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Wo heute predigen?


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das „respice finem“ klingt aber nach wie vor in vielen Themen an. Wichtige Themenbereiche waren die Frage nach dem Sinn des Lebens, nach dem Gottesbild und der persönlichen Gottesbeziehung, Jesus Christus als Erlöser, der aus Liebe zu den Menschen sein Leben hingegeben hat, Tod und Auferstehung, die Notwendigkeit der Umkehr und der Versöhnung mit Gott und den Mitmenschen, sowie Fragen einer christlichen Lebenspraxis und Spiritualität: Gebet, Wort Gottes, Eucharistie, Gemeinde u. a. m. Nicht fehlen durfte in einer redemptoristischen Mission Maria als Vorbild christlichen Lebens und Glaubens.7

      Alfons M. von Liguori war in seiner persönlichen Lebensgeschichte vom Geheimnis der Liebe Gottes, das sich in Christus geoffenbart hat, so tief berührt, dass dieses Motiv zum Grundton seines Lebenswerkes wurde und er diese Ausrichtung auch von den Missionaren seiner Gemeinschaft einforderte.

      Nach Möglichkeit waren Missionspredigten in Feiern eingebettet: Feiern der Tauf- und Firmerneuerung, Buß- und Versöhnungsfeiern, Totengedenk- und Auferstehungsfeiern, eine Prozession oder Wallfahrt zu einem Marienbild oder Marienaltar… Stimmige und zugleich stimmungsvolle Feiern können Herz und Gemüt bewegen und zur persönlichen Auseinandersetzung mit existenziellen Lebensthemen hinführen. Feiern boten immer auch Anlass, verschiedene Gruppen in die Gestaltung einzubeziehen: Chöre, Musikkapellen oder Ensembles, Traditionsgruppen, Einsatzkräfte wie Feuerwehr und Erste Hilfe – alles, was eine Gemeinde aufbieten konnte.

      2.3. Katechetische Elemente

      Die Missionspredigt enthielt meist auch katechetische Elemente. Ursprünglich orientierte sich die Themenreihe einer Mission an den großen theologischen Traktaten und die Prediger waren angehalten, die Predigt so aufzubauen, dass sie das ganze Thema abdeckt. „Eine gute Missionspredigt erschöpft das Thema, den Prediger und die Hörer“ hieß es scherzhaft. Der Aufbau einer Predigt war so gestaltet, dass er einen systematisch-inhaltlichen Leitfaden zum jeweiligen Thema anbot, den sich die Hörer_innen einprägen konnten. Immer wieder traf ich Menschen, die von früheren Missionen die einzelnen Predigtpunkte so tief in Erinnerung hatten, dass sie diese nach Jahrzehnten noch aufzählen konnten.

      Neben den Missionspredigten gab es auch sog. Standeslehren für Männer, Frauen, Burschen, Mädchen und Kinder. Diese boten Gelegenheit, auf moralische Fragen, die diese Menschengruppe besonders betrafen, einzugehen. Gleichzeitig dienten sie der Vorbereitung auf die persönliche Beichte. Im Laufe der Zeit mutierten die Standeslehren zu Angeboten für bestimmte Zielgruppen: Senior_innen, Erwachsene, Jugendliche und Kinder, Eheleute, Alleinstehende oder auch Geschiedene und Wiederverheiratete. Auf diese Weise wollte man auf zielgruppenspezifische Interessen und auf Fragen der christlichen Lebensgestaltung konkreter eingehen.

      2.4. Die Gemeinde als Ort der Missionspredigt

      Mission und Umkehr brauchen einen Raum, in dem sie stattfinden können. Paulus ging in Athen auf den Areopag und holte sich dort eine Abfuhr. Normalerweise hielt er, wenn er in eine Stadt kam, Ausschau nach einer Synagoge, in der Juden zusammenkamen und Gottesdienst feierten. Die Predigten der Apostelgeschichte beginnen meist mit dem Nacherzählen der Heilsgeschichte und erzählen diese dann um. Dies setzt einen gemeinsamen Verstehenshorizont voraus.

      Sehr oft wird mit Mission die Vorstellung verbunden, dass sich jemand hinstellt, ein mehr oder weniger persönliches Glaubenszeugnis gibt und so zu predigen beginnt. Das impliziert die missionstheologisch fragwürdige Haltung „ich habe die Frohe Botschaft, die Wahrheit, den besseren Glauben und bringe diese den noch nicht Gläubigen“. In der Tradition der Volks- und Gemeindemission gingen die Missionare einen anderen Weg. Sie begannen ihre Verkündigung mitten in der Gemeinde.

      Die kirchlichen Dokumente der letzten Jahre heben drei Zielrichtungen der Mission hervor. Evangelii Gaudium nennt als Erstes die „gewöhnliche Seelsorge“, „an zweiter Stelle erwähnen wir den Bereich der ‚Getauften, die jedoch in ihrer Lebensweise den Ansprüchen der Taufe nicht gerecht werden‘“, und schließlich die „Verkündigung des Evangeliums an diejenigen, die Jesus Christus nicht kennen oder ihn immer abgelehnt haben“ (EG 14). Die Enzyklika Evangelii Nuntiandi des Papstes Paul VI. spricht von Evangelisierung bzw. Neuevangelisierung und meint damit, dass wir uns auf allen Ebenen – persönlich, als Gemeinde, als Kirche – neu dem Angebot und Anspruch des Evangeliums stellen und uns vom Evangelium umgestalten lassen, ein jeder persönlich, aber auch bis in alle Bereiche unserer Lebenskultur hinein (vgl. EN 20).

