ins Generalgouvernement am 22. auf 23.7. eine mehrstündige nächtliche Sitzung abgehalten und nachstehende Stellungnahme abgegeben: „Die Bevölkerung der Westukrainischen Gebiete ist äusserst bestürzt durch die Gerüchte, daß die westlichen Gebiete der Ukraine an das Generalgouvernement angegliedert werden sollen. Sollte es wahr sein, so würde es die herzliche Sympathie und das volle Vertrauen der Ukrainer zur deutschen Wehrmacht und Regierung erschüttern, denn die Westukrainer, welche bereits das polnische Joch und den bolschewistischen Terror überlebt haben, würden keine Opfer scheuen, dem entgegenzusteuern. Andererseits würden die Ostukrainer, welche mit den Westukrainern bei der Neuordnung ihren Rückhalt bekämen, panslawistische und russophile Ziele annehmen und von der Wahrheit der russischen Behauptung überzeugt werden, daß die Deutschen ohne Ausnahme alle Slawen unterjochen wollten. Eher würden die Ukrainer das deutsche Protektorat über die ganze vereinigte Ukraine annehmen und mit größter Hingabe unterstützen als den Wiederaufbau Polens, zum Nachteil der Ukrainer. Die letzten Gerüchte werden als Intrige des polnischen Adels im Generalgouvernement aufgefaßt. Es ist kaum glaubwürdig, daß die Ukrainer, welche zweifellos die aufrichtigsten und herzlichsten Freunde des deutschen Volkes sind, zum Opferbock der Polen oder Russen gemacht werden.“
Von der Einsatzgruppe A3 liegen keine Meldungen vor.
Einsatzgruppe B: Standort Orscha, meldet:
1) Polizeiliche Tätigkeit: Ausser Berichten aus Brest-Litowsk, Minsk, Bialystok, Baranowicze und Slonim gingen Meldungen über die Tätigkeit der EK’s aus Nowogrodek, Brazianka, Lizejka, Wsielub, Niechnierwicze, Korelicze, Stankiewicze, Zdzienezl, Lida und Lachowicze ein. Es gelang, 67 NKWD-Agenten und Funktionäre, darunter 3 rote Kommissare, in diesen kleineren Orten festzunehmen und zu liquidieren. Das in Baranowicze stationierte Kommando des EK 8 arbeitet besonders erfolgreich zusammen mit den zuständigen Dienststellen der Wehrmacht. Gemeinsam mit den Feld-und Ortskommandanturen wurde die Bildung von Judenräten, die Registrierung und wohnliche Zusammenlegung der Juden sowie die Neuaufstellung der Einwohnermeldelisten durchgeführt. Unter Heranziehung GFP, der Abwehrtrupps und der Feldgendarmerie wurden die laufenden Aktionen gegen bolschewistische Agenten, politische Kommissare, NKWD-Angehörige usw. fortgesetzt. So wurden in Baranowicze weitere 381 Personen liquidiert. Es handelte sich dabei um jüdische Aktivisten, Funktionäre und Plünderer. Ungefähr 25000 Rubel Bargeld wurden beschlagnahmt und eingezogen.4 Das nach Slonim abgeordnete Teilkommando hat in Zusammenwirken mit der Ordnungspolizei eine Großaktion gegen Juden und andere kommunistisch belastete Elemente zur Durchführung gebracht, wobei ca. 2000 Personen wegen kommunistischer Umtriebe und Plünderns festgenommen wurden. Von ihnen sind am gleichen Tag 1075 Personen liquidiert worden. Durch das Kommando allein wurden noch weitere 84 Personen in Slonim liquidiert.5 In Lachowicze konnten neben der Durchführung einer Liquidierungsaktion 323 russische Infanteriegewehre, Maschinengewehre und Maschinenpistolen sichergestellt und der Ortskommandantur übergeben werden. In Brest-Litowsk hat die Ordnungspolizei mit Unterstützung des dortigen Einsatztrupps 4435 Personen liquidiert.6 Es befanden sich darunter 408 Groß-und Weißrussen. Eine ganze Anzahl von NKWD-Gebäuden wurde nach politischem Material durchsucht. Mehrere Karteien, Listen usw. konnten sichergestellt werden. In Minsk ist nunmehr die gesamte jüdische Intelligenzschicht (Lehrer, Professoren, Rechtsanwälte usw. mit Ausnahme der Mediziner) liquidiert worden.7 Zur Aufrechterhaltung der Ordnung in dem neugebildeten jüdischen Wohnbezirk wurde ein jüdischer Ordnungsdienst gebildet. Der jüdische Ordnungsdienst steht dem jüdischen Ältestenrat zur Unterstützung bei Durchführung der von deutschen Dienststellen und der Stadtverwaltung Minsk gegebenen Anordnungen zur Verfügung. Zur Verhinderung des Ausbruchs von Seuchen in dem jüdischen Wohnbezirk wurde eine jüdische Gesundheitsstelle errichtet. Diese untersteht dem Gesundheitsamt der Stadt. In Bialystok wird nunmehr die Mitarbeit an der Liquidierung des bolschewistischen Systems von seiten der Bevölkerung immer reger, vor allem erfolgen stets Meldungen über Auftreten von Partisanengruppen in der Umgebung von Bialystok, so daß in Zusammenarbeit mit der Wehrmacht die erforderlichen Aktionen veranlaßt werden konnten. Auf Anforderung der 162. Infant.Div. wurde eine sicherheitspolizeiliche Aktion gegen die in einem kleinen Orte in der Nähe von Bialystok wohnenden ehemaligen kommunistischen Funktionäre durchgeführt. 17 kommunistische Funktionäre wurden liquidiert. In Bialystok selbst wurden noch weitere 59 Zubringer und Spitzel des NKWD zur Exekution gebracht.
