Eckhard Frick

Zwischen Spirit und Stress


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(r = –0,35) und den Entwicklungsmöglichkeiten (r = –0,35).

      Der Blick auf die „Amtsaufgabe“ bzw. die „Aufgabe der Tätigkeit“ ist überhaupt sehr aufschlussreich mit Blick auf die Unterschiede bei den Berufsgruppen. Die Frage lautet: „Ich spiele in letzter Zeit mit dem Gedanken, das Priesteramt (meinen Beruf als Seelsorger oder Seelsorgerin) aufzugeben.“ Wie erwartet, korreliert bei den Priestern der Antwortwert zur Aufgabe des Dienstes mit der Aussage „Wenn ich die Wahl hätte, würde ich

      Abb. 3.4: Prozentverteilung der Berufsgruppen in der Antwort auf die Aussage: „Ich spiele in letzter Zeit mit dem Gedanken, das Priesteramt (meinen Beruf als Seelsorger oder Seelsorgerin) aufzugeben.“ mich wieder für dieselbe Lebensform entscheiden“ (→ Kap. 5) moderat negativ (r = –0,38). Dieser Wert ist plausibel.

      Viel erstaunlicher sind aber die sehr hohen Werte zur „Amtsaufgabe“ als Seelsorgerin oder Seelsorger bei den Laienberufen in der Kirche (Abb. 3.4). Im Gegensatz zu den Priestern, die zu 80% nie oder fast nie darüber nachdenken (ähnlich hoch liegt der Wert bei den Diakonen), sind es bei den Laien nur 50% bzw. 55%; der Anteil bei den Priestern, die sehr häufig (0,8%) und häufig (1,4%) darüber nachdenken, liegt insgesamt bei 2,2%. Bei den Gemeindereferentinnen und -referenten liegt die entsprechende Gruppe viermal so hoch wie bei den Priestern, bei den Pastoralreferentinnen und -referenten dreimal so hoch.

      Ein abschließender Blick gilt der Beziehung von Arbeitszufriedenheit mit der allgemeinen Lebenszufriedenheit. Grundsätzlich gilt für den Zusammenhang eine moderate Korrelation: Lebenszufriedenheit und Arbeitszufriedenheit sind miteinander assoziiert, jedoch nicht deckungsgleich. Während die Korrelation für Lebenszufriedenheit und Arbeitszufriedenheit bei den Laien und Diakonen in der Seelsorge etwas schwächer ist (r = 0,38) als das in Metaanalysen beschriebene Zusammenhangsmaß (r = 0,44), ist sie für die Priester deutlich höher (r = 0,59). Lebenszufriedenheit und Berufszufriedenheit der Priester stehen offensichtlich in einem viel stärkeren Zusammenhang als bei den anderen Berufsgruppen im seelsorglichen Dienst. Bei den jüngeren Altersgruppen („Alterskohorten“) wird der Zusammenhang bei den Laien schwächer, bei den Priestern noch stärker. Es scheint so, dass bei Priestern „Leben und Arbeiten“ eine vergleichsweise große Einheit bilden. Priestersein ist kein Beruf, sondern eine Lebensform. Priestersein ist kein Beruf wie jeder andere, schon gar kein „Job“, der auf das „private“ Leben wenig Einfluss hat.

      In der Vergleichsgruppe fanden sich signifikant höhere (bessere) Werte. Diese Diskrepanz ist auffällig. Im Vergleich zu Angehörigen der sozialen Berufe vertrauen die Seelsorger(innen) ihren Leitungsverantwortlichen und Diözesen mit Blick auf die Zukunftsstrategien (Effektstärke Cohens d=0,69) und die Prioritätensetzung (Effektstärke d=0,54) deutlich weniger. Sie haben auch weniger Vertrauen, dass die eigene Organisation (Diözese) die Aufgaben der Zukunft meistern wird (Effektstärke: 0,54). Auch bei der Sorge der Leitung (Diözese) um ihre Mitarbeiter zeigt sich ein beachtliches Defizit (Effektstärke: 0,46). Hier ergibt sich weiterer Forschungsbedarf, um abzuklären, inwieweit diese Differenzen verallgemeinerbar bzw. auch dauerhaft sind.

      Tab. 3.3: Prädiktoren des Engagements (schrittweise Regression)

      Hier zeigen sich zwei Phänomene (Tab. 3.3): Das Klima in der Organisation hat einen eigenen Effekt auf das Engagement (zusammen mit den Persönlichkeitseigenschaften und dem empfundenen Stress). Je mehr das Organisationsklima beeinträchtigt ist, umso niedriger wird daher das Engagement ausfallen. Das Organisationsklima steht auch in Beziehung zur Wertschätzung (r = 0,37). Das heißt, je schlechter das Organisationsklima beurteilt wird, umso schlechter fällt auch die empfundene Wertschätzung aus (oder umgekehrt). Man könnte diesen Zusammenhang so interpretieren: Aufgrund ihrer Identifikation mit der kirchlichen Organisation nehmen die Seelsorger(innen) den problematischen Zustand ihrer Organisation in gewisser Weise „persönlich“. Insgesamt ist die Beziehung zwischen der Organisationszufriedenheit bzw. dem wahrgenommenen Organisationsklima und den wichtigen abhängigen Variablen (Stress, Burnout, Arbeitszufriedenheit, Gesundheit, Wertschätzung) bei der Gruppe der Priester eher stärker ausgeprägt als bei ihren Kolleginnen und Kollegen (→ Tab. 3.4). Hier zeigt sich eine „Schattenseite“ der hohen Identifikation der Priester mit ihrem Leben als Priester, das für sie mehr Existenzform als „Job“ ist: Wenn Priester mit dem Zustand ihrer Organisation, für die sie leben, Probleme haben, wird dies in intensiverer Form als Dämpfung ihrer Zufriedenheit mit der Seelsorge und als fehlende Wertschätzung wahrgenommen. Dies gilt natürlich auch umgekehrt: Je geringer die wahrgenommene Wertschätzung und die Arbeitszufriedenheit sind, umso niedriger ist die Zufriedenheit mit dem Klima der kirchlichen Organisation.

      Tab. 3.4: Korrelation der Variable „Organisationsklima“ mit Stress, Burnout, Arbeitszufriedenheit, Gesundheit, Wertschätzung bei den Berufsgruppen

      Zusammenfassend lässt sich festhalten:

      1. Es ist wichtig, die unterschiedlichen Dimensionen der Zufriedenheit (Lebenszufriedenheit, Arbeitszufriedenheit, Organisationszufriedenheit) zu differenzieren, weil sie in unterschiedlicher Weise bewertet werden und unterschiedliche Beziehungen hinsichtlich „Lebensqualität“ (Lebenszufriedenheit, Arbeitszufriedenheit, Gesundheit, Belastungsfreiheit) und Motivation haben.

      2. Die Gesamtgruppe der Seelsorgenden liegt in ihrer allgemeinen Lebenszufriedenheit auf einem Niveau, das deutlich über dem der sogenannten Normalbevölkerung angesiedelt ist. Sie liegt jedoch auf ähnlichem Niveau mit sozioökonomisch vergleichbaren Gruppen. Alle Berufsgruppen sind in der Zufriedenheit auf gleichem Niveau, wenn man die jeweilige Gesamtgruppe zugrunde legt. Die Gruppe der alten Priester ist besonders zufrieden. Die Gruppe der Priester im aktiven