zeigen, wie wichtig ein gutes Kohärenzgefühl für das Leben von Seelsorger/-innen ist und wie notwendig es ist, seine weitere Entwicklung konsequent zu fördern. Was lässt sich hier tun?
3.5.11. Das Kohärenzgefühl von Seelsorgenden: Förderungsstrategien
Die Chancen zur Förderung eines stärkeren Kohärenzgefühls sind einerseits beschränkt und andererseits doch wieder vergleichsweise gut. Beschränkt sind sie deswegen, weil erhebliche Anteile des Kohärenzgefühls bis zum 30. Lebensjahr aufgebaut werden. Allerdings sind auch später noch bemerkenswerte Veränderungen möglich. Die ursprüngliche Annahme von Antonovsky, dass das Kohärenzgefühl bis zum frühen Erwachsenenalter ausgebildet ist und dann stabil bleibt, hat sich als revisionsbedürftig erwiesen: Veränderungen sind bis ins hohe Lebensalter möglich. Dies zeigt sich nicht nur daran, dass der SOC bis in das hohe Alter ansteigt, sondern auch darin, dass Lebensereignisse und Ereignisse im Berufsfeld auf das Kohärenzgefühl Einfluss nehmen.33, 34
Die Einflussnahme auf den SOC der Seelsorger/-innen ist in der Kirche deswegen aussichtsreich, weil die „Verweildauer der Personen in der Organisation“ im Normalfall sehr lang ist. D. h., mit langem Atem und Geduld wäre bei entsprechender Aufmerksamkeit auf die Förderung des Kohärenzgefühls viel zu erreichen. Zu den bisher erprobten individuellen Empowerment-Strategien gehören:
– salutogene Interventionen zur Förderung von Hoffnung und Alltagsbewältigungsstrategien;
– hilfreiche Gespräche mit dem Fokus auf die eigenen Ressourcen und darauf basierenden Handlungsstrategien;
– Training im konstruktiven und problemlösenden Umgang mit Stress;
– maßgeschneiderte Programme zur Förderung bio-psychosozialer Ressourcen.
In Zukunft dürften noch weitere Strategien hinzukommen. Auf Tätigkeits- und Arbeitsplatzebene bieten sich an: der Einsatz überlegter Auswahlprozesse, die bessere Berücksichtigung der Prozesse der Passung von Person und Tätigkeit („charismenorientierter und situationsgerechter Personaleinsatz“), die Bereitstellung besserer und passgenauerer Ressourcen, der Aufbau von akzeptablen Gratifikationsprozessen, die Ausbildung von Konzepten der Förderung eines arbeitsplatzspezifischen Kohärenzgefühls (z. B. „Spezialist bzw. Fachseelsorger für Allgemeine Seelsorge“ [vgl.: Facharzt für Allgemeinmedizin]) und individuelles Training am Arbeitsplatz.35 Angesichts des „lebenslangen Engagements aus Berufung“ in der Kirche ergeben sich hier bei entsprechender Aufmerksamkeit, bei entschiedenem Willen und organisationalen Schwerpunktsetzungen zahlreiche Möglichkeiten.
3.5.12. Ergebnissicherung zum Kohärenzgefühl
1. Das Kohärenzgefühl hat sich in der Seelsorgestudie als zentrale Ressource mit großer Bedeutung für Lebenszufriedenheit, Gesundheit und Engagement erwiesen. Es stellt eine Ressource mit hohem Differenzierungspotential dar. Je stärker das Kohärenzgefühl entwickelt ist, desto positiver ist der Status aller anderen Indikatoren. Dies gilt besonders für die Merkmale der Belastungsverarbeitung und des gesamten Arbeitsfeldes.
2. Das Kohärenzgefühl der Seelsorgenden liegt auf dem Niveau der Normalbevölkerung; es liegt aber unter dem Niveau von Personen mit gleichem Anspruch an die beruflichen und menschlichen Ressourcen (Akademiker, Gesundheitsberufe, Führungskräfte). Besonders das Kohärenzgefühl von Priestern ist schwächer entwickelt.
