Zeichen. Alle waren mitgerissen von der Rede Fidel Castros, die Richter schwiegen betroffen. Die Brillanz der Rede und seine gebieterische Anklage appellierten an ihre Ehre, an die Pflicht eines jeden Kubaners, sich selbst treu zu bleiben.
Das Urteil lautete: 15 Jahre Haft für Fidel Castro, 13 Jahre für seinen Bruder Raúl und die übrigen Gefährten, sieben Monate für die beiden Frauen. Alle wurden auf die Gefängnisinsel Isla de Pinos, die Pinieninsel, die heutige Isla de la Juventud, südlich von Havanna gebracht.
Noch heute sind die Einschusslöcher vom 26. Juli 1953 an der Außenfassade der Moncada gut sichtbar. Bildquelle: Christa Schmalzried, Elke Bader
Wer war dieser Mann, der es wagte, noch im Angesicht möglicher Folter und Todesstrafe einen Diktator derart herauszufordern und zu diskreditieren? Woher kam dieser begnadete Redner Fidel Castro?
Kapitel 5
Der Sohn der Köchin
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Fidel Alejandro Castro Ruz wurde am 13. August des Jahres 1926 geboren – oder war es 1927?37 In Nachschlagewerken steht 1927, Castro behauptet 1926, schließlich ist die 26 für ihn symbolträchtig.
„Ich bin 1926 geboren. Ich war 26 Jahre alt, als ich den bewaffneten Kampf aufnahm. Und ich bin an einem 13. geboren. Das ist die Hälfte von 26.“38
Auch der Sturm auf die Moncada-Kaserne sollte an einem 26. stattfinden, dem 26. Juli 1953. Und die Rebellen mieteten 26 Limousinen, mit denen sie die Moncada-Kaserne stürmen wollten.
Fidel Castros Vater, Ángel Castro y Argiz, war spanischer Abstammung. Er wurde 1875 in Galizien geboren, damals eine der ärmsten Regionen der Iberischen Halbinsel.
Fidel und Raúl Castros Vater, Ángel Castro y Argiz als junger Mann. Foto aus Biran, Bildquelle: Christa Schmalzried, Elke Bader
Als Sohn armer Bauern war er schon im Alter von sechzehn oder siebzehn Jahren zum Militärdienst eingezogen worden39. Als 1895 der zweite kubanische Unabhängigkeitskrieg ausbrach und Spanien um den Erhalt seiner letzten kolonialen Besitzungen kämpfte, wurde Ángel Castro nach Kuba geschickt. Er war einer von vielen hunderttausend Soldaten, die gegen vierzigtausend kubanische Rebellen zu kämpfen hatten. Es war der Krieg, in dem José Martí – ewiges Vorbild Fidel Castros – an einem der ersten Kriegstage im Kampf gegen die Spanier gefallen war.
1898 war der Sieg für die Kubaner bereits zum Greifen nah, als in Havanna das US-Schlachtschiff Maine explodierte: 266 Mann starben. Die Nordamerikaner hatten es nach Kuba entsandt, mit dem Vorwand, US-Bürger zu beschützen. Die Amerikaner gaben den Spaniern die Schuld, die Spanier behaupteten, es sei ein Unfall gewesen. Die wahre Ursache ließ sich nie aufklären. Jedoch war der Untergang der Maine der Anlass für die militärische Intervention der USA. Der hochgerüsteten, modernen Flotte und den Landstreitkräften der Amerikaner hatten die Spanier nichts entgegen zu setzen.
Winslow Homer (1886-1910), Gemälde 1901, Öl auf Leinwand. Metropolitan Museum New York. Schlacht von Santiago de Cuba 1898. Suchscheinwerfer am Castillo de San Pedro de la Roca, genannt El Morro, während des zweiten kubanischen Unabhängigkeitskrieges 1898. Homer hielt in seinem Bild die Blockade der spanischen Flotte mittels eines elektrisch betriebenen Suchscheinwerfers fest, um damit die Überlegenheit der technisch modern ausgerüsteten Amerikaner gegenüber den Spaniern zu demonstrieren. Bildquelle: Elke Bader
Es war der spätere US-Präsident Theodore Roosevelt, der in einer Kavallerieattacke seiner Rough Riders40, seiner „rauen Reiter“, auf den Hügel von San Juan bei Santiago de Cuba die Wende des Krieges zu Gunsten der Amerikaner entschied.
