Regina Bäumer

Aufmerksamkeit ist das natürliche Gebet der Seele


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ich gerettet werde!“105; „Was soll ich tun?“106. Die Bitte kann sehr eindringlich vorgetragen werden, der Altvater Poimen selbst etwa bittet Abbas Makarios unter Tränen um ein Wort.107

      Mit der Frage wird eine Beziehung hergestellt und erkennt der Fragende den Altvater als geisterfüllten und erfahrenen Mönch, als Pneumatiker an. Deutlich wird das in folgender Erzählung:

      „Altvater Moses sprach einmal zum Bruder Zacharias: ‘Sage mir, was ich tun soll!’ Als er das hörte, warf er sich auf den Boden zu seinen Füßen und sprach: ‘Du fragst mich, Vater!?’ Der Greis antwortete ihm: ‘Glaube mir, mein Kind Zacharias: Ich sah den Heiligen Geist auf dich herabkommen, und deswegen bin ich gezwungen, dich zu fragen.’ “ (Zacharias 3)(Apo 245)

      Die Frage ist hier fast wie ein Initiationsritus in die Rolle des Altvaters, des Abbas zu verstehen, sie schließt auf jeden Fall die Erkenntnis beim Fragenden ein, daß der Befragte den Hl. Geist besitzt. Die Initiative und damit auch das Urteil darüber, ob jemand Abbas ist oder nicht, liegt beim Fragenden, darauf wird an anderer Stelle noch näher einzugehen sein.

      Das Wort, das der Abbas dem Fragenden mitgibt, hat Gewicht und Bedeutung. Bousset nennt es „Orakelwort“108, was einerseits den manchmal auch verschlüsselten und nicht gleich offensichtlichen Charakter des Wortes hervorhebt109, was aber andererseits zu sehr an esoterische Praktiken erinnert. J.C. Guy nennt das Väterwort charismatisches Wort und unterstreicht damit die Geistgewirktheit, was sicherlich zutrifft. H. Dörries bezeichnet die Frage als Beichtfrage und die Antwort entsprechend als Beichtwort, was hier unbrauchbar scheint, denn es handelt sich nicht um eine Beichte, und es geht auch nicht immer um Fragen von Schuld und Vergebung.110

      Am deutlichsten getroffen wird der Sachverhalt doch wohl von der Bezeichnung K.S. Franks, der von einer „Heilsfrage“ und einem „Heilswort“ spricht.111 Darin ist auf der einen Seite die Dringlichkeit der Frage eingefangen, es geht um die Rettung, und andererseits der heilende, der therapeutische Charakter des Väterspruches betont. Darüber hinaus ist auch deutlich, daß dieses Heil immer nur geistgewirkt sein kann.

      Eine zweite Art sind konkrete Fragen, die oft mit der Bemerkung eingeleitet werden: „Ein Bruder fragt den Altvater“, dann wird die Frage wiedergegeben.112 Aus der allgemeinen und offenen Heilsfrage ist eine konkrete Frage geworden. Die generelle Antwort „so und so muß ein Mönch sein, so und so lebt man in der Wüste“ provoziert neue, konkretisierende Fragen zur Wüstenaskese, bis hin zu ganz praktischen Fragen wie: „Man hat mir ein Erbe hinterlassen, was soll ich damit tun?“113. K. S. Frank nennt diese Form die Lehrfrage, geht es doch darin mehr um die Entfaltung einer Lehre und nicht so direkt um das Heil.114 W. Bousset spricht von „kleinen Dialogen“115, was wiederum den erweiterten Charakter dieser Form betont. Von Abbas Agathon etwa wird berichtet wie er seine zwei Schüler befragt, um sie zu belehren.116

      Unter den Logien sind noch die unerfragten Weisheitssprüche zu nennen, es sind allgemein gültige Worte, die eigentlich jedem Mönchsvater in den Mund gelegt werden können.

      Bei Abbas Poimen sind etwa 75 solcher Logien zu finden, was ungefähr ein Drittel des Materials ausmacht. Dies spricht, so K.S. Frank, für das Ansehen des Mönchsvaters, denn anonym überlieferte Worte wurden offensichtlich ihm zugeschrieben, neuerfundene Worte wurden mit seiner Autorität versehen.117 In diesen Logien heißt es dann einfach: „Abbas Poimen sprach“118 oder „wiederum sagte er“119.

      H. Dörries bemerkt sehr richtig, daß diese Worte formal durch die fehlende Frage von den so benannten Heilsworten, inhaltlich jedoch kaum von diesen zu unterscheiden seien.120

      Anhand von erzählten bildhaften Geschichten oder demonstrativen Aktionen von Altvätern, die wiederum auch erzählt werden, wird eine Lehre erteilt121, z. T. in allegorischer Form122.

