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Betreuung und Pflege geistig behinderter und chronisch psychisch kranker Menschen im Alter


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erkrankten Menschen mit geistiger Behinderung sollen jeweils in die Gesundheitsplanung der Regierung, der zuständigen Behörden und Einrichtungen einbezogen werden.

      Der Zugang zum Gesundheitssystem ist für geistig behinderte Menschen in unserer Gesellschaft in mehrfacher Weise erschwert. Es bestehen Barrieren auf der räumlichen, der kommunikativen und der Wissensebene. Der Zugang zur stationären oder ambulanten ärztlichen Versorgung ist für Menschen mit geistiger Behinderung häufig wegen räumlicher Barrieren schwierig. Da bisher geistig behinderte Menschen überwiegend in stationären Einrichtungen untergebracht waren, haben niedergelassene Ärzte in den meisten Fällen keine Erfahrung und kein Spezialwissen erwerben können mit Bezug auf (a) Erkrankungen, die in dieser Personengruppe häufiger anzutreffen sind, (b) eine häufig ungewöhnliche Präsentation von Symptomen, (c) Formen der Kommunikation bei verbalen Defiziten der Patienten, (d) den Umgang mit Ängsten vor der Untersuchung, vor diagnostischen Maßnahmen und Eingriffen bei dieser Personengruppe.

      Einen Verbesserungsbedarf in der Gesundheitsversorgung von geistig behinderten Menschen beschreibt Seidel (2017) und führt folgende Problembereiche auf:

      • Haltung und Einstellung zu Menschen mit Behinderung: Wertschätzung und Respekt

      • Haltung zu »Behinderung«

      • Fachwissen

      • Handlungskompetenz

      • Kommunikationskompetenz

      • Interpretationskompetenz

      • Zugänglichkeit

      • Barrierefreie Räumlichkeiten und barrierefreie Raumgestaltung (Licht, Orientierung)

      Menschen mit geistiger Behinderung leben zunehmend in offenen Wohnformen in der Gemeinde, dies führt dazu, dass ihre medizinische Versorgung vom niedergelassenen Hausarzt oder Facharzt übernommen wird. Ihre Behandlung ist mit einem deutlich erhöhten zeitlichen Aufwand verbunden, die Sprache sollte dem Menschen mit geistiger Behinderung entsprechen, ärztliche Handlungen sollten für den Patienten verstehbar sein, seine Unsicherheit und Ängste sind ernst zu nehmen. Die Deutsche Gesellschaft für Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung (www.dgmgb.de) und die Deutsche Gesellschaft für Seelische Gesundheit bei geistiger Behinderung (www.dgsgb.de) bieten regelmäßig Fortbildungen an.

      Seit 2016 hat sich die Situation wesentlich verbessert, es wurden Medizinische Behandlungszentren für Erwachsene mit geistiger Behinderung oder schweren Mehrfachbehinderungen gegründet (www.bagmzeb.de). Sie gewährleisten eine spezialisierte ambulante Versorgung, wenn aufgrund der Schwere der Erkrankung oder der Komplexität der Behinderung die hausärztliche Grundversorgung und die fachärztliche Versorgung eine angemessene Behandlung nicht gewährleisten können. Die Rahmenbedingungen sehen außerdem vor, dass nichtärztliche Leistungen, insbesondere psychologische, therapeutische und psychosoziale Leistungen bei Bedarf in den Behandlungsplan mit aufgenommen werden können.

      Im ambulanten Pflegedienst und in der stationären Pflege treten entsprechende Probleme bei der Versorgung geistig behinderter Menschen auf. In der Ausbildung von Alten- oder Krankenpflegern wird die geistige Behinderung nicht thematisiert, sodass in der Pflege das Wissen um den Umgang mit diesen Menschen und die speziellen Anforderungen an ihre Pflege üblicherweise auch nicht vorhanden sind. Hinzu kommt, dass der Betreuungsaufwand für Menschen mit geistiger Behinderung deutlich höher ist als bei einem nicht geistig behinderten Patienten. Aufgrund der hohen Arbeitsbelastung des Pflegepersonals ist meist eine optimale pflegerische Betreuung und Begleitung nicht möglich, denn es kommt erschwerend hinzu, dass Pflegemaßnahmen oder Stationsabläufe für Menschen mit geistiger Behinderung oft intransparent und häufig nicht nachvollziehbar sind. Sie entwickeln Ängste und bieten Widerstand, eine Kommunikation ist häufig erschwert, und auf diese Weise entstehen kaum zu lösende Konflikte.