Charles Schreyvogel (1861-1912), My Bunkie, 1899, Öl auf Leinwand. Metropolitan Museum New York. Das Gemälde ist eine Hommage an Theodore Roosevelts Rough Riders, die im Juli 1898 in der Schlacht von Santiago de Cuba auf dem Hügel San Juan die entscheidende Wendung im Spanisch-Amerikanischen Krieg herbeiführten. Bildquelle: Elke Bader
1899 zogen die Spanier ab. Doch nicht die kubanische Flagge wehte von nun an über Kuba, sondern das US-amerikanische Sternenbanner. Künftig unterstanden die Kubaner wirtschaftlich, politisch und militärisch den USA41. Damals wurde auch Guantánamo, jener berüchtigte Militärstützpunkt der US Navy, errichtet. Auf dem über einhundert Quadratkilometer großen Gebiet, das die USA sich bis heute, in einer Art Coup völkerrechtswidrig angeeignet haben42, wird auch jenes umstrittene Gefangenenlager aufrecht erhalten, das Präsident Obama bei seinem Amtsantritt 2009 eigentlich hatte schließen wollen.
Das Problem bis heute ist nur, dass weder die USA noch andere Länder Bereitschaft zeigten, aufgrund des Sicherheitsrisikos auch die schwierigen Fälle bei sich aufzunehmen.43
Mit den geschlagenen Spaniern musste damals auch Ángel Castro zurückkehren in seine Heimat, wo ihn außer Elend nichts erwartete. Darum wollte er, wie viele seiner Kameraden, zurück nach Kuba. Auch wenn Kuba durch den Krieg schwer gelitten hatte, die Toten in die Tausende gingen und große Landstriche der Insel verwüstet und abgebrannt waren: Diese grüne Antilleninsel mit ihrer Wärme, ihrer Lebensfreude, den tropischen Wäldern, dem türkisfarbenen Meer war allemal verlockender als das windumtoste, feuchtkalte Galicien mit seiner rauen Landschaft und den verfallenden Dörfern. Auf Kuba sprossen riesige amerikanische Plantagen wie Pilze aus dem Boden. Die Insel versprach eine einträgliche Zukunft, Spanien dagegen hatte ihm keine zu bieten. Darum kehrte der Kavallerie-Quartiermeister a.D. zurück nach Havanna, sobald er als Tagelöhner das Geld für die teure Seereise zusammengekratzt hatte.
Der Analphabet Ángel Castro, der sich später Lesen und Schreiben selbst beibrachte, war ein Mann von starker Willenskraft, Disziplin, „enormem Tatendrang und er war ein geborenes Organisationstalent“44, wie sein Sohn Fidel ihn später beschrieb. Den Verlockungen Havannas widerstand er bald und zog weiter in Kubas wilden Osten, die Provinz Oriente. Sie galt als rückständig, aber nun legten U.S.-amerikanische Investoren riesige Plantagen an und holzten ganze Regenwälder ab, um das Tropenholz als Brennstoff in ihren Zuckerfabriken zu verheizen. Bald fand er Arbeit, erst in einer Nickelmine, dann bei der berüchtigten United Fruit Company – heute besser bekannt unter dem Namen „Chiquita“ - jenem Bostoner Riesenkonzern, der sich wie eine Krake über Lateinamerika ausdehnte und ganze Landstriche rodete, um Zuckerraffinerien, Eisenbahnstrecken und Straßen zu bauen. Erfüllungsgehilfe der multinationalen Interessen war der U.S.-amerikanische Staat45. Noch heute rumpeln, quietschen und pfeifen Dampfeisenbahnen quer durch das Land. Vor allem in der Zeit der Zuckerrohrernte, zwischen Januar und Juni, haben diese von Technikern sorgfältig gewarteten stählernen Veteranen Hochbetrieb.
Eine der Dampfeisenbahnen, die für die Zuckerrohrernte eingesetzt wurde. Heute ein Museumsstück in Havanna. Bildquelle: Christa Schmalzried, Elke Bader
Ángel Castro arbeitete hart. Die politischen Hintergründe tangierten ihn wenig. Er musste Geld verdienen. Neben seiner Arbeit als Angestellter der Eisenbahngesellschaft, die zur United Fruit Company gehörte, verkaufte er als fliegender Händler Getränke und unterhielt einen kleinen Laden. Schließlich hatte er so viel Geld gespart, dass er von seinem Arbeitgeber ein kleines Stück Wald kaufen konnte. Wald und Gestrüpp rodete er eigenhändig und baute seine Farm auf, die „Hacienda Mañacas“. Nach und nach pachtete und erwarb er mehr Land, bis die Farm schließlich auf stolze 800 Hektar eigenes und 10.000 Hektar gepachtetes Land angewachsen war, für die er zur Erntezeit des Zuckerrohrs bis zu 1000 Landarbeiter aus der Region beschäftigte46. „Endlos und