Roy Palmer

Seewölfe Paket 19


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zu Boden gleiten. Als auch Joao Nazario sich seiner Sachen entledigt hatte, sanken sie auf das Lager und ließen sich vom Rausch der Leidenschaft entführen. Nazario war ein temperamentvoller, ausdauernder Liebhaber. Esther enttäuschte ihn in keiner Beziehung.

      Später saßen sie nebeneinander auf dem zerwühlten Nachtlager, und Esther steckte sich die Haare hoch.

      „Du warst gut, das muß man dir lassen“, sagte sie.

      „Also gibt es einen Preisnachlaß?“

      „Nein, auf keinen Fall.“

      „Keine Angst, du kriegst dein Geld“, sagte er lachend. „Ich bleibe auch noch ein paar Tage und schätze, daß wir uns wiedersehen – vielleicht schon morgen nacht.“

      „Ich wäre nicht abgeneigt“, sagte sie. Aber wie würde es sein, wenn sie erst ein bürgerliches Dasein führte? Die Siedler von El Triunfo waren die Verbündeten des Seewolfs, sie würden mit größter Wahrscheinlichkeit in Hispaniola seßhaft werden, wie das vereinzelt schon angeklungen war. Der eine oder andere Kerl interessierte sie, sie konnte ihn sich als Ehemann vorstellen.

      Aber war das auf Dauer etwas für sie? Würde sie irgendwann nicht doch ihrem Gewerbe nachtrauern? Darüber nachzudenken, war dringend erforderlich. Sie nahm sich auch vor, mit Manon und den anderen darüber zu sprechen.

      Nazario überlegte, daß die Gelegenheit günstig sei, das Mädchen ein wenig auszuhorchen. Vielleicht wußte sie das, was Sarraux und ihm an Information noch fehlte.

      „Bist du schon lange hier?“ fragte er sie.

      „Nicht sehr lange. Erst ein paar Tage. Meine Freundinnen und ich sind mit einer Galeone aus Frankreich herübergesegelt“, erwiderte sie.

      Sie schien jetzt auskunftswilliger zu sein als zuvor. Nazario beschloß, die Gelegenheit zu nutzen.

      „Ein paar Tage“, murmelte er. „Aber die Schlacht, die hier stattgefunden hat, hast du also schon miterlebt. Hast du keine Angst gehabt?“

      „Kaum“, entgegnete sie. „Aber woher weißt du von dem Gefecht?“

      „Ich bin mit meinem Freund Sarraux, dem Bretonen, von Hispaniola hierhergesegelt. Die Geschichte hat sich schnell herumgesprochen. Ich weiß auch, daß der Seewolf mit insgesamt fünf Schiffen hier war.“

      „Ach so.“ Sie erhob sich und schritt im Schein der Öllampe durch den Raum. „Möchtest du jetzt Wein?“

      „Ja, gern. Hast du eine Ahnung, wo der Seewolf zur Zeit steckt? Er ist doch schon vor ein oder zwei Tagen mit seinem Verband ausgelaufen, oder? Was hat er vor?“

      Esther blieb vor einer Anrichte stehen und holte zwei Becher und eine Flasche Rotwein heraus. Sie hielt Nazario den Rücken zugewandt, er konnte nicht sehen, was sie tat.

      „Ich weiß nichts über den Seewolf“, erwiderte sie. „Er war in der ‚Schildkröte‘, aber ich habe ihn nur flüchtig gesehen.“

      „Aber du könntest doch etwas über ihn herauskriegen, oder?“

      „Ja, ich denke schon.“

      „Ich meine, du könntest doch mal diesen Arne von Manteuffel ein bißchen aushorchen.“

      „Über was denn?“ fragte sie.

      „Über die Pläne des Seewolfs. Ich würde gern wissen, wo er jetzt steckt.“

      Esther öffnete ein winziges Fläschchen und streute ein weißes Pülverchen in den einen Becher, bevor sie den Wein einschenkte. Geschickt ließ sie das Fläschchen wieder verschwinden, füllte die Becher mit Wein und kehrte zu dem Portugiesen an die Lagerstatt zurück. Belladonna, ein Pflanzenextrakt – Joao Nazario würde in einen tiefen Schlaf verfallen und so schnell nicht wieder aufwachen.

      Sie blieb vor ihm stehen und reichte ihm seinen Becher. Er leerte ihn in einem einzigen Zug und gab ihn ihr zurück.

