und Petra kicherte: »Sicher, Kili, du könntest mein Auto waschen.«
»Das ist keine Idee, das ist eine Schnapsidee.«
»Du weißt doch, dass ich nur Wein trinke.«
»Wein trinken und Wasser predigen!« Kili schüttelte empört den Kopf, von Borns finsterer Miene nicht die Spur beeindruckt. Eines Tages würden die beiden gewaltig zusammenrasseln, Kili hielt Bello für einen aufgeblasenen Westentaschendiktator und Born hasste die Unabhängigkeit eines Mannes, der auf jede Hierarchie pfiff.
»Okay, das war’s dann, einen schönen Abend noch.« Wie immer hatte Kirchbauer genau zum richtigen Zeitpunkt eingegriffen, aber Rogge überlegte auf dem Weg in sein Zimmer, warum ihm diese Fähigkeit seines Stellvertreters so unsympathisch war.
Simon saß noch an seinem Schreibtisch: »Klar, kommen Sie hoch.«
Das Gespräch verlief nicht so, wie Rogge sich das vorgestellt hatte, Simon weigerte sich, seine Entscheidung anders oder ausführlicher zu begründen als heute Vormittag.
»Ich will den Fall vom Tisch haben.«
»Streng genommen ist es nicht einmal ein Fall, Herr Simon«, belehrte der Hauptkommissar seinen Vorgesetzten geduldig. »Es fehlt ein hinreichender Verdacht, um überhaupt eine Ermittlung aufzunehmen.«
»So kann man das sehen«, stimmte Simon mit unbewegtem Gesicht zu. Als Pokerspieler müsste er reich werden.
»Hat es mit Miriam Schönborn zu tun?«
»Nein.« Simon bestritt es so ruhig, dass Rogge ihn zweifelnd anschaute. »Ich weiß, dass wir uns damals nicht mit Ruhm bekleckert haben, und diesen Staatsanwalt Jagenow könnte ich heute noch erwürgen.«
»Ich habe heute mit Inge Weber gesprochen, aber den Namen Miriam Schönborn nicht erwähnt.«
»Völlig richtig, Herr Rogge. Mein Wort darauf, dass ich Schönborn nicht behelligen will. Miriam war eine schöne Frau, ein seltenes Talent, aber ich habe mir von vielen Leuten, die sie privat kannten, immer wieder versichern lassen, dass sie in ihrem Haus sterben wollte. Allein, ohne Zeugen, nicht in einem Krankenhaus. Und Schönborn hat von Anfang an zugegeben, dass er sich das Morphium illegal besorgt hat.«
»Sie war schön, begabt und reich, Herr Simon.«
»Auch solche Menschen erkranken an Krebs.«
Im Grunde stimmte Kogge Simon ja zu. Miriam Andersen hatte eine kometenhafte Karriere hinter sich, als sie Schönborn kennen lernte. Eine Altistin, der alle Kritiker vorhergesagt hatten, sie werde den Sprung an die Scala oder die Met mit Leichtigkeit schaffen. Dann heiratete sie diesen windigen Immobilienmakler, der so schnell viel Geld gescheffelt hatte, dass sich der Verdacht unsauberer Geschäfte einfach aufdrängte. Von einem Tag auf den anderen verzichtete Miriam Schönborn auf die Bühne, um nur noch Hausfrau zu sein, und sechs Monate nach der Hochzeit verließ sie die Villa in Steinfurth nicht mehr. Keine Erklärung, keine Begründung, nichts; die Zeitungen überschlugen sich. Ein Jahr später schlief sie auf ihrem Lieblingsplatz im Garten ein, einem Rondell mit einem kleinen Springbrunnen, das ringsum von dichten Ligusterhecken umgeben war. Erst nach ihrem Tod wurde bekannt, dass sie unheilbar krebskrank gewesen war, die letzten Monate hatte sie nur mit Morphium überstanden, das Schönborn bei Dealern besorgt hatte. Aus ihrem elterlichen Erbe hinterließ sie Schönborn mehr als sechs Millionen Mark, und als das große Gemunkel anhob, nur dank dieses Geldes sei Schönborn am Bankrott vorbeigeschlittert, leitete Staatsanwalt Jagenow ein Ermittlungsverfahren ein.
»Aber seltsam ist es schon«, fand Rogge nachdenklich.
»Wie meinen Sie das?«
»Schönborns erste Frau war reich und todkrank und jetzt unterhält er eine Beziehung zu einer Frau, die nicht weiß, wer sie ist.«
»Sie mögen Schönborn nicht?«
»Nein. Einen sachlichen Grund habe ich allerdings nicht, reine Antipathie.«
»Dank derer Sie nun rätseln, ob Schönborn entdeckt hat, wer sie ist, und darüber hinaus weiß, dass sie viel Geld besitzt.«
Rogge hatte seinen Verdacht nicht verbergen wollen, lächelte aber anerkennend, dass Simon ihn so schnell durchschaut hatte.