      Seit dem 01.01.2020 tritt die dritte Reformstufe des Bundes-Teilhabegesetzes in Kraft. Das Gesetz ist nicht mehr wie die Eingliederungshilfeverordnungen in SGB XII § 60 zu finden, sondern in SGB IX Teil 2 § 90–150. Für eine Beurteilung der Praktikabilität der Umsetzung des Gesetzes ist es zum jetzigen Zeitpunkt zu früh, wenngleich der große Verwaltungsaufwand und die komplizierte Antragstellung Probleme aufwerfen werden. Der Grundgedanke, dass der Unterstützungsbedarf ganzheitlich und differenziert ermittelt und die Leistungen an die individuelle Situation der geistig behinderten Menschen angepasst werden sollen, um Teilhabe zu ermöglichen, stellt den Menschen in den Mittelpunkt, ganz im Sinn der UN-Behindertenrechtskonvention von 2008.

      Aus den dargestellten körperlichen und geistig-seelischen Veränderungen im Alter bei Menschen mit geistiger Behinderung lassen sich veränderte Bedürfnisse ableiten. Mitarbeiter von Einrichtungen der Behindertenhilfe, die langjährige Erfahrung in der Betreuung von geistig behinderten Menschen haben, wurden dazu befragt. Die im Folgenden (image Teil I: Kap. 1.8.11.8.5) aufgeführten Bedürfnisse wurden bei älteren geistig behinderten Menschen genannt.

      1.8.1 Das Bedürfnis nach Gesundheit und Wohlbefinden

      Dieses Bedürfnis schließt eine angemessene ambulante und stationäre ärztliche und pflegerische Versorgung ein. Die Aus- und Weiterbildung von niedergelassenen Ärzten, von Ärzten im stationären Bereich sowie von Pflegepersonen für den spezifischen Bedarf von Menschen mit geistiger Behinderung muss gewährleistet sein, insbesondere wenn diese Personengruppe aus den stationären Einrichtungen in ein mehr oder weniger selbstständiges Leben entlassen werden sollen.

      Präventive und gesundheitsfördernde Maßnahmen sind bei Menschen mit geistiger Behinderung in gleichem Ausmaß anzuwenden wie in der Gesamtbevölkerung, da sie im Alter in gleicher Weise an jenen chronischen Erkrankungen leiden, deren Verlauf durch eine Verminderung von Risikofaktoren gemildert oder vermieden werden kann.

      1.8.2 Das Bedürfnis nach Sicherheit, Geborgenheit und Kontinuität von Lebensgewohnheiten, von Bezugspersonen und der Umgebung

      Diese Bedürfnisse sind Grundbedürfnisse, die alle älteren Menschen teilen, unabhängig von bestehenden Behinderungen, Erkrankungen oder kulturellen Verhältnissen. Das Erleben von Verlusten der körperlichen und/oder geistigen Leistungsfähigkeit verunsichert den Menschen und führt ihm seine Verletzbarkeit vor Augen. Sicherheit findet er in Bekanntem, in täglichen kleinen sich wiederholenden Handlungen, in der Begegnung mit Menschen, die ihm bekannt sind und deren Verhalten er abschätzen kann. Fremdes, Unkalkulierbares machen im Zustand der Hilflosigkeit und des Ausgeliefertseins Angst. Die Abnahme der geistigen Anpassungsfähigkeit, eine Sehminderung oder Einschränkungen der Hörfähigkeit, Muskelschwäche und die gestörte Koordination der Bewegungen erschweren es dem älteren Menschen, sich in einer neuen, ihm unbekannten Umgebung zu orientieren; es dauert lange, bis er sich neu eingerichtet hat. Eine Übersiedlung im Alter in eine fremde Einrichtung wegen erhöhten Pflegebedarfs ist auf dieser Grundlage obsolet. Menschen mit geistiger Behinderung haben auch im Alter ein Anrecht darauf, in Sicherheit und Geborgenheit an einem ihnen vertrauten Wohnort und bei ihnen vertrauten Menschen bis zu ihrem Tod zu verbleiben.

      1.8.3 Das Bedürfnis nach einem ruhigeren Lebensrhythmus

      Dieses Bedürfnis erfordert einen höheren Zeitaufwand für die Ausführung aller Aktivitäten und die Anpassung aller Anforderungen und Entspannungsmöglichkeiten an die individuelle Leistungsfähigkeit. Ein erhöhter Zeitaufwand in Pflege und Betreuung lässt sich auf den erhöhten Pflegebedarf und die allgemeine Verlangsamung der Bewohner zurückführen.