Offenbarung der Gedanken geschieht damit, noch bevor es zu irgendeiner Tat kommt und gehört damit eher zur asketischen Übung im Sinne der Selbsterkenntnis278 und des Lernens des Umgangs mit sich und seinen Gedanken, Leidenschaften etc..279 Der „Ort“ für die Selbsterkenntnis ist das Herz des Menschen. Abbas Pambo sagt: „Wenn du ein Herz hast, kannst du gerettet werden.“280 Ein Herz zu haben, so H. Vlachos, meint, sein Herz zu finden, zu sich selbst zu finden, um dort, im Herzen, die Führung Gottes zu entdecken.281
Die Gedanken aufzuhalten ist töricht bzw. unmöglich, es geht darum, sich mit ihnen auseinanderzusetzen. Ein Beispiel macht das deutlich:
„Ein Bruder kam zum Altvater Poimen und sagte: ‘Vater, ich habe vielerlei Gedanken und komme durch sie in Gefahr.’ Der Altvater führte ihn ins Freie und sagte zu ihm: ‘Breite dein Obergewand aus und halte den Wind auf!’ Er antwortet: ‘Das kann ich nicht!’ Da sagte der Greis: ‘Wenn du das nicht kannst, dann kannst du auch deine Gedanken nicht hindern, zu dir zu kommen. Aber es ist deine Aufgabe, ihnen zu widerstehen.’ “ (Poimen 28)(Apo 602)
Gedanken zu haben oder vielleicht besser, sie wahrzunehmen, wird etwa von Abbas Kyros ausdrücklich begrüßt, denn dies bewahrt vor der Tat bzw. gibt die Möglichkeit, Widerspruch zu erheben. Wer keine Gedanken hat, der tut die Sünde.
„Über unzüchtige Gedanken befragt, antwortete der Altvater Kyros, der Alexandriner, folgendermaßen: ‘Wenn du den Gedanken nicht hast, dann entbehrst du der Hoffnung. Bist du gedankenfrei, dann wendest du dich zur Tat. Das heißt: Wer in seinem Denken nicht gegen die Sünde kämpft und auch keinen Widerspruch erhebt, tut sie leiblich. Wo nämlich die Tat vorliegt, wird man von Gedanken nicht belästigt.’ Es fragte nun der Alte den Bruder: ‘Du hast es doch wohl nicht mit einem Weibe zu tun gehabt?’ Der Bruder antwortete: ‘Nein, aber meine Gedanken sind alte und neue Maler: meine Erinnerungen machen mir zu schaffen und: es sind Frauenbilder.’ Da sprach der Greis zu ihm: ‘Tote fürchte nicht! Aber die Lebenden fliehe und verlängere lieber deine Gebete.’ “ (Kyros)(Apo 445)
Hier wird ganz klar unterschieden zwischen dem Gedanken und der Tat, nur Letztere wird als Sünde verstanden. Ein anderes Beispiel:
„Altvater Theodor in der Sketis sagte: ‘Ein Gedanke kommt mir, verwirrt mich und nimmt mir die Ruhe, aber zur Ausführung vermag er nicht fortzuschreiten, doch hindert er mich in der Tugend. Ein wachsamer Mann aber schüttelt ihn ab und erhebt sich zum Gebet.’ “ (Theodor Sketiotes)(Apo 300)
Theodor differenziert hier klar: Der Gedanke beunruhigt, kommt aber nicht zur Ausführung, d.h. er führt nicht zur Sünde, behindert aber das Tugendwachstum. Das Beispiel macht weiter deutlich, daß dieses Offenbaren der Gedanken auch Gott gegenüber geschehen kann, denn als Mittel gegen diese Gedanken nennt Theodor das Gebet. Andere Apophthegmata nennen neben Gebet282 auch Fasten283 und regelmäßige Arbeit bzw. eine gute und maßvolle Ordnung des Tages284.