»Wir senden wieder einmal auf derselben Wellenlänge, Herr Rogge.«
»Doch Sie haben Ihren Text verschlüsselt.«
»Nein.« Simon reagierte gelassen. »Mir will einfach nicht in den Kopf, dass in Deutschland eine Frau ein Jahr lang nicht vermisst wird. Und der heimliche Macho in mir fügt hinzu: eine Frau, die immer und überall die Aufmerksamkeit der Männer erregt haben muss.«
Rogge brummte zustimmend. Was Simon ausgesprochen hatte, war völlig richtig, doch zugleich ein Ablenkungsmanöver.
»Ich schaue mir morgen diesen Rastplatz mal an.«
Simon zuckte mit den Schultern. Einzelheiten wollte er nicht hören, Hauptsache, Rogge unternahm etwas. Aus einem Grund, den er immer noch nicht ausgesprochen hatte und auch nicht preisgeben würde, dachte Simon nicht daran, sich mit der Diagnose Gedächtnisverlust zufrieden zu geben,
»Deine Baguette.«
»Donnerwetter, ich hätte gewettet, dass du sie vergessen hast. Komm rein!« In ihren bequemen Schlamperhosen und dem weißen Russenkittel sah die Staatsanwältin sehr viel jünger aus als in den Kleidern, die sie bei Verhandlungen unter der Robe tragen musste.
»Es riecht gut.«
»Hast du Hunger?«
»Nein, danke, aber ein Bier würde ich gerne schnorren. Ich hab nichts mehr im Haus.«
»Gell, die Vorräte haben früher auch länger gehalten, was?«
Sie saßen abends oft in ihrer Küche. Ihr Wohnzimmer glich meist einem Schlachtfeld, weil sie die Angewohnheit hatte, ihre Akten auf allen waagerechten Flächen, ob hoch oder niedrig, auszubreiten, und laut aufschrie, wenn Rogge auf dem Sofa Platz schaffen wollte: »Ich find nichts mehr wieder.« An den beengten Raum hatte sie sich immer noch nicht gewöhnt, schimpfte über die »Hundehütte« oder die »Schlafküche« und verfluchte den Ehemann, dem sie den Hals umdrehen würde, sobald derselbe in Reichweite geriet. Wenn Dörte lostobte, musste man sie gewähren lassen, das nahm Rogge geduldig hin, weil er durchschaut hatte, dass sie sich mächtig einschränkte und notgedrungen mit jeder Mark geizte.
»Na, hast du Simon zum Reden gebracht?«
»Nein. Er will nicht.«
»Für solche Fälle gibt’s Beugehaft.«
»Besorg mir einen Richter und ich beantrage sie.«
Über ihre Kochkünste schmunzelte er oft. Die Gerichtskantine erfreute sich zwar eines besseren Rufes, war aber tatsächlich keinen Deut anders als die im Präsidium, und dass die Staatsanwältin dort nur in Notfällen aß, verstand er gut. Aber warum sie sich abends von ihrem prächtigen Gewürzbord immer wieder in Versuchung führen ließ und harmlose Spiegeleier mit Oregano und Kümmelpulver ungenießbar machte, hatte er lange Zeit nicht begriffen. »Da fehlte der Pfiff«, jammerte sie, trübsinnig auf das widerlich schmeckende Produkt ihrer Würzkünste starrend. An diesen fehlenden Pfiff hatte er lange geglaubt, bis ihm einmal auffiel, mit welch fröhlicher Miene sie den Teller über dem Abfalleimer leer kratzte. Die Folge ihrer Kochversuche war nämlich, dass sie wenig aß und abnahm, und das wiederum konnte sie nach dem Kummerspeck, den sie sich während der Auseinandersetzungen mit den Gläubigern und der Trennung von ihrem Teuren angefuttert hatte, gut vertragen. Doch Rogge kannte sie mittlerweile gut genug, um zu wissen, dass sie ihm an die Kehle springen würde, sollte er seinen Verdacht äußern. Die Kränkung saß tief und ihr Kampf um die alte Figur gehörte zu dem selbst verordneten Programm, die Vergangenheit abzuschütteln. Was dagegen völlig wiederhergestellt schien, war ihre freche Klappe.
»Also machst du dich wirklich dran?«
»Im Schongang, Dörte.« Das Bier stimmte ihn ausgesprochen