3. Unterschiedliche Tätigkeitsfelder und Positionen sind in der Seelsorgestudie bei Priestern mit unterschiedlichen Ausprägungen des Kohärenzgefühls assoziiert. Dafür sind vermutlich Selektionseffekte und stärkende bzw. schwächende Effekte des Tätigkeitsfeldes mit Blick auf das Kohärenzgefühl verantwortlich.
4. Aufgrund der Tatsache, dass Priester und Laien in der Seelsorge meist „ihr (Berufs-) Leben lang“ in der Kirche tätig sind, bieten sich trotz aller Grenzen erfolgversprechende Chancen für eine kontinuierliche Förderung des Kohärenzgefühls. Es braucht dafür individuelle und arbeitsplatzbezogene Konzepte, zu denen ein „charismen- und situationsgerechter“ Personaleinsatz gehören dürfte.
1 Thomä D, Henning C & Mitscherlich-Schönherr O (2011) Glück: ein interdisziplinäres Handbuch. Stuttgart: Metzler.
2 Papst Franziskus (2016) Homilie von Papst Franziskus anlässlich der Eucharistiefeier an Allerheiligen im Swedbank-Stadion von Malmö. Verfügbar unter: http://w2.vatican.va/content/francesco/de/homilies/2016/documents/papa-francesco_20161101_omelia-svezia-malmo.html [5. 11. 2016].
3 Bucher A (2009) Psychologie des Glücks. Weinheim: Beltz.
4 Beierlein C, Kovaleva A, László Z, Kemper CJ & Rammstedt B (2014) Eine Single-Item-Skala zur Erfassung der Allgemeinen Lebenszufriedenheit. GESIS-Working Papers 2014 : 33. Diener E, Inglehart R & Tay L (2013) Theory and validity of life satisfaction scales. Social Indicators Research 112 : 497–527.
5 Schupp J (2009) 25 Jahre Sozio-oekonomisches Panel – Ein Infrastrukturprojekt der empirischen Sozial- und Wirtschaftsforschung in Deutschland. Zeitschrift für Soziologie 38 : 350–357. Wagner GG, Göbel J, Krause P, Pischner R & Sieber I (2008) Das Sozio-oekonomische Panel (SOEP): Multidisziplinäres Haushaltspanel und Kohortenstudie für Deutschland – Eine Einführung (für neue Datennutzer) mit einem Ausblick (für erfahrene Anwender). AStA Wirtschafts- und Sozialstatistisches Archiv 2 : 301–328.
6 Diener E, Emmons RA, Larsen RJ, Griffin S (1985) The Satisfaction With Life Scale. Journal of Personality Assessment 49 : 71.
7 Neuberger O & Allerbeck M (1978) Messung und Analyse von Arbeitszufriedenheit: Erfahrungen mit dem „Arbeitsbeschreibungsbogen (ABB)“. Bern: Huber.
8 Daumenlang K, Müskens W & Harder U (2004) Fragebogen zur Erfassung des Organisationsklimas (FEO). Göttingen: Hogrefe.
9 Raffelhüschen B & Schlinkert R (2015) Deutsche Post Glücksatlas 2015. München: Albrecht Knaus Verlag.
10 Heidl CM, Landenberger M & Jahn P (2012) Lebenszufriedenheit in Westdeutschland: eine Querschnittsanalyse mit den Daten des Sozio-oe-konomischen Panels: DIW Berlin, The German Socio-Economic Panel (SOEP). Steptoe A, Deaton A & Stone AA (2015) Subjective wellbeing, health, and ageing. The Lancet 385 : 640–648.
11 Diener E (2006) Understanding scores on the Satisfaction with Life Scale. Verfügbar unter: https://internal.psychology.illinois.edu/~ediener/Documents/Understanding%20SWLS%20Scores.pdf [11. 11. 2016].
12 Rossetti S (2011) Why priests are happy. A study of the psychological and spiritual health of priests. Notre Dame: Ave Maria Press.
13 Angestellte und Führungskräfte in Sozialen Diensten (vorwiegend aus diakonischen und caritativen Institutionen)