Milos Schluss, dem ich mich nur anschließen konnte.
Ich fand schließlich eine der wenigen Lücken in der langen Reihe der parkenden Fahrzeuge, die am Straßenrand abgestellt waren und stellte den Sportwagen dort ab.
„Glaubst du an Zufälle?“, fragte ich.
„Bei dieser Sache nicht mehr“, gab Milo zurück. „Ich fürchte, diesmal kommen wir zu spät.“
„Wollen wir hoffen, dass deine prophetische Gabe dich diesmal im Stich lässt!“
Wenig später erreichten wir den Eingangsbereich. Ein Officer des Hoboken Police Departement ließ uns durch und klärte uns in knappen Worten über die Sachlage auf. Danach war die Polizei auf Grund einer Schießerei gerufen worden, der eine junge Frau und ein Mann zum Opfer gefallen waren.
Wir gelangten schließlich in den vierten Stock. Der Tatort war gar nicht zu verfehlen. Überall waren uniformierte Cops, die Schaulustige vom eigentlichen Tatortbereich abhielten und Zeugen befragen.
Ein rothaariger Mann in den Vierzigern leitete den Einsatz. Er stand an der Tür zu Doreen Staffords Apartment.
„Lieutenant Lester Jessup, Homicide Squad“, stellte er sich uns gegenüber vor. Jessup deutete auf den FBI-Ausweis, den ich ihm entgegenhielt und meinte: „Ich wusste nicht, dass Sie schon jemand gerufen hätte.“
„Scheint so, als hätte uns unser eigener Spürsinn hier her geführt, Lieutenant“, erwiderte ich. „Hier wohnt doch eine gewisse Doreen Stafford.“
„Wohnte“, korrigierte mich der Lieutenant. „Sie ist erschossen worden von einem Kerl, der die Tür eingetreten hat und mit einer Automatik in der Faust hereingestürmt sein muss. Nachdem er die junge Frau getötet hat, ist er selbst niedergestreckt worden.“
„Dann war noch jemand in der Wohnung?“, mischte sich Milo ins Gespräch ein.
Lieutenant Jessup nickte.
„Dem Schuhabdruck nach, den diese Person hinterlassen hat, handelte es sich um eine Frau.“
„Ich denke, wir können Ihnen sogar den Namen der Täterin verraten“, meinte ich. „Sie heißt Tasha Grath und wird im Zusammenhang mit den Morden an Brandon Carter und Jack Fabiano gesucht.“
„Wissen Sie was über die Identität des Killers?“, hakte Milo nach.
Lieutenant Jessup schüttelte entschieden den Kopf. „Er trug keine Papiere bei sich. Wir nehmen Fingerabdrücke und versuchen es mit einem Abgleich.“
Jessup führte uns in die Wohnung.
Ein Gerichtsmediziner kümmerte sich gerade um die Leiche von Doreen Stafford.
Der tote Killer lag bereits in seinem Leichensack.
Eine dunkelhaarige Kollegin von der Homicide Squad zeigte uns die Fotos der Leiche im Display ihrer Digitalkamera.
„Reicht das oder müssen wir den Leichensack noch mal öffnen?“ fragte sie an Milo und mich gewandt.
„Haben Sie kein Sofortbild?“, erkundigte ich mich.
„Leider nein. Aber ich kann Ihnen die Bilder per E-Mail auf Ihren Dienstrechner schicken, sobald ich wieder im Büro bin.“
„Gerne, Miss...“
„Ich bin Sergeant Carey.“
Ein Kollege vom Erkennungsdienst kam aus dem Bad heraus. „Hier bin ich jetzt auch fertig“, meinte er.
21
Es war schon spät, als wir wieder das Bundesgebäude an der Federal Plaza erreichten. Die meisten Kollegen hatten längst Feierabend gemacht. Nur in Mister McKees Büro brannte noch Licht. Seit unser Chef seine gesamte Familie durch ein Verbrechen verloren hatte, hatte er sich zu hundert Prozent dem Kampf gegen die Kriminalität gewidmet. Morgens war er in der Regel der erste von uns allen, der in seinem Büro saß und häufig genug war er bis spät in die Nacht noch tätig.