      Meiner Erfahrung nach ist eine solche Evangelisierung nicht ohne die Einbettung in irgendeine Form von Gemeinde möglich. Es braucht einen Raum, in dem das Evangelium fruchtbar werden und wachsen kann. Schwierig ist dies natürlich in einer Zeit, in der das ganze Beziehungsgefüge im Umbruch ist, in der Strukturreformen notwendig sind, in der sich Beziehungsgeflechte dank höherer Mobilität und neuer Kommunikationstechniken geändert haben und immer weiter verändern. Predigt als Auslegung der Frohen Botschaft, als Miteinander-Teilen des Wortes Gottes setzt Gemeinschaft voraus, ereignet sich in Gemeinden. Missionspredigt ist eine Inszenierung des Wortes Gottes im Raum der Gemeinde. In ihr findet das Wort Gottes einen Echoraum und kann es Wellen schlagen.

      2.5. Über Gemeindegrenzen hinaus

      Auch wenn die Missionspredigt auf Gemeinde angewiesen ist, möchte sie über die Grenzen der Gemeinde hinaus wirken. Mit dem Missionsauftrag Christi sind alle Menschen gemeint. Die Glaubensund Gemeindemission hatte immer auch zum Ziel, Menschen über die Gemeindegrenzen hinaus zu erreichen. Dazu wurden vielen Versuche unternommen: Hausbesuche, Zielgruppenangebote, Diskussionsveranstaltungen im öffentlichen Raum usw. Dabei erlebte sie, dass Strategien, wie sie in anderen gesellschaftlichen Bereichen erfolgreich angewendet werden (wie z.B. in der Werbung, in der Wirtschaft oder in der Politik) in jenen Zusammenhängen, in denen es um Glaubensfragen geht, nicht in gleicher Weise funktionieren. Im Bereich des Glaubens braucht es persönlichen Kontakt.

      Um Menschen, die nur wenig am Gemeindeleben teilnahmen, ansprechen zu können, suchte die Gemeindemission in den jeweiligen Gemeinden Personen, die sich in das missionarische Bemühen einbeziehen ließen und den Kontakt zu den anderen herstellten. Sie wurden gebeten, im privaten oder im halböffentlichen Rahmen Freunde, Arbeits- oder Vereinskolleg_innen zu Gesprächen „über Gott und die Welt“ einzuladen, an denen dann ein Missionar von auswärts teilnahm. Dabei hat sich bewährt, ein Thema vorzuschlagen, das einerseits die Eingeladenen anspricht, andererseits aber auch Gespräche über Glaubensfragen zulässt. Meistens begannen solche Gespräche bei tagesaktuellen oder gruppenspezifischen Themen, gingen dann weiter zu den jeweiligen „heißen Eisen“ der gesellschaftlichen und kirchenpolitischen Diskussion und boten meist auch Gelegenheit, die damit verbundene persönliche Glaubensebene anzusprechen. Auf diesem Weg gelang es mitunter, mit Milieus ins Gespräch zu kommen, die sich von kirchlichen Angeboten nur selten eingeladen fühlten. Das Besondere an diesem Vorgehen bestand darin, dass ein Gruppeninsider einen Gesprächsraum herstellte, in den eine Person von auswärts Impulse einbringen konnte, die sonst nicht zur Sprache kamen. Nicht selten wurde bei solchen Begegnungen ein Grundvertrauen aufgebaut, auf das persönliche Einzelgespräche folgen konnten.

      2.6. Zeugen des Glaubens

      Eine wichtiges weiteres Merkmal der Missionspredigt ist das damit verbundene Glaubenszeugnis. Es ist kaum möglich, über existenzielle Fragen zu reden, ohne sich dabei selbst in der eigenen Glaubenshaltung und Überzeugung einzubringen.

      Dabei sind meines Erachtens zwei Ebenen zu unterscheiden. Jede/r Sprecher_in zeigt beim Reden von seiner/ihrer eigenen Person mehr, als ihm/ihr zunächst selbst bewusst ist. Neben Sachkompetenz ist Authentizität ein wesentlicher Teil jeder Glaubwürdigkeit. Dies gilt in besonderer Weise für die Predigt. Jeder Prediger, jede Predigerin, gibt immer auch ein Glaubenszeugnis. In der sonntäglichen Predigt und bei Ansprachen zu verschiedenen Anlässen der Gemeinde muss der Prediger/die Predigerin damit jedoch sehr behutsam umgehen, denn aus dem eigenen Leben zu erzählen kann leicht ins Peinliche abgleiten. Und die Echtheit der Verkündigung wird im Alltag der Gemeinde laufend überprüft.

      Diese Grenze verläuft meiner Beobachtung nach in außerordentlichen Predigtsituationen anders als in der normalen Gemeindepredigt. Im Zusammenhang grundlegender Glaubensthemen sind die Hörerinnen und Hörer daran interessiert, was der Prediger, die Predigerin ganz persönlich glaubt und wovon diese überzeugt sind. In dialogischen Gesprächssituationen wird sie oder er nicht selten ausdrücklich