      I.1.D.c. Schriftbezug123

      Einige Apophthegmata beschäftigen sich mit der Schrift, bringen ein Schriftzitat oder eine kurze Schriftdeutung.124 Diese sind nicht sehr häufig, was verschiedene Gründe hat. Viele der Mönche waren des Lesens nicht kundig, Bücher oder Handschriften waren selten und teuer125, so daß der Verzicht auf diesen kostbaren Besitz um der Armut willen empfohlen wurde.126

      Die Psalmen waren den Mönchen natürlich vertraut und sicher Stücke aus der Schrift, die bei den Gottesdiensten vorgetragen wurden. In einigen Apophthegmata gibt es gewisse Vorbehalte bezüglich des Schriftstudiums bzw. des Sprechens über die Schrift127, allerdings findet sich auch die gegenteilige Meinung. Von Abbas bzw. Bischof Epiphanios etwa wird berichtet:

      „Wiederum sagte er [Epiphanios]: ‘Der Besitz christlicher Bibeln ist denen notwendig, die sie haben. Denn schon das bloße Anschauen der Bibel allein macht uns zögernder gegenüber der Sünde, und sie leitet uns an, uns mehr der Gerechtigkeit zuzuwenden.’ “ (Epiphanios 8)(Apo 203).

      „Auch das sagte er: ‘Große Sicherheit gegen die Sünde ist das Lesen der heiligen Schriften.’ “ (Epiphanios 9)(Apo 204)

      „Ebenso sagte er: ‘Ein jäher Abhang und ein tiefer Abgrund ist die Unkenntnis der Schrift.’ “ (Epiphanios 10)(Apo 205).128

      Die Schrift taucht auf im Zusammenhang mit der „Meditation“ der Wüstenväter, auch wenn die Stellen nicht sehr zahlreich und ergiebig sind.129 Abbas Poimen betont:

      „Die Natur des Wassers ist weich, die des Steines hart - aber der Behälter, der über dem Steine hängt, läßt Tropfen um Tropfen fallen und durchlöchert den Stein. So ist auch das Wort Gottes weich, unser Herz aber hart. Wenn nun aber der Mensch oft das Wort Gottes hört, dann öffnet sich sein Herz für die Gottesfurcht.“ (Poimen 183)(Apo 757)

      Meditation meint demnach die ständige Wiederholung von Schriftworten, das Wiederkäuen der Schrift und zwar halblaut vor sich hin gesprochen.130

      G. Gould machte darauf aufmerksam, daß die Auslegung der Schrift zu den Hauptaufgaben des Altvaters gehört und bis in die frühesten Schichten der Apophthegmata nachgewiesen werden kann.131

      D. Burton-Christie folgt dieser Einschätzung in seiner Studie und verdeutlicht, daß in allen Schichten des Textes „patterns of biblical events and phraseology were transformed into the structure and language of monastic experience.“132

      Für den Schüler konnte die Schrift oft „kaum Antwort geben auf die alltäglichen Fragen eines Anachoreten in der Wüste. Diese Antworten wurden erst aus der Erfahrung beispielhafter Mönche möglich.“133

      Für die Wüstenväter war das Wort der Schrift nicht einfach geschriebenes bzw. zu lesendes Wort, sondern und besonders ein gesprochenes, ein gehörtes und gelebtes bzw. zu lebendes Wort. Sehr eindrücklich wird dies in der Stellungnahme eines Mönches, die Evagrios Pontikos überliefert:

      „Alles, was einer der Mönche besaß, war ein Neues Testament. Das verkaufte er und gab das Geld den Armen. Seine Erklärung dazu verdient, nicht vergessen zu werden: ‘Ich habe genau das Wort verkauft, das da lautet, verkaufe alles, was du hast, und gib es den Armen.“134

      Zusammenfassend kann man sagen, daß die Väter es ablehnten, theoretisch und spekulativ über die Schrift zu sprechen, weil es die praktischen Konsequenzen des Schrifttextes waren, deren Erforschung sie interessierte.135

      I.1.D.d. Wunder und Visionen

      Für die Güte der Apophtegmenüberlieferung spricht, so W. Bousset, daß das Wunder und vor allem die breitgesponnene Wundererzählung eine geringe Rolle spielt.136 Daß der vollendete Mönch, der Abbas, Wunder wirken kann, ist feststehende Überzeugung, doch halten sich diese meist in bescheidenen Grenzen. Die Dämonenaustreibung137 spielt