Milo und ich schauten bei ihm vorbei, um ihm einen kurzen, zusammenfassenden Bericht zu geben.
„Die Fingerabdrücke und das Suchergebnis der Computerabfrage sowie die Tatortfotos schicken uns die Kollegen aus Hoboken noch auf den Rechner“, meinte ich. „Ich werde gleich mal nachschauen, ob die Daten schon angekommen sind.“
„Aber spätestens dann machen Sie beide für heute Feierabend, Jesse.“
„Wenn das eine Dienstanweisung ist, Sir!“
Mister McKee lächelte verhalten. „Das ist es“, setzte er noch hinzu.
„Gibt es irgendetwas Neues von Ribesco?“, fragte ich.
„Allerdings!“, antwortete Mister McKee. „Clive und Orry waren ja heute mit ein paar anderen Kollegen in seiner Wohnung. Vergeblich. Ribesco schien bereits auf und davon zu sein. Vor fünfzehn Minuten hatte ich einen Anruf von der City Police. In einer Filiale von HOT & SPICY hat es eine Schießerei gegeben. Ribesco war irgendwie darin verwickelt. Die genauen Hintergründe liegen noch im Dunkeln. Ich weiß nicht, ob es was bringt, aber vielleicht lohnt es sich, wenn wir da mal genauer nachhaken.“
„Da scheint einfach jemand immer einen Schritt schneller als wir zu sein“, meinte ich. „Umso wichtiger ist es, Tasha Grath zu verhaften. Ich bin überzeugt davon, dass sie uns noch sehr viel mehr über die Hintergründe des Doppelmordes in der Elizabeth Street sagen könnte.“
„Es ist seltsam, Jesse. Clive hat versucht, seine Kontakte in Little Italy spielen zu lassen. Sobald der Tod von Jack Fabiano erwähnt wird, breitet sich überall Schweigen aus...“
„Ich glaube, da zittern einige große Bosse ganz schön, schließlich könnten die Ermittlungen noch so einiges an den Tag bringen, was den einen oder anderen von ihnen mit in den Abgrund reißt“, glaubte Milo. „Schließlich weiß ja niemand von uns, ob Jack Fabiano nicht bereits irgendwelche Aufzeichnungen über sein Leben angefertigt hat, die vielleicht irgendwann auftauchen.“
„Clive glaubt nicht daran, dass die Mafia hinter diesem Mord steckt“, gab Mister McKee zu bedenken. „Ich gebe allerdings zu, dass das lediglich eine sehr persönliche Einschätzung ist, die nicht mit genug Fakten unterlegt werden kann, um die Mafia-Spur wirklich schon völlig auszuschließen.“
Milo und ich gingen in unser gemeinsames Dienstzimmer. Ich fuhr den Computer hoch. Die Daten der Kollegen aus Hoboken waren eingetroffen.
Der Tote in Doreen Staffords Wohnung hieß Mace Collins, war 33 Jahre alt und hatte in den vergangenen Jahren als Türsteher und Leibwächter gearbeitet. Eine Bewerbung bei der Army war im Alter von 19 Jahren gescheitert. Er hatte weder den schriftlichen noch den psychologischen Eignungstest bestanden, während er allerdings in der sportlichen Prüfung überdurchschnittliche Ergebnisse erreicht hatte.
Es standen eine ganze Reihe von Verurteilungen auf seinem Strafkonto. Die meisten hatten etwas mit Drogen oder Körperverletzung zu tun. Ein Verfahren wegen Zuhälterei war nach einer Anhörung vor der Grand Jury wegen mangelhafter Beweisführung durch die Staatsanwaltschaft niedergeschlagen worden und in einem Mordprozess, bei dem bei einer Schießerei in einer Diskothek in Alphabet City fünf Menschen ums Leben gekommen waren, war er kurzzeitig als Verdächtiger festgenommen