mir noch mal das Doppelte bekommen, aber erst, wenn du geliefert hast.“
Das schien Paco etwas zu besänftigen.
Er warf einen Blick in das Kuvert. Alles, was ihn interessierte, war das Bündel mit Geldscheinen, das darin auch zu finden war.
„Hey, du weißt, ich bin dein Freund, Monty. Willst du mir nicht sagen, was für einen Bockmist du fabriziert hast? Als wir uns das letzte Mal gesehen haben, hast du gesagt, die Geschäfte gingen gut und jetzt musst du Hals über Kopf untertauchen. Außerdem ist es doch noch gar nicht so lange her, dass ich den letzten Satz Papiere besorgt habe! Was ist denn mit denen? Sind die nicht in Ordnung gewesen?“
„Dann würde ich mich wohl kaum wieder an dich wenden, Paco.“
„Amigo! Erzähl mir doch ein bisschen!“
„Das geht dich alles nichts an.“
Paco zuckte die Achseln, steckte das Kuvert unter die Thermojacke und erhob sich.
„Adios!“
„Willst du gar nicht wissen, wie du mich erreichen kannst?“
Paco stotterte etwas herum. „Ach, ja, richtig! Wo treffen wir uns?“
Monty nahm eine Serviette, holte einen Kugelschreiber hervor und kritzelte eine Nummer auf das Papier. Anschließend schob er sie zu Paco hinüber. „Das ist die Nummer meines Prepaid-Handys. Alles andere ist viel zu risikoreich. Wenn du fertig bist, rufst du mich einfach an.“
„Okay!“
Paco verließ die HOT & SPICY Filiale.
Er ging zur Ampel und dann über die Straße. Auf der anderen Seite sprach er zwei Kerle in schwarzen Lederjacken an, die dort schon längere Zeit vor einem Schaufenster herumstanden.
Monty wurde schlagartig klar, was hier gespielt wurde.
Ach so einer bist du also!, ging es ihm durch den Kopf. Er langte unter die Jacke. Seine Rechte umfasste den Griff der Automatik, die er dort stecken hatte.
Dann blickte er sich um. Er stand auf und ging in Richtung der Toiletten. Die Hand ließ er die ganze Zeit über an der Waffe.
Eine der Angestellten lief ihm über den Weg.
„Geht es da hinten auch irgendwie hinaus?“, fragte er.
„Ja, aber das ist nur ein Notausgang für den Brandfall. Da können Sie jetzt nicht einfach...“
Monty ließ sie stehen.
Er rannte den Korridor entlang, der zu den Toiletten führte. Dann ging es weiter.
Es roch nach Chili und halb verschmortem Bratfett, das viel zu lange in Gebrauch gewesen war. Gleichgültig ob Tortillas oder Fisch. Alles kam in dasselbe Fett und das gab einen ganz bestimmten Geruch.
Der Hinterausgang mündete in einem ziemlich kleinen und von mindestens acht, meistens aber zehnstöckigen Gebäuden umgebenen Hof, der als Parkplatz für Lieferanten genutzt wurde. Mehrere Vans und Transporter standen dort. Getränkekisten wurden ausgeladen.
Ein Geräusch, das wie ein Niesen klang war kurz hintereinander zweimal zu hören.
Eine Waffe mit Schalldämpfer wurde neben einem der Vans von einem drahtigen, Mann abgefeuert. Das Mündungsfeuer leckte rot aus dem Schalldämpfer heraus.
Monty hatte das Gefühl einen heftigen Schlag gegen die Schulter zu bekommen.
Ein Treffer hatte die Maui-Jacke aufgerissen, sich durch das Futter gefräst und war in der eingearbeiteten, dicken Kevlar-Schicht stecken geblieben. Ein zweiter Schuss schlug etwas tiefer ein, wurde aber ebenfalls von der offenbar speziell für ihn angefertigten Jacke aufgehalten.
Monty taumelte und riss seine eigene Waffe hervor und schoss zweimal.
Eine Kugel schlug in die Vorderscheibe des Van ein. Eine weitere traf einen der Männer, die gerade