John Farndon

Big Ideas. Das Wirtschafts-Buch


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jedoch eine umfassende Analyse der Marktwirtschaft und ihres Beitrags zum Wohlergehen der Menschen vor. Von zentraler Bedeutung ist dabei das Konzept des »rationalökonomischen Menschen«. Smith meinte, Individuen träfen wirtschaftliche Entscheidungen auf der Grundlage von Vernunft und Eigeninteresse. Solange man ihnen in einer freien Gesellschaft mit ihren Wettbewerbsmärkten erlaube, sich so zu verhalten, werde eine »unsichtbare Hand« die Wirtschaft zum Wohle aller leiten. Dies war die erste Beschreibung einer freien Marktwirtschaft, in der Smith das Mittel sah, Wohlstand und Freiheit für alle zu sichern. Sie gilt als Meilenstein in der Entwicklung der Wirtschaftslehre. Smiths Ansatz wird häufig als »klassische Ökonomie« bezeichnet. Im Wesentlichen handelt es sich um eine Beschreibung dessen, was wir heute als Kapitalismus kennen. Doch Der Wohlstand der Nationen war weit mehr als eine Beschreibung der Makroökonomie. Smith untersuchte in seiner Abhandlung auch Aspekte wie die Arbeitsteilung und ihren Beitrag zum Wachstum, und er stellte die Frage, welche Faktoren an der Festlegung des Werts von Gütern beteiligt waren. Die Veröffentlichung von Smiths Werk traf zufällig genau mit dem Beginn der Industriellen Revolution in Großbritannien zusammen. Smiths Ideen stießen auf ein interessiertes Publikum, das bemüht war zu verstehen, wie die Wirtschaft funktionierte und wie man sich ihre Funktionsweise zunutze machen konnte. Sein Werk war enorm einflussreich, weil es sich mit vielen aktuellen Fragen auseinandersetzte. Insbesondere thematisierte Smith die Rolle des Staates in einer industriellen, kapitalistischen Gesellschaft. Seiner Meinung nach sollte sich die Regierung möglichst zurückhalten und sich nicht unnötig in das Wirtschafts gescheheneinmischen.

       Das Ende des Protektionismus

      Der britische politische Ökonom David Ricardo gehörte zu Smiths einflussreichsten Anhängern. Als entschiedener Vertreter des Freihandels schlug er den letzten Nagel in den Sarg des Protektionismus, indem er zeigte, wie auch die weniger produktiven Länder vom freien Handel profitieren konnten. Auch Thomas Malthus, ein britischer Geistlicher und Gelehrter, war ein Anhänger Smiths. Heute ist er vor allem berühmt für seine düsteren Prophezeiungen des Leids, das die Folge wäre, sollte die Bevölkerung schneller wachsen als die Ressourcen, die sie ernährten. Viele von Smiths Ideen wurden auch von den französischen Physiokraten übernommen, insbesondere von Anne Robert Jacques Turgot und François Quesnay, der sich für eine gerechte Besteuerung einsetzte, und von Jean-Baptiste Say, der als erster die Beziehung zwischen Angebot und Nachfrage in einer Marktwirtschaft beschrieb.

      Natürlich waren nicht alle mit Smiths Analyse einverstanden. Im 19. Jahrhundert sollte es bald eine starke Reaktion auf die Vorstellung einer rein vom freien Markt geprägten, kapitalistischen Wirtschaft geben. Aber die klassischen Ökonomen des frühen Industriezeitalters beschäftigten sich mit Fragen, die noch heute im Zentrum der Wirtschaftswissenschaften stehen. image

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      DER MENSCH IST EIN KALTER, RATIONALER RECHNER

      DER ÖKONOMISCHE MENSCH

       IM KONTEXT

      SCHWERPUNKT

       Entscheidungsfindung

      VORDENKER

      Adam Smith (1723–1790)

      FRÜHER

      um 350 v. Chr. Der griechische Philosoph Aristoteles hält das Eigeninteresse für die primäre ökonomische Triebkraft.

      1750er-Jahre Der französische Ökonom François Quesnay sieht im Eigennutz das Motiv aller ökonomischen Aktivität.

      SPÄTER

      1957 Der US-Ökonom Herbert Simon stellt fest, Menschen seien nicht in der Lage, alle Informationen zu jedem Thema zu verarbeiten, daher sei ihre Rationalität begrenzt.