      „Noch mal bitte“, sagte er. „Die Liebe läßt durstig werden.“

      Esther holte die Flasche. „Warum bist du eigentlich so sehr an diesem Philip Hasard Killigrew interessiert?“

      „Er soll ein guter Kapitän sein“, erwiderte er. „Ich würde gern bei ihm anmustern.“

      Lügner, dachte Esther. Sie wußte jetzt, daß er auf Tortuga erschienen war, um etwas auszukundschaften. Wie konnte er über das Gefecht Bescheid wissen? Die Kunde von dem Ausgang der Schlacht konnte sich nicht schneller verbreiten, als ein Schiff brauchte, um die Nachbarinseln anzulaufen.

      Hispaniola – war die Black Queen etwa dort gelandet? War er, Nazario, dort mit ihr zusammengetroffen?

      Dieser Mann ist ein Spion, dachte Esther entsetzt. Laut sagte sie: „Du könntest auch direkt mit Arne von Manteuffel reden, wenn du das willst. Oder mit Mister O’Brien. Vielleicht auch mit Carlos Rivero oder Willem Tomdijk.“

      „Es wäre mir lieber, Kontakt mit dem Seewolf aufzunehmen“, sagte Nazario. „Ist denn das so schwierig? Ich glaube, er ist an neuen Männern für seine vielen Schiffe interessiert. Auch Gilbert Sarraux würde gern bei ihm anmustern. Läßt sich das nicht arrangieren?“ Er gähnte, während Esther Wein nachfüllte.

      „Hör zu“, sagte Esther, um ihn nicht mißtrauisch zu stimmen. Sie ließ sich auf dem Bettrand nieder. „Ich kann da bestimmt etwas unternehmen. Ich brauche mich darüber nur mal mit Manon zu unterhalten.“

      „Wer ist das, Manon?“ fragte der Portugiese mit schläfriger Miene.

      „Eine meiner Freundinnen.“

      „Gut. Und noch etwas: Wie viele Leute halten sich jetzt noch auf Tortuga auf? Dieser Arne von Manteuffel samt seiner Crew – und wer noch?“ wieder gähnte Nazario.

      „Wir Mädchen“, entgegnete Esther. „Und dann natürlich Diego und die anderen, die gewöhnlich hier hausen. Es sind aber nicht viele.“

      „Wo könnte man am besten landen, wenn man ungesehen in den Hafen wollte?“ fragte er. Seine Zunge wurde ihm schwer, er lallte fast.

      „Warum willst du das wissen?“

      „Nur so. Ich will jemandem einen Streich spielen. Vielleicht dir. Es ist ein Scherz, ver-verstehst du?“ Hölle, er konnte überhaupt nicht mehr sprechen. Was war los? Er versuchte, sich aufzurichten, aber gleich beim ersten Versuch sank er kraftlos auf das Lager zurück.

      Esther verhielt sich weiterhin so arglos wie möglich und gab ihm ein paar falsche Auskünfte. Dann stand sie vorsichtig wieder auf. Nazario waren die Augen zugefallen, er begann zu schnarchen.

      Verdammter Hund, dachte sie, wenn die Black Queen deine Auftraggeberin ist, hat deine Stunde geschlagen.

      Sie kleidete sich hastig an, warf noch einen Blick auf Nazario, der ihr bestätigte, daß das Mittel bestens gewirkt hatte, und wollte die Hütte verlassen.

      Sie hatte die Tür schon geöffnet, da verstellte ihr draußen ein Schatten den Weg. Sie zuckte vor Schreck zusammen und stöhnte auf. Am liebsten hätte sie geschrien, aber etwas schien ihr die Kehle zuzuschnüren.

      „Keine Angst“, sagte eine Männerstimme – auf französisch. „Ich will dir nichts tun. Ich will nur nachsehen, was mit Joao los ist.“

      Esther überlegte fieberhaft. Noch zitterten ihr die Knie, aber sie konnte schon wieder klare Gedanken fassen. Dieser Mann konnte nur Sarraux sein – der Kumpan des Portugiesen. In der Dunkelheit hatte sie ihn nicht gleich wiedererkannt, aber jetzt trat er näher auf sie zu, und in dem rötlichen Schein der Öllampe, der durch den Türspalt ins Freie fiel, sah sie sein Gesicht und seine Gestalt deutlicher vor sich.

      Was sollte sie tun? Einfach ausweichen und fliehen? Er konnte bestimmt schnell laufen. Und er war bewaffnet. Nein, sie mußte mit List vorgehen. Wenn sie wirklich zum Hafen gelangen wollte, um Willem Tomdijk oder Carlos Rivero zu verständigen, mußte sie diesen Kerl in Sicherheit wiegen.

      „Was soll mit ihm los sein?“ fragte