Wolfgang Machreich

360° um die Welt


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      Adam's Peak

       Berühmt, berüchtigt, beneidet für:

      Mit dem Holi-Fest begrüßt Indien den Frühling. Das „Fest der Farben“ findet zu Ehren des Hindu-Gottes Krishna statt. Ob jung oder alt, hohe oder niedrige Kaste, reich oder arm zählt nicht, man bewirft sich mit buntem Staub, tanzt und ist fröhlich.

Fläche: 3.287.469 Quadratkilometer, ein Drittel von China
Einwohner: 1.339.180.000, fast genauso viele wie China

      Wenn Igel kuscheln

      Indien ist ein wunderbares Land mit wunderbaren Menschen, denen es bei ihrem Zusammenleben so geht wie allen Menschen, nämlich so wie Igeln in einer kalten Nacht: Um der Wärme willen drängen sie sich aneinander, stechen sich und rücken wieder voneinander weg. Diese Bewegung wird solange wiederholt, bis die optimale Position erreicht, die maximale Wärme bei minimalen Schmerzen garantiert ist. Diese in Arthur Schopenhauers Igel-Parabel beschriebene Balance zwischen Nähe und Distanz variiert von Kultur zu Kultur, schreiben Sudhir und Katharina Kakar in ihrem Buch „Die Inder – Porträt einer Gesellschaft“ (C.H.Beck). Anders als in der europäischen Gesellschaft, stellen der Psychoanalytiker und die Religionswissenschafterin fest, ist für Inderinnen und Inder „die optimale Position mit der Hinnahme größerer Schmerzen verbunden, um mehr Wärme zu erlangen“.

      Holi-Fest zu Ehren Krishnas

      Die Betonung der Verbundenheit allen Seins bestimmt den indischen Menschen, lautet das Fazit des auf Goa lebenden Autorenehepaars Kakar. In einem „ZEIT“-Interview erklärte Sudhir Kakar diese Verbundenheit: „In Indien wird der Körper nicht als geschlossenes System verstanden wie in Europa, wo alles Wichtige innerlich geschieht, der Körper also eine Festung ist, die gelegentlich Zugbrücken nach außen herunterlässt. Der indische Körper aber ist offen zu einer natürlichen, sozialen, spirituellen und kosmischen Umwelt hin.“ Dem Einwand, sie würden mit ihrem „Gesamtbild“ der Vielfalt von über einer Milliarde Menschen, mit zig Sprachen und Identitäten nicht gerecht, entgegnen Kakars damit, dass Indisch-Sein eine „Familienähnlichkeit“ darstelle, von der Indiens erster Premier Nehru meinte: „Die Einheit Indiens war für mich nicht nur ein politisches Programm, sie war eine emotionale Erfahrung, die mich überwältigte.“

      Diese Einheit wird aktuell von Gewaltexzessen gegen religiöse Minderheiten und Frauen erschüttert. Für den indischen Jesuiten Francis D'Sa ist das Verrat am Geist Mahatma Gandhis: „Wie wir Christen Jesus vergessen haben, hat Indien Gandhi vergessen“, sagte er bei einem Treffen in Salzburg: „Soviel Gewalt! Würde Gandhi noch leben, er würde sagen: Ich bin kein Inder mehr! Diese alte Kultur hat mit einem Mal das Bekenntnis an die Gewaltlosigkeit aufgegeben. Natürlich ist das jetzt extrem formuliert, denn die Mehrheit der Inder ist nach wie vor für den Frieden. Doch die Extremisten in allen Lagern sind um so viele mehr und um so vieles stärker geworden.“

      Und wie gelingt es in Indien und überall den Geist Gandhis neu zu beleben? D'Sa: „Kulturen müssen sich begegnen, damit sie bestehen können, damit sie sich weiter entwickeln können. Die Zeit, in der Kulturen wie Öl und Wasser gelebt haben, ist vorbei. Jede Kultur muss sich heute mit den Nachbarkulturen abgeben. Das geschieht nicht. In keiner Kultur in Indien geschieht das. Niemand hat etwas zu verlieren, wenn man mit den anderen in Dialog tritt. Der Weg des Friedens ist der Weg des Dialogs, der Weg der Verständigung, der Weg des Brückenbauens.“

      Auch in Indien gilt: Der Weg des Friedens ist der Weg des Dialogs.

