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Betreuung und Pflege geistig behinderter und chronisch psychisch kranker Menschen im Alter


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auch zur Mitteilung von Schmerzen eingeschränkt, daher sind Betreuer darauf angewiesen, aufgrund von Veränderungen im Verhalten Hinweise auf ein mögliches Schmerzerleben zu erkennen.

      Herr et al. (2011) schlagen fünf Schritte vor, um Schmerzen bei geistig behinderten Menschen festzustellen.

      1. An erster Stelle steht die Bemühung, eine Aussage des Betroffenen zu erhalten mit Bezug auf Ausmaß und Lokalisation bestehender Schmerzen. Wenn dies nicht möglich ist, erfolgt

      2. Feststellung von Krankheitszuständen oder Eingriffen, die Schmerzen verursachen können,

      3. Dokumentation von Veränderungen des Verhaltens, die einen Hinweis auf ein Schmerzerleben geben könnten,

      4. Besprechung der beobachteten Verhaltensänderungen mit Personen aus dem Umfeld des Betroffenen, die ihn kennen und Erfahrung haben mit Verhaltensänderungen, die möglicherweise Schmerzen zum Ausdruck bringen.

      5. Wenn keine Ursache für Schmerzen ermittelt werden kann, ist ein Versuch »ad juvantibus« ein Schmerzmittel zu verabreichen gerechtfertigt. Wenn die Verhaltensänderung verschwindet, spricht dies dafür, dass Schmerzen vorlagen und durch die Schmerzmittel gelindert werden konnten. Trotzdem soll die Ursache des Schmerzes geklärt werden, um eine kausale Behandlung der dem Schmerzzustand zugrundeliegenden Störung einleiten zu können.

      Lotan et al. (2012) haben ein Instrument zur Ermittlung von akuten Schmerzen bei Menschen mit geistiger Behinderung und Störungen der Kommunikation entwickelt, die »Non-Communicating Adults Pain Checklist (NCAPC)«. Die Autoren haben Verhaltensänderungen beobachtet, und sie unterscheiden (a) vegetative Reaktionen, dazu gehören die Veränderung der Gesichtsfarbe und eine unregelmäßige Atmung, von (b) Reaktionen höherer Hirnzentren, die verschiedene Schmerzaspekte verarbeiten und sich in charakteristischen Lauten, in emotionalen Äußerungen ausdrücken. Sie sind erkennbar an der Körpersprache, an der Mimik oder an Selbstschutzreaktionen, die den schmerzenden Körperteil gegenüber Berührung abschirmen.

      In der folgenden Tabelle (image Tab. 2) werden die ermittelten Äußerungen des Schmerzempfindens erläutert.

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      KategorienÄußerungen des Schmerzempfindens

      Eine Zuordnung von Verhaltensweisen zu möglichen Schmerzzuständen in bestimmten Körperregionen haben Sappok et al. (2019) ermittelt. Sie führen bespielweise anfallsartiges Wälzen und Schlagen auf dem Boden auf mögliche Koliken zurück. Schlagen ins Gesicht und Spucken kann ein Hinweis auf Zahnschmerzen oder Sinusitis sein. Reiben am Ohr kann seine Ursache in einer Ohrentzündung oder Tubenbelüftungsstörung haben. Hals- oder Zahnschmerzen, ein Magengeschwür können zu Nahrungsverweigerung führen. Regurgitation, Rumination können auf Reflux oder eine gastrointestinale Erkrankung hinweisen. Manipulationen im Genitalbereich können ein Harnwegsinfekt oder ein anderer Infekt zugrunde liegen. Bei Harnverhaltung, Frakturen oder sonstigen akuten Schmerzen wurden motorische Unruhe, Fremd- und Autoaggression, Schreien und/oder Schonhaltung beobachtet.

      Die steigende durchschnittliche Lebenserwartung bei geistig behinderten Menschen führt dazu, dass zunehmend auch in dieser Bevölkerungsgruppe demenzielle Erkrankungen auftreten. Ein Zusammenhang zwischen dem Auftreten demenzieller Erkrankungen und Multimorbidität konnte von Cooper (1999) nachgewiesen werden.

      Psychiatrische Erkrankungen wie Depressionen oder generalisierte Angststörungen treten in der älteren Gesamtbevölkerung häufig im Zusammenhang mit einem eingeschränkten gesundheitlichen Zustand auf; dies trifft jedoch nicht auf die Gruppe der geistig behinderten Menschen zu. Eine höhere Prävalenz psychischer Erkrankungen – Demenzen sind nicht berücksichtigt – tritt in Abhängigkeit vom Schweregrad der geistigen Behinderung auf.