      1992 Der US-Ökonom Gary Becker erhält den Nobelpreis für seine Arbeit über rationale Entscheidungen in den Bereichen Diskriminierung, Kriminalität und Humankapital.

      Die meisten ökonomischen Modelle gehen von der Annahme aus, dass Menschen im Wesentlichen rationale, eigennützige Wesen sind. So definiert sich auch der Homo oeconomicus, der »ökonomische Mensch«: Er – oder sie – bewertet vernünftig alle Fakten und trifft daraufhin Entscheidungen, die darauf ausgerichtet sind, das persönliche Wohlergehen zu maximieren. Dabei geht es darum, mit möglichst geringem Aufwand den größtmöglichen Nutzen (Zufriedenheit) zu erzielen. Diesen Gedanken äußerte zuerst Adam Smith in seinem Werk Der Wohlstand der Nationen aus dem Jahr 1776.

      Nach Smiths zentraler Überzeugung sind die wirtschaftlichen Interaktionen der Menschen vor allen Dingen vom Eigeninteresse bestimmt: »Nicht vom Wohlwollen des Metzgers, Brauers und Bäckers erwarten wir das, was wir zum Essen brauchen, sondern davon, dass sie ihre eigenen Interessen wahrnehmen.« Anbieter maximieren ihren eigenen Profit – ob wir satt werden, interessiert sie wenig.

      Smiths Gedanken wurden im 19. Jahrhundert von dem britischen Philosophen John Stuart Mill weiterentwickelt. Nach Mills Ansicht strebten alle Menschen nach Reichtum – und er meinte damit nicht nur Geld, sondern alle angenehmen Dinge. Individuen seien von dem Wunsch motiviert, mit möglichst geringem Aufwand größtmögliches Wohlergehen zu erreichen.

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       Kosten und Nutzen

      Heute wird die Vorstellung vom Homo oeconomicus als »Theorie der rationalen Entscheidung« bezeichnet. Ihr zufolge treffen Menschen alle möglichen ökonomischen und sozialen Entscheidungen nach dem Kosten-Nutzen-Prinzip. Wenn beispielsweise ein Räuber über einen Banküberfall nachdenkt, wägt er den Nutzen (mehr Wohlstand, mehr Respekt von anderen Kriminellen) gegen die Kosten (Gefahr des Erwischtwerdens und Mühe der Planung) ab.

      Ökonomen halten Handlungen für rational, wenn sie das Ergebnis einer nüchternen Abwägung von Kosten und Nutzen im Hinblick auf das gesetzte Ziel sind. Über das Ziel selbst hat die Wirtschaftswissenschaft dagegen wenig zu sagen. Manche Ziele mögen den meisten Leuten geradezu irrational vorkommen. Beispielsweise dürfte es den meisten von uns gefährlich erscheinen, dem Körper nicht erprobte Medikamente zuzuführen. Für einen Sportler, der Höchstleistungen erbringen will, ist dies aber oft eine rationale Entscheidung.

      Manche Menschen halten die Vorstellung vom Homo oeconomicus für unrealistisch. Ihrer Ansicht nach berücksichtigt sie nicht, dass niemand je alle relevanten Faktoren für eine Entscheidung abwägen kann. Die Welt ist einfach zu komplex. In der Praxis treffen wir oft schnelle Entscheidungen, die auf früheren Erfahrungen oder Gewohnheit beruhen.

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      Mönche, die ihr Leben mit Fasten und Beten zubringen, handeln im Rahmen ihres Glaubens rational – unabhängig davon, was andere darüber denken.

      Die Theorie schwächelt auch, wenn kurz- und langfristige Ziele im Widerstreit liegen. Beispielsweise kann es sein, dass jemand wider besseres Wissen ein ungesundes Stück Kuchen kauft, um ein momentanes Hungergefühl zu befriedigen. Verhaltensökonomen untersuchen heute, wie sehr wir Menschen bei Entscheidungen von den Prinzipien des Homo oeconomicus abweichen. Selbst wenn die Idee des »Wirtschaftsmenschen« individuelles Verhalten nicht eindeutig erklären kann, verwenden viele Wirtschaftswissenschaftler sie weiterhin zur Erklärung des Verhaltens von Firmen, deren Ziel die Gewinnmaximierung ist. image

       Familienökonomie

      Der US-Ökonom Gary Becker (geb. 1930) übertrug