Eine andere Möglichkeit ist die „Gegenrede“ (Antirrhetikon)285, der Mönch beginnt einen Dialog mit seinen Gedanken, er setzt sich auseinander und nimmt die Gegenposition ein:
Abbas Poimen erzählte über den Altvater Isidor:
„Seine Gedanken sagten zu ihm: ‘Du bist ein großer Mensch!’ Und er sprach zu sich: ‘Bin ich etwa von der Art des Antonios? Oder bin ich vollkommen geworden wie Abbas Pambo? Oder wie die übrigen Väter, die das Wohlgefallen Gottes hatten?’ Sooft er sich das vorführte, hatte er Ruhe. Wenn aber die Feindschaft (der Dämonen) ihn mit Kleinmut erfüllen wollte, daß er nach all dem doch in die Strafe eingehen werde, sagte er zu ihnen: ‘Auch wenn ich in die Strafe geworfen werde, werde ich euch doch noch unter mir finden.’ “ (Isidor 6)(Apo 362)
Von einer ähnlichen Form, den Gedanken zu überlisten, erzählt Amma Theodora:
„Da war ein Mönch, den erfaßten, als er in den Gottesdienst gehen wollte, Frösteln und Fieberschauer, und im Kopf spürte er eine Spannung. Da sprach er zu sich: Siehe, ich bin krank, und es kann sein, daß ich sterbe. Ich will mich aufraffen, ehe ich sterbe, und in die Versammlung gehen. Mit diesem Gedanken bezwang er sich selbst und besuchte den Gottesdienst. Als dieser zu Ende war, hörte auch das Fieber auf. Wieder einmal hielt er diesem Gedanken stand und kam in die Versammlung und überwand den Gedanken.“ (Amma Theodora 3)(Apo 311)
Manche Gedanken müssen schließlich ausgehungert werden:
„Abbas Isaak befragte den Altvater Poimen über die schmutzigen Gedanken, und dieser erklärte dazu: ‘Es ist wie mit einer Truhe, die voller Kleider ist: Wenn einer sie drinnen liegen läßt, dann vermodern sie mit der Zeit. So ist es auch mit den Gedanken: wenn wir sie nicht mit dem Leibe ausfahren, dann verschwinden sie mit der Zeit oder verfallen.’ “ (Poimen 20)(Apo 594)
Auch die Nichtbeachtung kann hilfreich sein, Abbas Poimen rät:
„Wenn dir ein Gedanke kommt wegen der Notwendigkeit der leiblichen Bedürfnisse, und du sie einmal in Ordnung gebracht hast, und wenn er dann ein zweites Mal kommt, und du ihn wieder geordnet hast, und wenn er dann ein drittes Mal kommt, dann achte nicht darauf, denn es ist ein unfruchtbarer Gedanke.“ (Poimen 40)(Apo 614)
„Ein Bruder fragte einen Alten: ‘Warum drücken die Gedanken mich nieder? Oft mache ich ihnen Vorhaltungen, aber sie entfernen sich nicht, sondern bleiben da.’ Der Alte antwortete: ‘Wenn du ihnen nicht energisch zurufst ’Verschwindet’, werden sie nicht weggehen. Denn solange sie Ruhe haben, werden sie nicht gehen.’ “286
Diese Beispiele unterstreichen die Differenziertheit im Umgang mit den Gedanken und den Unterschied zum Sündenbekenntnis bzw. der Buße im engeren Sinn, wie sie oben dargestellt wurde.
I.1.F.c. Gehorsam in der Beziehung zum Altvater
Die Altväter geben keine Weisung ungefragt, die Frage als Akt der Schaffung von Beziehung muß vom Ratsuchenden ausgehen. Dieser öffnet sich in der Frage vertrauend dem Altvater, muß dann aber auch bereit sein, den Spruch, die ergangene Weisung zu akzeptieren. „In der Bitte tut sich das Herz zum Hören auf und macht sich bereit zum Tun, zum Gehorsam.“287
„Die Altväter lehrten: Nichts verlangt Gott von den Anfängern im geistlichen Leben so sehr als die Mühe des Gehorsams.“ (V, 4, 13)(Apo 1164)
„Ein Bruder kam zu Abbas Serapion, und der Greis forderte ihn auf, nach seiner Gewohnheit ein Gebet zu sprechen. Der aber nannte sich einen Sünder und unwert des Mönchgewandes und ließ sich nicht beruhigen. Er wollte ihm die Füße waschen, aber er sprach die gleichen Worte und ließ es nicht zu. Er veranlaßte ihn auch zu essen, und der Greis fing selber an zu essen. Und er belehrte ihn mit den Worten: ‘Kind, wenn du Nutzen haben willst, dann halte in deinem Kellion aus, achte auf dich und deine Handarbeit. Denn das Herausgehen bringt dir für den Fortschritt nicht den Nutzen wie das Stillsitzen.’ Als er das hörte, ärgerte er sich, und sein Aussehen veränderte sich so, daß es dem Greis nicht verborgen blieb. Nun sprach der Altvater Serapion zu ihm: ‘Bis jetzt hast du gesagt: ich bin ein Sünder, und klagtest dich an, des Lebens nicht würdig zu sein. Nachdem ich dich aber in Liebe erinnert habe, bist du so wild geworden. Wenn du demütig sein willst, dann lerne es mannhaft ertragen, was dir von anderen zugebracht wird und halte an dich mit leeren Worten.’ Als der Bruder das hörte, fiel er dem Greis zu Füßen und ging dann mit großem Nutzen weg.“ (Serapion 4)(Apo 878)
„Abbas Mios, der Sohn des Beleos sprach: Gehorsam steht für Gehorsam. Wenn einer Gott gehorcht, gehorcht Gott auch ihm.“ (Mios 1)(Apo 539)
Abbas Rufos „singt“ das Loblied des Gehorsams:
„Wer in Unterordnung unter einen geistlichen Vater verharrt, hat mehr Lohn zu erwarten als einer, der sich aus eigenem Willen in die Wüste zurückgezogen hat. ... Deswegen, Kinder, ist der Gehorsam, der Gottes wegen geleistet wird, gut. Zum Teil habt ihr, Kinder, eine kleine Spur dieser rechten Ordnung kennengelernt. O Gehorsam, Rettung aller Gläubigen, o Gehorsam, du Erzeugerin aller Tugenden, o Gehorsam, Finderin des Königreichs, o Gehorsam, der du den Himmel