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Wo heute predigen?


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werden kann. Die Grenzen des guten Geschmacks verlaufen in dieser außerordentlichen Situation zwar anders, sind aber auch hier zu beachten.

      Noch eine letzte Beobachtung: Nicht unwesentlich für das Glaubenszeugnis war das Miteinander des jeweiligen Missionsteams. Nach außen hin sollten sie sich ergänzen, um möglichst viele Menschen anzusprechen, miteinander sollten sie modellhaft Gemeinschaft vorleben.

      3. Ausblick

      Zusammenfassend kann die Tradition der Volks- und Glaubensmission als ein „Verkündigungsformat“ gelesen werden, das es verstand, unterschiedliche Ebenen und Aspekte der Glaubensverkündigung zusammenzufassen und miteinander zu verbinden; vergleichbar mit „Sendeformaten“, wie wir sie vom Hörfunk oder Fernsehen her kennen. Solche Formate müssen immer neu gefunden und entwickelt werden. Volks-, Gemeinde- oder Glaubensmissionen, wie sie noch im 20. Jahrhundert im deutschen Sprachraum gehalten wurden, „funktionieren“ heute nicht mehr. Die Rahmenbedingungen dieses Seelsorgeformats sind vielfach nicht mehr gegeben. Die Missionspredigt enthält Erfahrungen, die auch für künftige pastorale Projekte bedenkenswert sind. Es lohnt sich meines Erachtens darüber nachzudenken, wie diese für missionarische Initiativen in unserer Zeit genutzt werden könnten.

      Gegenwärtig wird oft von der Notwendigkeit einer Neumission geredet. „Europa ist wieder Missionsland geworden“, heißt es da und dort.8 „Mission first!“ gab Kardinal Christoph Schönborn als Motto mit auf den Weg für den Diözesanen Entwicklungsprozess der Erzdiözese Wien.9 Wenn wir jedoch Mission als fortgesetzte Evangelisierung verstehen und begreifen, dass jede Person und jede Generation in jeder Epoche das Evangelium für sich neu entdecken muss, und dass jede/r Getaufte sich ein Leben lang bemühen muss, „Christus anzuziehen“, (vgl. Gal 3,27 und Eph 4,22 ff), sollten wir eher sagen: Europa ist Missionsland geblieben und hat sich in den verschiedenen Epochen dieser Aufgabe auf vielfältige Weise immer wieder neu gestellt. Nun steht eine neue Phase der Evangelisierung Europas an, in der es gilt, den neuen Entwicklungen in unserer Gesellschaft Rechnung zu tragen. Es genügt nicht, alten Wein in neue Schläuche zu füllen, wie dies mitunter versucht wird.

      3.1. Existenzielles Betroffensein und Verkündigung

      Kirchliche Seelsorge hat in den letzten Jahrzehnten auf die veränderten Lebenssituationen der Menschen auf vielfache Weise reagiert und die seelsorglichen Angebote in Lebensbereichen, in denen existenzielle Lebenskrisen erlebt werden, wie z.B. in Krankenhäusern, im Pflegebereich, in Gefängnissen usw., ausgebaut und vor allem qualitativ verbessert. Auch auf Gemeindeebene gibt es viele neue Initiativen wie Besuchsdienste, qualifizierte Begleitung von Sterbenden und Trauernden… Haupt- und ehrenamtliche Kräfte engagieren sich in der Notfallseelsorge und der Krisenintervention.

      Die Erfahrungen der traditionellen Missionsbemühungen stellen uns vor die Frage: Finden die existenziellen Fragen der Menschen in der ausdrücklichen Verkündigung genügend Beachtung? Kann auf diese Fragen an den vorgegebenen Verkündigungsorten wie etwa den sonntäglichen Gottesdiensten und den Kasualien ausreichend eingegangen werden? Ich sehe noch viel Platz für neu zu entwickelnde Verkündigungsformate, die sich dieser Aufgabe stellen. Was die Missionspredigt in der Vergangenheit mit rhetorischen Mitteln eingebettet in liturgische Inszenierungen angestrebt hat, müsste unter den gegenwärtigen medialen Bedingungen neu angegangen werden.

      Grundlegende Lebensfragen ändern sich weniger rasch als die Lebenssituationen, in denen sie uns begegnen. Die uralten Themen treten in alten und neuen Lebens-Geschichten und in kleinen und großen Erzählungen auf. Sie werden nicht mehr nur verbal vorgetragen, sondern in vielfältigen Ausgestaltungen. Musik, Bilder und Bildsequenzen sind bevorzugte Formen der Kommunikation geworden.