2) Lebensgebietliche Tätigkeit: a) Katholische Kirche und Polentum: Im ehemals polnischen Gebiet wurde festgestellt, daß das polnische Priestertum anscheinend maßgeblichen Einfluß in der Polenfrage zu erlangen versucht. Die Geistlichkeit beginnt langsam wieder, sich zu sammeln und politisch zu betätigen und zwar z. T. vorwiegend legal über die noch bestehenden polnischen Verwaltungsapparate (so in Baranowicze und Slonim). Die Zusammenarbeit zwischen Geistlichkeit und Verwaltung ist fast überall eine sehr enge. In Slonim ließ z. B. der katholische Pfarrer in einem von der Stadtverwaltung übernommenen Waisenkindergarten alle Kinder katholisch taufen, obwohl die Eltern z. T. orthodox und Weißruthenen waren. Auf diese Weise wird auch der Volkstumskampf zwischen Weißruthenen und Polen erheblich zu Ungunsten der Weißruthenen, die auch im dortigen Gebiet zum großen Teil griechisch-orthodox sind, beeinflußt. Seitens der katholischen Kirche hofft man, daß die Unterschiede zwischen orthodox und katholisch durch Missionarstätigkeit überhaupt ausgeglichen werden. Der Bolschewismus habe hier gute Vorarbeit geleistet. Anti-deutsche Einstellung ist in der Geistlichkeit mit wenigen Ausnahmen nicht wahrgenommen worden. Es darf aber angenommen werden, daß sich die Einstellung der polnischen Geistlichkeit mit der der polnischen Intelligenz, die immer noch auf irgendein Wiedererstehen des Polenreiches hofft, deckt. b) Lage in Minsk: Ernährungslage weiterhin katastrophal, durch Kolchosen nur geringe Belieferung. Scheitert z. T. auch an Fahrzeugen. Kommissarische Stadtverwaltung ohne ausreichendes Organisationstalent. Errichtung einer Bank und einer städtischen Finanzkasse vorgesehen. Finanzabteilung bei der Stadtverwaltung bereits eröffnet. c) Lage in Wilna: In Auseinandersetzung zwischen Polen und Litauern hat Anschlag der deutschen Kommandobehörde in Wilna, wonach Litauer, Weißrussen und Polen das gleiche Recht haben, ihre Muttersprache zu sprechen, stimmungsmäßig erhebliches Aufsehen erregt. Litauer sehen darin Maßnahmen, den Litauisierungsbestrebungen Einhalt zu gebieten. Von Polen wurde schadenfrohe Zustimmung gehört, da sie nun nicht den litauischen Anordnungen über das Erlernen der litauischen Sprache Folge zu leisten brauchen.8 Hoffnung, daß ihr Volkstum erhalten bleiben darf. Allgemein anlässlich dieser Plakatierung Haß zwischen Litauern und Polen erneut feststellbar gewesen. Bei einem Teil der litauischen Intelligenz, vornehmlich Studentenkreise, ist Einsicht erkennbar, daß das 3-Millionen-Volk der Litauer nur in Anlehnung an die Großmacht Deutschland existieren kann. Hinsichtlich der Tätigkeit der litauischen Staatsanwaltschaft ist den Vorstellungen der E-Gruppe insofern Rechnung getragen worden, als die Verfolgung von Plünderungen und Brandstiftungen der Zuständigkeit der örtlichen Strafgerichte entzogen wurde. Diese Vergehen werden von deutschen Behörden standrechtlich geahndet. d) Jüdische und polnische Prostitution: In Baranowicze festgestellt. Z. Zt. ohne Kontrolle.
3) Aus dem Bezirk Witebsk wird vom Sonderkommando 7a noch gemeldet, daß die Kolchosen zum großen Teil nicht arbeiten, weil sie auf Anweisungen und Befehle warten. Falls Aufklärung der Bauern und Anweisungen nicht beschleunigt ergehen, besteht Gefahr, daß die Ernte zum großen Teil verlorengeht. Heeresgruppe ist dringend gebeten worden, daß Wirtschaftsbeauftragter beschleunigt Anordnungen und vor allem Flugblattaufklärung mit Flugzeugen einleitet.
Als Anlage ist ein Bericht der Einsatzgruppe B über die Judenfrage im weißruthenischen Siedlungsraum beigefügt.
Einsatzgruppe C: Standort Shitomir, meldet:
Agrarfragen, Entwicklung des ukrainischen Bauerntums: Sowohl für die Westukraine als auch für das Gebiet Shitomir-Berditschew-Proskurow kann einheitlich gesagt werden, daß die Ernteaussichten für Weizen und Roggen gut, Gerste schwächer, Kartoffeln und Zuckerrüben schwach sind. Kriegsschäden nur an den Kampfstraßen. Besprechung mit dem Landwirtschaftsbeauftragten Ukraine, SS-Brif. Körner, ergab: 1) Erfassung des Getreides soll zweigleisig erfolgen: Fortführung des Getreidetrusts und Ausbau der Genossenschaften. Einführung des Reichsnährstandssystems wie im Generalgouvernement würde 10 Monate Anlaufzeit erfordern, während in der Westukraine die ukrainischen Genossenschaften sofort mit großem Erfolg allgemein nach Entfernung der Juden arbeiten können. 2) Ukrainer drängen auf Bevorzugung des Genossenschaftssystems,