      1.6.1 Epilepsien

      Epilepsien gehören zu den neurologischen Erkrankungen und können sich in sehr unterschiedlichen Anfallsarten und einer großen Vielfalt von Symptomen äußern. Sie entstehen auf der Grundlage einer Funktionsstörung des Gehirns, bei der das Gleichgewicht zwischen pathologischer Erregungsbildung und deren Begrenzung in den Nervenzellverbänden fehlt.

      Die Prävalenz der Epilepsien beträgt in der Gesamtbevölkerung 0,5 bis 1 %. (Robertson et al. 2015a) In einer Metaanalyse von 38 Studien fanden Robertson et al. (2015b) eine durchschnittliche Prävalenz von 22,2 % bei Menschen mit geistiger Behinderung. Eine Differenzierung in verschiedene Schweregrade der geistigen Behinderung zeigte eine Zunahme der Prävalenz der Epilepsie bei zunehmendem Schweregrad: mäßige geistige Behinderung 16,7 %, schwere 27 %, schwerste geistige Behinderung 50,9 %.

      Mit zunehmendem Alter nimmt auch die Prävalenz epileptischer Anfälle zu, in der Altersgruppe der 19- bis 49-Jährigen finden sich Epilepsien in 9 %, bei den über 50-Jährigen sind es 26 %.

      In Verbindung mit einer Demenz vom Alzheimer-Typ treten bei Menschen mit geistiger Behinderung Epilepsien mit 53,3 % deutlich häufiger auf als ohne Alzheimer-Demenz (12,8 %). In mittleren Stadien der Demenz wurden in 39,4 % der Fälle Epilepsien beschrieben, im Endstadium waren es 84 %.

      Menschen mit Down-Syndrom zeigen mit zunehmendem Alter ein erhöhtes Risiko für Epilepsien. Die Autoren nehmen einen Zusammenhang mit dem frühen Auftreten von Alzheimer-Demenzen und entsprechender neurodegenerativer Veränderungen im Gehirn bei Menschen mit Down-Syndrom an. Kinder und Jugendliche bis zu 18 Jahren zeigen einen Anteil von 6,9 %, dieser steigt auf 9 % bei 19- bis 49-Jährigen an, über 50-Jährige sind zu 26 % betroffen.

      Menschen mit geistiger Behinderung, die an einer Epilepsie leiden, weisen in einem höheren Ausmaß körperliche Einschränkungen auf. Die folgende Tabelle (image Tab. 3) zeigt die Ergebnisse der Metaanalyse von Robertson et. al. (2015b).

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      Körperliche Einschränkungen bei Menschen mit geistiger BehinderungEpilepsie diagnostiziertkeine Epilepsie

      Menschen mit geistiger Behinderung und Epilepsie zeigen zudem ein 2,5-fach erhöhtes Risiko für eine Harn- oder Darminkontinenz und/oder für eine Gangstörung.

      Die Mortalität ist bei Menschen mit geistiger Behinderung höher als in der Gesamtbevölkerung, und sie erhöht sich zusätzlich bei Vorliegen einer Epilepsie. Das Sterberisiko ist bei Menschen mit geistiger Behinderung mit Epilepsie doppelt so hoch im Vergleich zu Menschen mit geistiger Behinderung ohne Epilepsie. Das Sterberisiko steigt auch in Abhängigkeit von Art und Häufigkeit der Anfälle an. Robertson et al. (2015a) führen das erhöhte Sterberisiko zum Teil auf den höheren Schweregrad der geistigen Behinderung und auf die damit verbundenen schweren körperlichen Einschränkungen zurück, welche wiederum mit einer erhöhten Mortalität einher gehen.

      Die häufigste Todesursache bei Menschen mit geistiger Behinderung bilden pulmonale Erkrankungen und wurden von Kiani et al. (2014) bei 51,8 % der Todesfälle mit vorbestehender Epilepsie und bei 40,5 % der Todesfälle ohne Epilepsie dokumentiert. An zweiter Stelle wird das sog. SUDEP (Sudden Death in Epilepsy), genannt, ein plötzlicher und unerwarteter Tod bei an Epilepsie erkrankten Menschen, ohne erkennbare Ursache. SUDEP kann nicht auf ein Trauma oder auf Ertrinken zurückgeführt werden, und ereignet sich unter unauffälligen Bedingungen im normalen Tagesablauf.

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