      In diesem Zusammenhang gewinnt die Bibel einen neuen Stellenwert in der religiösen Kommunikation. Denn auch sie erzählt gerne. Es gilt jedoch, diese große Erzählung neu zu erschließen. In der Vergangenheit wurde sie oft als Repertoire von Regeln und Vorschriften gesehen und genutzt. Sie enthält jedoch die Glaubenserfahrungen und Lebensweisheiten vieler Generationen. Als solche ist sie jedoch nur einem relativ kleinen Kreis von Menschen vertraut. Zusehends an Bedeutung für die Verkündigung gewinnen neue Zugänge zu biblischen Texten. Bibelgespräche in kleinen Gruppen, aber auch Bibliolog und Bibliodrama sind Möglichkeiten, sich in einer Weise mit Bibeltexten auseinanderzusetzen, dass deren Bedeutung für das eigene Leben hier und heute spürbar und bewusst wird. Sie sind darauf angelegt, dass sie die Personen, die sich darauf einlassen, ganzheitlich ansprechen und zur Auseinandersetzung mit den anderen Teilnehmer_innen führen. Manche dieser Formen können auch direkt in einem Gottesdienst eingesetzt werden.

      3.2. Gemeinde neu

      Rainer Bucher hat neben anderen Pastoraltheolog_innen darauf hingewiesen, dass Gemeinde nicht mehr in dem Sinne „funktioniert“, wie dies in den Jahren nach dem Konzil angedacht war.10 Trotz aller Veränderungen wird sich auch in Zukunft das Leben der Kirche in gemeindlichen Zusammenhängen vollziehen. Auch wenn der Einzelne mehr als in der Vergangenheit in Glaubensdingen seinen eigenen Weg geht und Menschen sich in größeren Räumen vernetzen und Beziehungen herstellen, braucht es auch in Zukunft Orte und Räume, wo „zwei oder drei“ im Namen Jesu zusammenkommen, gemeinsam auf das Wort Gottes hören und seine Gegenwart erfahren.

      Auch hier gilt es, die neuen Möglichkeiten zu nützen und Gemeinde neu zu denken und aufzubauen. Das Wachsen der Gemeinde zu fördern, war in der Vergangenheit ein Teilziel der Missionen. Dies wird auch in Zukunft gelten. Erschwert wird dies zwar durch neue gesellschaftliche Milieubildungen und die Schwierigkeit, Milieugrenzen zu überschreiten, aber umgekehrt bieten die neuen Netzwerke und Kommunikationskanäle neue Möglichkeiten, neue Verbindungen herzustellen.

      3.3. Persönliche Überzeugungen – überzeugende Persönlichkeiten

      Eine entscheidende Rolle für die Wirkung einer Mission hatte die Persönlichkeit der Missionare: ihre Glaubwürdigkeit, Überzeugungskraft, Sachkompetenz, rhetorische Kompetenz, Kommunikationsfähigkeit… Sie hatten als Prediger, Liturgen, Gesprächspartner und eventuell auch als Beichtväter in verhältnismäßig kurzer Zeit die Herzen der Menschen zu gewinnen. Es ist meines Erachtens kein Zufall, dass Missionen von Orden gehalten wurden. Ordensgemeinschaften konnten schon im Vorfeld auf die Teambildung achten und spezifische Weiterbildung betreiben und haben mit ihrer spezifischen Ausrichtung immer auch Menschen mit bestimmten Talenten angesprochen.

      Die Anforderungen haben sich im Laufe der Zeit noch weiter ausdifferenziert und die Erwartungen sind heute noch höher denn je. Weitere, zusätzliche, Kompetenzen – Stichwort neue Medien, neue Kommunikationsformen11 – sind notwendig, um in der Gegenwart anzukommen. Eine Person wird das nicht in sich vereinigen können. Ein neues, sich ergänzendes Miteinander im Team müsste meines Erachtens entwickelt werden.

      Die „Missionspredigt“ und ihre Einbettung in ein historisch gewachsenes Seelsorgekonzept kann wichtige Impulse für die Fortsetzung der Evangelisierung in Europa und auch in anderen Ländern geben. Die wichtigste Erkenntnis ist für mich, dass es das Zusammenwirken vieler Komponenten braucht und dass Evangelisierung nicht mit eindimensionalen Konzepten gelingen kann. Die Erfahrungen mit der Volks- und Gemeindemission bestärken mich in der Vision, dass es in Zukunft neue seelsorgliche „Formate“ geben wird, die alte und neue Kommunikationsformen nutzen, um mit möglichst vielen Menschen über Grundfragen des Lebens und des Glaubens in Dialog zu treten.

      Literatur

      Bucher, Rainer, …wenn nichts bleibt, wie es war. Zur prekären Zukunft der katholischen Kirche, Würzburg 2012.

      Fuchs, Alois, 150 Jahre Pfarre Roggendorf, Eggenburg 1934.

      Krieger, Walter / Sieberer, Balthasar (Hg.), Missionarisch Kirche sein, Linz 2008.

      Polak, Regina, Mission in Europa? Auftrag – Herausforderung – Risiko, Innsbruck 2012.

      Schedl, Alfred, Das Ringen um eine zeitgerechte Volksmission in Österreich. Eine historische Besinnung (1823-1985), in: Spicilegium Historicum C.Ss.R 33, 1985, Fasc. 1, 229-241.

      Sievernich, Michael, Mission der Weltkirche, in: Stimmen der Zeit 222 (5/2004), 289-220.

      Springer, Franziscus, Mission in Nucera. 9.11.-11.12.1823. Spicilegium Historicum C.Ss.R 4, 1956,