       Berühmt, berüchtigt, beneidet für:

      Der Yssykköl im Tian-Shan-Gebirge ist nach dem Titicacasee der zweitgrößte Gebirgssee der Erde. Das „Herz des Tian Shan“ liegt auf 1607 Meter und gefriert trotz Temperaturen von minus zwanzig Grad im Winter nie. Der See besitzt mehrere Zuflüsse, aber keinen Abfluss.

Fläche: 199.900 Quadratkilometer, doppelt so groß wie Ungarn
Einwohner: 6.256.700, zwei Drittel von Ungarn

      Steinreich arm

      Kirgistan ist ein wundervolles Land mit wundervollen Menschen und riesigen Vorkommen an Gold, seltenen Erden und exklusiven Mineralien. Beispielsweise der Nevadait: Das Mineral bildet hellgrüne bis türkisfarbende Kügelchen und ist nur an zwei Orten weltweit zu finden: Im US-Bundesstaat Nevada und im Kara-Chagyr-Gebirge in Kirgistan. Wobei sich der Wert nicht daran bemisst, wie häufig ein Mineral vorkomme oder nicht, sagen die Experten: „Ein Mineral kann teuer werden, wenn der Bedarf dafür da ist.“ Bestes Beispiel ist der Best- und Longseller Gold. Geologen nennen die Region rund um Kirgisistan, Usbekistan und Tadschikistan auch „Tien Shan Gold Belt“. Das Vorkommen in diesem Goldgürtel beträgt 18 Millionen Unzen und zählt zu den reichsten der Welt.

      Trotz seiner Bodenschätze zählt Kirgistan zu den ärmsten Ländern der Region – ein Schicksal, das es mit vielen reichen und trotzdem oder gerade deswegen armen Ländern teilt. Ein Drittel der jungen Bevölkerung ist arbeitslos, viele verdienen ihr Geld als Gastarbeiter in Russland. Die Volkswirtschaft ist von Auslandsüberwei sungen abhängig, rund dreißig Prozent des Bruttoinlandsprodukts schicken Auslandskirgisen in die Heimat. Gleichzeitig ist Kirgistan die einzige Ex-Sowjetrepublik in Zentralasien, die den Weg Richtung Demokratie eingeschlagen hat. Das relativ tolerante Politiksystem und die offene Gesellschaft locken aber Zuflucht suchende Extremisten aus den autoritären Nachbarländern Usbekistan, Tadschikistan sowie Afghanistan ins Land. Armut und weniger Überzeugung sei der Grund, warum sich junge Kirgisen freiwillig dem Islamischen Staat anschlössen, heißt es. Laut International Crisis Group folgten 2016 rund 500 Kirgisen dem IS. Neben der Armut sehen Experten die Wurzel zur Radikalisierung im maroden Bildungssystem, das die Jugend in ein Leben ohne Perspektiven entlässt.

      Nevadait

      2015 führten Demonstrationen mit der Forderung nach Teilverstaatlichung der Kumtor-Goldmine zum Rücktritt der Regierung. Diese hatte es nicht geschafft, sich mit dem kanadischen Eigentümer auf den Rückkauf von Staatsanteilen zu einigen. Die auf 4000 Meter liegende Kumtor-Mine ist die zweithöchste Goldmine der Welt und die größte Goldlagerstätte Zentralasiens. Sie sorgt für rund zehn Prozent der Wirtschaftsleistung im Land. Das kirgisische Parlament kritisierte, dass zu viele Gewinne ins Ausland fließen. Von den Minenbetreibern verursachte Umweltschäden trugen zusätzlich zur aufgeheizten Stimmung bei. Die auch einem britischen Mitarbeiter zum Verhängnis wurde. Sein abschätziger Facebook-Eintrag über eine lokale Delikatesse löste einen Bergarbeiterstreik aus. Der Mann musste das Land binnen 24 Stunden verlassen. Sein Vergehen: Er hatte die traditionelle Pferdefleischwurst Tschutschuk als „Pferdepenis“ bezeichnet. Dabei hatte er noch Glück: Wegen Mangels an Beweisen entging er einer Verurteilung wegen Anstachelung zu „ethnischem Hass“ und bis zu fünf Jahren Haft – bei Wasser und Tschutschuk.